Gesetz und Ordnung, und
Heuchelei
von Amira Hass,
Haaretz 24.7.07
Auch in einer Gegend wie der
unseren, wo auch diplomatische Plattitüden sich nicht mehr die Mühe machen, die
Vorzugsbehandlung Israels (obwohl es der Besatzer ist) zu verhehlen, hört sich
das Mandat für den neuen Gesandten des Nah-Ost-Quartetts, Tony Blair, recht
hohl an. Seine Aufgabe, so wird berichtet, ist es, "beim Errichten
lebensfähiger Regierungsinstitutionen behilflich zu sein, die alle
Palästinenser vertreten.... und (beim Schaffen) eines
Klimas von Gesetz und Ordnung für das palästinensische Volk."
Interne politische
Verhandlungen zwischen Hamas und Fatah könnten den Zerfall der zivilen
Institutionen der Palästinenser und die endgültige Trennung zwischen Westbank
und Gaza in letzter Minute noch vereiteln. Diese Institutionen funktionierten
sogar in den schwersten Zeiten unter israelischen Militärattacken; erst nach
dem Januar 2006 fingen sie an, zu zerbröckeln, als der Westen, Israel und Teile
der Fatah (erfolglos) versuchten, eine Hamas-Regierung zu stürzen, die auf der
Basis demokratischer Wahlen gebildet wurde.
Man könnte noch viel sagen
über die brutale Übernahme des Sicherheitsapparates in Gaza durch die Hamas,
man könnte auch zurückblickend das absichtlich durch die Führung dieser
Sicherheitsorgane herbeigeführten Tohuwabohu diskutieren. Hamas ist offenbar
tatsächlich entschlossen, die Effektivität eines national-muslimisches Regimes
im den "befreiten" Gebiet zu beweisen. Aber Hamas ist nicht gleich
Hamas, sie ist nicht homogen, und die Politik des Boykotts und der Belagerung
hat im Grunde nur bewiesen, dass sie ihre Extremisten und deren anonyme
Funktionäre stärkt. Auch verschanzen sich Mahmoud Abbas und seine Leute hinter
der unversöhnlichen Feindschaft-auf-ewig - Stellung.
Aber nach Jahren der Gewöhnung an kontinuierlich fließende Gelder aus dem
Westen als Gegenleistung für die chronische politische Nachsichtigkeit Israel
gegenüber, als Gegenleistung für die Unfähigkeit, die israelische Besatzung zu
beenden, - ist es schwierig, zu unterscheiden, wann diese Unversöhnlichkeit
autonom zustande kommt, und wann unter US-amerikanischem und israelischem
Diktat.
Beide Bewegungen sind sich
trotz all dem bewusst, dass sie letztendlich vom hohen Ross herab steigen
müssen, und dass nur Verhandlungen dabei helfen können. Nur die Rückkehr in die
Bahnen vernünftigen inneren Dialogs kann eben die Institutionen retten, zu
deren "Aufbau-Unterstützung" Blair jetzt geschickt wurde.
Nur der Abstieg vom hohen
Ross kann das Rechtssystem in Gaza retten. Abbas in seinem Zorn blockierte die
Arbeit des Generalstaatsanwalts in Gaza und befahl der örtlichen Polizei, die
Arbeit einzustellen. Es wurden Verordnungen erlassen, Gerichtsentscheidungen
nicht anzuerkennen, den Gerichten wurde verboten, Geldstrafen zu erheben. Auf
diese Art und Weise wurde die Arbeit der Zivilgerichte lahm gelegt. Wen wundert
es da, dass die Exekutivkräfte der Hamas daraufhin ein eigenes
Jurisdiktions-Komitee gegründet hat, bestehend aus Experten für Scharia und für Militärgesetz, wenn es auch bisher nur mit
der Behandlung von Beschwerden gegen die Exekutivkräfte betraut ist.
Wie lange wird es dauern, bis
in dem von Abbas' Anordnungen geschaffenen Vakuum ein separates legales System
entsteht?
Und das gesetzgebende
Gremium, das Parlament - eine palästinensische Institution, die sich recht gut
gegenüber einem autoritären Arafat zu behaupten wusste, und eine Tradition der
Kontrolle exekutiver Organe entwickelt hat - ? Nur Diskussion und Kompromisse
werden es vor der kompletten Lähmung retten.
Einige der unabhängigen
Abgeordneten haben Vorschläge unterbreitet, die die Fatah überzeugen könnten,
die Sitzungen der Ratsversammlung nicht mehr zu boykottieren, und die Hamas,
einer Neuwahl des Parlamentspräsidiums zuzustimmen. Dies ist ein Versuch, Abbas
vor seinem eigenen dummen Vorschlag zu retten, Neuwahlen abzuhalten, was gegen
das palästinensische Grundgesetz verstoßen würde, und wozu er im Gazastreifen
auch nicht in der Lage wäre.
Viel Heuchelei offenbart sich
im Gerede von "Recht und Ordnung", wenn man in Betracht zieht, dass
Blairs Mandat keine klaren Forderungen an Israel stellt, das in den von ihm
besetzten Gebieten gegen Gesetz und Moral agiert und dort eine Ordnung der
absoluten Herrschaft installiert hat. Es ist ein beachtliches Maß an Zynismus
notwendig, von Institutionen zu sprechen, die "alle Palästinenser
vertreten", nachdem die internationale Politik des Boykotts einer
gewählten Regierung so viel zu den
zerstörerischen Ergebnissen in Gaza beigetragen hat. Viel Böswilligkeit gehört
zum ausdrücklichen Veto von Seiten der USA und Israel gegen das einzig
Vernünftige, das die palästinensische Öffentlichkeit heute von seinen
Vertretern fordern kann: Die Rückkehr der beiden rivalisierenden Bewegungen zum
politischen Dialog.
(dt.Weichenhan-Mer)
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