Die Politik
der Trennung brechen
von Amira Hass, Haaretz 25.9.07
Eine Frau in Ramallah meinte neulich abschätzig: "Die Entscheidung
des Obersten Gerichtshofs, die Trennungs-Anlage in Bil'in
zu verschieben, beweist nichts über die Wirkung des populären
palästinensisch-israelischen Kampfes. Israel braucht so etwas, um sich als
Demokratie darzustellen. "
Man kann ihre
Frustration verstehen. Das Leben von zigtausenden von Palästinensern wird
empfindlich von einem Zaun gestört,
dessen Verlauf anderswo nicht weniger "unverhältnismäßig" ist als in Bil'in. Nach zweieinhalb Jahren wöchentlicher
Demonstrationen von Palästinensern, linken Israelis und Aktivisten aus dem
Ausland – Demonstrationen, die brutal zerstreut wurden, in deren Verlauf viele
der Protestierenden verletzt oder festgenommen wurden – wurde der Zaun ganze
1,7 Kilometer verschoben. Und derselbe Gerichtshof, der den Zaun verschob,
legitimierte dann das jüdische Viertel, das schon auf privatem Land des Dorfes Bil'in gebaut worden ist.
Die Diskrepanz
zwischen den unglaublichen und vielseitigen Bemühungen und dem mageren Ergebnis ist charakteristisch
für die Aktivitäten aller israelischen Gruppen, die gegen die Besatzung
arbeiten. Letzten Freitag Vormittag, am
Vorabend von Yom Kippur,
mühten sich Aktivisten von Machsom Watch1 stundenlang mit verzweifelten Telefonanrufen
und Versuchen, Verbindungen mit hochrangigen Persönlichkeiten zu nützen, drei
Kranken den Übergang am Qalandia Checkpoint zu
ermöglichen, damit sie in Jerusalem dringende ärztliche Versorgung erhielten. Berichte in den Medien hatten
versprochen, dass trotz der hermetischen Schließung [der Checkpoints]
humanitäre Fälle durch die Checkpoints gelassen würden. Trotzdem hatten mittags
die meisten aufgegeben und waren nach Hause zurückgekehrt.
In anderen
Fällen versuchen die Frauen von Machsom Watch, Kommandeure zu alarmieren, wenn Soldaten die Checkpoint-Passanten
schikanieren. Monatelange Korrespondenzen, Anfragen und Anträge, Berichte in Haaretz und von B'Tselem
resultierten im Abziehen zweier Kommandanten vom Taysir-Checkpoint.
Das hinderte einige Monate später einen Soldaten nicht daran, an diesem
Checkpoint Leute zu schikanieren, auch verhinderte es an anderen Checkpoints
nicht das Vorkommen von Misshandlungen. Überflüssig zu erwähnen, dass die
Politik der Checkpoints und Straßensperren weitergeht, trotz des Gestankes von
Apartheid, die sie verbreitet.
Wer aber vom begrenzten Einfluss der israelischen
Aktivitäten gegen die Besatzung frustriert ist, der übersieht zwei ihrer
herausragenden Merkmale. Zum einen kann dadurch, dass einem Einzelnen ein Dunam3
Land zurückgegeben wird, dass Bauern ermöglicht wird, eine Olivenernte ohne
Angriffe und Misshandlungen durch Siedler einzubringen, dass die Wartezeit an
einem Checkpoint reduziert wird oder dass ein Kranker oder Minderjähriger aus
der Haft ohne Gerichtsbeschluss entlassen wird, das Leben für bestimmte
Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bisschen weniger schwer werden. Dies
wird durch Leute ereicht, die ihre
Immunität als jüdische Israelis nützen, um die Bürokratie der Besatzung
herauszufordern.
Zum anderen ist
diese unmittelbare persönliche Erleichterung
mit einem grundlegenderen, langfristigen israelisch-palästinensischen
Kampf gegen die Besatzung verbunden. Seit den 90er Jahren ist Israel bestrebt,
die beiden Völker zu trennen. Es hat die Möglichkeiten, sich, außerhalb des
offiziellen Rahmens von VIP-Treffen und luxuriösen Friedens-Shows in Übersee,
in denen der Begriff "Besatzung" vollkommen unbekannt ist, zu treffen und gegenseitig kennen zu lernen,
wesentlich eingeschränkt.
Aufgrund dieser
Trennung kennen die Palästinenser nur Siedler und Soldaten – in anderen Worten,
nur diejenigen, deren Verhalten und deren Rollen im System die Schlussfolgerung
der Palästinenser rechtfertigen, es sei unmöglich, mit Israel ein gerechtes
Abkommen und einen Frieden zu erreichen. Diese Trennung stärkt auch Israels
rassistische – oder bestenfalls gönnerhafte – Einstellung den Palästinensern
gegenüber.
Die Anarchisten,
Machsom Watch, Yesh Din, Rabbis for Human Rights, the Committee Against
House Demolitions, Physicians
for Human Rights, Gush Shalom und andere aktive
Gruppen4 brechen die
Trennungs-Politik und ihre Übel – so gering die Zahl ihrer Mitglieder auch sein
mag. Sie erinnern die Palästinenser daran, dass es noch andere Israelis gibt;
es gibt also vielleicht noch Hoffnung. Und in ihrer unmittelbaren Umgebung
konfrontieren sie Israelis mit Tatsachen und Erfahrungen, die es ihnen schwer
machen, weiter in selbst gewählter Ignoranz zu schwelgen über die Gefahren, die
unser Unterdrückerregime über die Palästinenser mit sich bringt.
1 Mahsomwatch:
Frauennetzwerk zum Schutz der Bevölkerung www.machsomwatch.org
2 B'tselem: Menschenrechtsorganisation www.btselem.org
3 Dunam:
Flächenmaß, ca. 1000 qm;
4 www.awalls.org www.Yesh-din.org www.rhr.israel.net www.icahd.org www.phr.org.il www.gush-shalom.org www.taayush.org ...
(dt.Weichenhan-Mer)