Israel-Palästina
Nahost Konflikt Infos
Warum verfolgt mich Israel?
Azmi Bishara, Los-Angelos-Times,
3.5.07
Amman, Jordan: Ich bin ein
Palästinenser aus Nazareth, ein Bürger Israels, und war bis vor einem
Monat Mitglied des israelischen
Parlamentes.
Aber jetzt – in einer
eigenartigen verzerrten Erinnerung an Frankreichs Dreifuss-Affäre, in der ein
französischer Jude wegen Untreue gegenüber seinem Staat angeklagt wurde - klagt mich die Regierung Israels an, ich
hätte dem Feind geholfen, während Israel im Krieg gegen den Libanon (Juli 2006)
einen Fehlschlag erlitten habe.
Anscheinend verdächtigt mich
Israels Polizei, Informationen an einen ausländischen Agenten gegeben und dafür
Geld erhalten zu haben. Nach israelischem Gesetz kann jeder - Journalist oder persönlicher Freund – als
ausländischer Agent vom Israelischen Sicherheitsapparat bezeichnet werden.
Solch eine Anklage kann zu lebenslänglicher Haft oder gar zur Todesstrafe
führen.
Die Vorwürfe sind
lächerlich. Es ist unnötig zu sagen,
aber die Hisbollah, Israels Feind im Libanon, hat unabhängig mehr Informationen
über Israel gesammelt, als irgendein arabischer Knessetabgeordneter
möglicherweise hätte liefern können. Anders als jene in Israels Parlament, die
in Gewaltakte verwickelt waren, habe ich niemals Gewalt angewandt oder an
Kriegen teilgenommen. Im Gegensatz dazu sind meine Überzeugungswaffen nur
Wörter in Büchern oder Artikeln gewesen.
Diese erlogenen Anklagen, die
ich zurückweise und dementiere, sind nur das letzte in einer Serie von
Versuchen, mich und andere zum Schweigen zu bringen, die in den Kampf der
palästinensisch-arabischen Bürger Israels verwickelt sind, die in einem „Staat
für all seine Bürge“ leben wollen und nicht in einem Staat, der besondere
Rechte und Privilegien nur den Juden gewährt und den anderen verweigert.
Als Israel 1948 errichtet
wurde, wurden mehr als 700 000 Palästinenser vertrieben oder flohen aus Angst.
Meine Familie gehörte zur Minderheit, der dieses Schicksal erspart und im Lande
blieb, wo wir noch heute leben. Der israelische Staat, nur für Juden errichtet,
fing sofort damit an, uns zu Ausländern im eigenen Land zu machen.
Während der ersten 18 Jahre
israelischer Herrschaft lebten wir als israelische Bürger unter militärischer
Herrschaft mit Passgesetzen, die jede unserer Bewegungen kontrollierte. Wir
beobachteten wie jüdisch-israelische Städte über zerstörten palästinensischen
Dörfern entstanden.
Heute machen wir 20 % der
israelischen Bevölkerung aus. Wir trinken nicht aus besonderen Wasserquellen
oder sitzen im Bus im hintersten Teil. Wir haben das Stimmrecht und können im
Parlament sitzen, aber wir stehen
einer rechtlichen, institutionellen und
grässlichen Diskriminierung in allen
Sphären des Lebens gegenüber.
Mehr als 20 Gesetze
privilegieren nur Jeden gegenüber Nicht-Juden. Das Recht auf Rückkehr z.B.
garantiert automatisch die Staatsbürgerschaft für Juden, egal woher sie kommen.
Doch palästinensische Flüchtlingen wird das Recht der
Rückkehr in ihr eigens Land, aus dem sie 1948 vertrieben wurden, verweigert. Das Grundrecht menschlicher Würde
und Freiheit – Israels „Bill of Rights“ – definiert
den Staat als „jüdisch“ und nicht als „Staat aller seiner Bürger“. Auf diese
Weise ist Israel eher ein Staat für Juden in Los Angelos oder Paris aber nicht
für die einheimischen Palästinenser.
Israel gibt selbst zu, es sei ein Staat für eine spezielle religiöse
Gruppe sei. Jeder, der sich der
Demokratie verpflichtet fühlt, muss sich eingestehen, dass eine gleich
berechtigte Staatsbürgerschaft unter solchen Umständen nicht möglich ist.
Die meisten unserer Kinder
besuchen Schulen, die von einander getrennt
und ( den jüdischen ) nicht
gleichwertig sind . Nach Umfragen der letzten
Zeit würden zwei Drittel der
israelischen Juden sich weigern, als
Nachbarn von Arabern zu wohnen, und fast die Hälfte würde es Arabern nicht
erlauben, ihre Wohnung zu betreten .
Sicher habe ich Israel verärgert. Abgesehen davon, dass ich
die oben genannten Dinge ausgesprochen habe, habe ich auch behauptet, dass das
libanesische und das palästinensische
Volk auf der Westbank und im Gazastreifen das Recht haben ,
gegen die israelische illegale Besatzung Widerstand zu leisten. Ich sehe die,
die für ihre Freiheit kämpfen, nicht als meine Feinde an.
Dies mag jüdischen Israelis
nicht gefallen, aber sie können uns
unsere Geschichte und Identität genau so wenig aberkennen, wie wir ihre
Verbindungen zum Weltjudentum ableugnen können.
Nicht wir, sondern die israelischen Juden sind in dieses Land
eingewandert. Von Immigranten könnte man fordern, dass sie im Tausch für
gleiche Staatsbürgerschaft ihre frühere Identität aufgeben – aber wir sind
keine Immigranten.
Während meiner Jahre in der
Knesset hat mich der Staatsanwalt angeklagt, dass ich meine politische Meinung
zum Ausdruck gebracht habe (die Anklage wurde dann zurückgenommen); Lobbyisten wollten mir meine
parlamentarische Immunität absprechen und versuchten erfolglos, meine politische
Partei zu disqualifizieren, damit sie nicht an den Wahlen teilnimmt – das alles
, weil ich glaube, Israel sollte ein Staat
für alle seine Bürger sein, und weil ich gegen die israelische Militärbesatzung gesprochen habe. Im letzten
Jahr erklärte das Kabinettsmitglied Avigdor Lieberman – ein Immigrant aus Moldawien – die
„palästinensischen Bürger Israels haben hier keinen Platz, sie sollten hier
verschwinden.“
Nachdem ich einen Führer der
palästinensischen Behörde von Hamas
getroffen hatte, rief Lieberman dazu auf, mich zu
exekutieren.
Die israelischen
Behörden versuchen, nicht nur mich
einzuschüchtern, sondern alle palästinensischen Bürger Israels. Aber wir lassen
uns nicht einschüchtern. Wir lassen uns
nicht zur permanenten Knechtschaft im Lande unserer Vorfahren herabwürdigen
oder uns von den natürlichen Verbindungen zur arabischen Welt trennen. Die
verantwortlichen Führer unserer
Gemeinschaften trafen sich vor kurzem, um über einen Plan über einen Staat zu beraten, der von ethnischer und religiöser
Diskriminierung in allen Lebensgebieten frei ist. Wenn wir uns jetzt vom Pfad der Freiheit abwenden, werden
wir auch die zukünftigen Generationen der Diskriminierung überlassen, wie wir
sie seit sechs Jahrzehnten durchlebten.
Die Amerikaner kennen aus
ihrer eigenen Geschichte von institutioneller Diskriminierung die Taktiken, die
gegen Bürgerrechtler angewandt wurden. Das schließt das Abhören von
Telefongesprächen, Polizeiüberwachung, politische Delegitimierung,
Kriminalisierung der Meinung durch
falsche Anklagen ein. Israel wendet auch weiterhin diese Taktiken in
einer Zeit an, in der die Welt solche Praxis nicht mehr toleriert und mit einer
Demokratie als unvereinbar ansieht.
Warum unterstützt die
US-Regierung weiterhin ein Land so sehr,
dessen Identität und Institutionen sich auf ethnische und religiöse
Diskriminierung gründen, der die eigenen Bürger zum Opfer fallen?
(dt. Ellen Rohlfs)