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Das Problem mit Israel
Jeff Halper
16.11.06
Lasst uns ehrlich sein: Das Problem im Nahen Osten ist nicht das
palästinensische Volk, nicht Hamas, nicht die Araber, nicht Hisbollah, die
Iraner oder die gesamte islamische Welt. Wir sind es, die Israelis. Der
israelisch-palästinensische Konflikt, die größte Einzel-Ursache von
Instabilität, Extremismus und Gewalt in unserer Region, ist vielleicht der
Konflikt auf der Welt, der am leichtesten zu lösen wäre. Seit fast 20 Jahren,
seitdem die PLO Israel in den Waffenstillstandsgrenzen von 1949 (die
"Grüne Linie", die Israel von der Westbank und dem Gazastreifen trennt)
anerkannt hat, hat jede palästinensische
Führung, mit Unterstützung der großen Mehrheit der palästinensischen
Bevölkerung, Israel dieses äußerst großzügige Angebot gemacht: Ein jüdischer
Staat auf 78% des Gebiets Israel/Palästina gegen einen palästinensischen Staat
auf nur 22% des Gebiets – der Westbank, Ostjerusalem und dem Gazastreifen.
Dieser Vorschlag wird tatsächlich von der Mehrheit sowohl des palästinensischen
als auch des israelischen Volks befürwortet.
Hier ein Bericht vom 18.Jan.2005 in Ha'aretz:
Etwa 63% der Palästinenser unterstützen den Vorschlag,
nach der Etablierug des palästinensischen Staats und der Lösung der anstehenden
Fragen – das schließt die Flüchtlingsfrage und Jerusalem mit ein – eine
Erklärung abzugeben, in der der Staat Israel als Staat des jüdischen Volkes und
der Staat Palästina als Staat des palästinensischen Volkes anerkannt wird...
Auf der israelischen Seite unterstützten 70 % den Vorschlag für gegenseitige
Anerkennung.
Und wenn Taba und die Genfer
Initiative Indikatoren sind, sind die Palästinenser sogar bereit, einige der
reichsten und strategisch wichtigsten Gebiete rund um Jerusalem bis nach
Modi'in gegen unfruchtbares Land in der Wüste Negev zu "tauschen".
Was
aber geschieht mit den Flüchtlingen, vermutlich der schwierigsten Streitfrage
in diesem Zusammenhang? Es ist wahr, die Palästinenser möchten, dass ihr
Rückkehrrecht anerkannt wird. Schließlich ist es ihr Recht nach
internationalem Recht. Sie möchten auch,
dass Israel seine Rolle bei der Vertreibung der Flüchtlinge aus dem Land eingesteht, damit ein heilender Prozess
beginnen kann (Ich muss niemanden daran erinnern, wie wichtig es für uns Juden
ist, dass unser Leiden anerkannt wird). Sie haben aber wiederholt gäußert, wenn
die Angelegenheit zur Verhandlung kommt, wäre ein Packet mit Wiederansiedlung
in Israel und dem palästinensischen Staat,
plus Kompensation für diejenigen, die in den arabischen Staaten bleiben
wollen, plus die Möglichkeit der Ansiedlung in Kanada, Australien und anderen
Ländern, eine durchaus annehmbare Lösung
für alle Beteiligten. Khalil Shkaki, ein palästinenseischer Soziologe, der
extensive Beobachtungen unter den Flüchtlingen anstellte, schätzt, dass nur etwa 10% [der Flüchtlinge],
hauptsächlich ältere Leute, die Rückkehr nach Israel wählen würden; solch eine
Anzahl von Menschen (etwa 400 000)
könnte Israel leicht verkraften.
Mit
einem Ende der Besatzung und einem politischen Arrengement von Gewinnern auf
beiden Seiten [win – win] , das die grundlegenden Bedürfnisse beider Völker befriedigen
würde, könnten die Palästinenser den vielleicht bedeutendsten Beitrag zu
Frieden und Stabilität im Nahen Osten leisten. So schwach sie sind, besitzen
die Palästinenser eine Quelle kolossaler Kraft, eine kritische Trumpfkarte: Sie
sind die Torwächter zum Nahen Osten. Denn der Palästina-Konflikt hat
sinnbildlichen Stellenwert in der muslimischen Welt. Vom muslimischen
Standpunkt aus ist er die Verdichtung des "Kampfes der
Kulturen". In dem Moment, in dem
die Palästinenser der weiteren arabischen islamischen Welt signalisieren, dass
eine für sie annehmbare Beilegung des Konflikts erreicht wurde, und dass nun
die Zeit gekommen ist, die Beziehung zu Israel zu normalisieren, wird dies den
Einfluss von Fundamentalismus, Militarismus und Reaktion signifikant
einschränken und den fortschrittlichen Stimmen, die heute – auch in Israel –
nicht gehört werden, Raum zur Entfaltung geben. Israel müsste natürlich auch
das Problem Golanhöhen lösen, worum Syrien es seit Jahren gebeten hat. Trotz gegenteiliger neokonservativer
Rethorik weiß jeder, der den Nahen Osten kennt, dass solch eine Dynamik nicht
nur möglich ist, sondern auch überraschend schnelle Fortschritte machen würde.
Das
Problem ist Israel, sowohl in seiner vorstaatlichen Form als auch als Staat,
das sich in den vergangenen 100 Jahren standhaft geweigert hat, die nationale
Existenz und das Selbsbestimmungsrecht des palästinensischen Vokes
anzuerkennen. Immer wieder hat es "Nein" gesagt zu jeder Gelegenheit,
einen wahren Frieden zu erringen, und dies in deutliche Worten. Das jüngste
Beispiel ist der Konvergenz-Plan (Revision der Grenzen) von Ehud Olmert, der
den Konflikt endgültig beenden will indem er einem "souveränen"
palästinensischen Pseudo-Staat israelische Kontrolle auferlegt. "Israel
wird die Kontrolle über die Sicherheitszonen, die jüdischen Siedlungsblöcke und
diejenigen Orte behalten, die für das jüdische Volks von herrausragender
Wichtigkeit sind, vor allem ein vereinigtes Jerusalem unter israelischer
Souveränität", erklärte Olmert auf der Herzliya-Konferenz im Januar 2006.
"Wir werden nicht gestatten, dass palästinensische Flüchtlinge den Staat
Israel betreten." Olmerts Plan, den
er umsetzen wollte, sobald er mit Hisbollah und Hamas fertig ist, hätte die
israelische Kontrolle über die besetzten Gebiete für immer festgelegt. Er hätte
die Entstehung eines lebensfähigen palästinensichen Staates endgültig unmöglich
gemacht. Während die "Sperranlage", Israels demographische Grenze im
Osten, nur 10-15% des Westbank-Gebiets wegnimmt, verleibt sie die
Haupt-Siedlungsblöcke Israel ein, zerschneidet die Westbank in
kleine,unzusammenhängende "Kantone" (Scharons eigene Worte), und
beraubt die Palästinenser ihrer fruchtbarsten Anbaugebiete und einer der
wichtigsten Wasserquellen. In der gesamten Mitte der Westbank schafft sie ein
"größeres" israelisches Jerusalem, womit sie jedem möglichen
palästinensischen Staat das ökonomische, kulturelle, religiöse und historische
Herzstück herausschneidet. So werden die Palästinenser also zwischen der Mauer/Sperranlage
und einer weiteren "Sicherheits"-grenze, dem Jordantal, wie in
einem Sandwich eingeklemmt, was Israel zwei Ostgrenzen gibt. Israel
würde alle für einen lebensfähigen palästinensischen Staat wichtigen Ressourcen
weiterhin kontrollieren, und, um das Maß voll zu machen, den palästinensischen
Luftraum beherrschen, ebenso wie den Kommunikationsraum und sogar das Recht
eines palästinensischen Staats, seine eigene Außenpolitik zu führen,
kontrollieren.
Dieser
Plan ist offensichtlich für die Palästinenser unannehmbar – eine Olmert wohl
bekannte Tatsache – ,deshalb muss er, mit Hilfe der USA, unilateral
durchgezogen werden. Wen schert es? Wir haben es abgelehnt, wirklich mit Arafat
zu reden, abgelehnt, überhaupt mit Abu Mazen zu sprechen, und boykottieren zur
Zeit umfassend die gewählte Hamas-Regierung, aus deren Umfeld wir Leute
festnehmen und umbringen. Und wenn's mit dem "Konvergenzplan" nicht
klappt, naja - den Status Quo aufrechterhalten und inzwischen weiter Siedlungen
bauen, war schon in den letzten vierzig Jahren erfolgreich und kann unbegrenzt
fortgesetzt werden. Es stimmt zwar, dass Israel zu blinder, sinnloser Gewalt
herabgesunken ist, - der Libanonkrieg 2006, und jetzt, da diese Zeilen
niedergeschrieben werden, ein zunehmend gewalttätiger Angriff auf den Gazastreifen.
Aber die israelische Öffentlichkeit hat Baraks Behauptung, es gäbe "keinen
Partner für den Frieden", akzeptiert. Wenn es also unter den Wählern
Unzufriedenheit geben sollte, dann ist es wahrscheinlicher, dass sie die Linke
"mit dem blutenden Herzen" fallen lassen und sich die Rechten mit
ihrer misslungenen Doktrin von auf Militär gestützter Sicherheit holen.
Warum?
Wenn die Israelis wirklich und wahrhaftig Frieden und Sicherheit wollen – wie
Olmert neulich sagte: "das Recht, normal zu sein" – warum haben sie
dann nicht jede sich bietende Gelegenheit ergriffen oder wenigstens geprüft, um
diesen Konflikt zu lösen? Warum wählen sie ununterbrochen Regierungen, die eine
aggressive Siedlungspolitik verfolgen und militärische Konfrontation mit den Palästinensern
und Israels Nachbarn suchen, auch wenn sie die schwere Last der Besatzung gerne
los wären? Wenn die meisten Israelis sich am liebsten von den Palästinensern
"trennen" würden, warum bieten sie den Palästinensern dann so wenig
an, dass diese selbst bei einer Bereitschaft zu weitreichenden Konzessionen
eine Trennung nicht als Möglichkeit annehmen können? "Die Akten des
israelischen Außenministeriums", schreibt der israelisch-britische
Historiker Avi Shlaim in The Iron Wall (2001,S.49) "platzen aus den
Nähten mit Beweisen für das Ausstrecken der Fühler auf arabischer Seite in
Richtung Frieden und arabische Bereitschaft zu Verhandlungen mit Israel seit
September 1948." Im folgenden nur einige Beispiele von gezielt verpassten
Gelegenheiten:
Jahrzehnte
lang belog Ben Gurion, und ebenso taten dies nachfolgende Regierungen, die israelische Öffentlichkeit über die
Friedens-Bemühungen nach 1948 und über das arabische Interesse an einem
Übereinkommen. Die arabischen Führungspersönlichkeiten (möglicherweise mit der
Ausnahme von Abdullah) wurden insgesamt als eine Ansammlung von störrischen
Kriegstreibern dargestellt, die auf Teufel-komm-raus Israels Zerstörung im Sinn haben. Die Öffnung der israelischen
Archive in der jüngsten Zeit bietet ein sehr viel komplexeres Bild der Lage.
Hinzuzufügen wären hier all die
unnötigen Kriege, kleineren Konflikte und die blutigen Angriffe, die
hauptsächlich dazu dienten, Israels Ausgangsposition für sein Vorhaben, die Kontrolle
über das gesamte Gebiet westlich des Jordans auszuweiten, direkt oder indirekt
bequemer zu machen: Das systematische
Töten von 3000-5000 "Infiltrierten" in den Jahren 1948-1956,
palästinensischer Flüchtlinge, zum Großteil unbewaffnet, die nur versucht
hatten, nach Hause zurückzukehren, ihre Felder zu bestellen oder verlorene
Besitztümer einzusammeln; der Krieg von 1956, der teilweise stattfand, um das
Wiederauftauchen des "Palästina-Problems" auf der internationalen
Agenda zu verhindern, wie auch, um Israel militärisch, territorial und
diplomatisch zu stärken; Militäroperationen gegen palästinensische Zivilisten,
beginnend mit den infamen Tötungen in Sharafat, Beit Jala und, der berüchtigste
Fall, in Quibia, ausgeführt von Sharons 101. Einheit. Solche Operationen werden
in den besetzten Gebieten und im Libanon bis heute fortgesetzt, hauptsächlich
als Kollektivstrafe und zur "Befriedung". Hierzu zählen noch weitere,
jahrzehnte zurückliegende Operationen von systematischer Liquidierung wichtiger
palästinensicher Führungspersönlichkeiten; drei Kriege im Libanon (die
Operation Litani 1978, Operation Frieden für Galiläa 1982 und der Krieg von
2006) und viele mehr.
Hinter
all diesen Militäraktionen, seien es nun große Kriege oder "gezielte
Tötungen" steht die beständige standhafte Weigerung Israels (tatsächlich
reicht sie zurück bis in die vor-zionistischen 1880er Jahre), sich direkt und
ernsthaft mit den Palästinensern zu beschäftigen. Israels Strategie besteht bis
heute darin, sie zu umgehen und zu umkreisen, mit Regierungen zu verhandeln,
die sie isolieren, und – bisher
allerdings erfolglos – als Mitspieler zu neutralisieren. Das wurde sehr
deutlich in den Madrid-Gesprächen sichtbar, als Israel eine palästinensische
Beteiligung nur als Teil einer jordanischen Delegation gestattete. Aber auch
beim Oslo - "Friedensprozess" wird es sichtbar. Während Israel auf
einem Brief Arafats bestand, in dem er explicit Israel als "legitimes
Konstrukt" im Nahen Osten anerkannte, später dann eine Anerkennung Israels
als jüdischer Staat forderte (beides hat es bekommen), hat keine israelische
Regierung je das kollektive Recht des palästinensischen Volkes auf
Selbstbestimmung anerkannt. Rabin benannte geradeheraus den Grund: Wenn Israel
das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung anerkennt, heißt das, dass
definitiv ein palästinensischer Staat entstehen muss – und das wollte Israel
nicht versprechen (Savir 1998,p.47). Und so hat Israel, abgesehen von vagen
Erklärungen, nicht über ein anderes Volk herrschen zu wollen und über die
"zum Frieden ausgestreckte Hand", nie einen Rahmen für ernsthafte
Verhandlungen zustande kommen lassen. Man muss mit den Palästinensern rechnen,
man muss ihre Reaktion zu dem einen oder anderen unserer Vorschläge einholen,
aber sie sind sicherlich kein gleichwertiger Partner mit Ansprüchen auf das
Land, die den unseren in die Quere kommen könnten. Israels heftige Reaktion auf
den Ausbruch der zweiten Intifada, als es mehr als eine Million Geschosse,
inklusive Raketen, auf zivile Zentren in Westbank und Gazastreifen schoss,
obwohl in den ersten fünf Tagen dieser Intifada von palästinensischer Seite
kein einziger Schuss gefallen war, kann nur als Strafe für die Ablehnung dessen
erklärt werden, was Barak versucht hatte den Palästinensern in Camp David
aufzunötigen, wobei sie endgültig die Illusion, sie könnten gleichberechtigt
über die Zukunft "unseres" Landes entscheiden, als Illusion erkennen
mussten. Wir werden sie schlagen, pflegte Sharon häufig zu sagen, "bis sie
die Botschaft kapiert haben". Und was ist die "Botschaft" ? Dass
dies unser Land ist und nur wir israelischen Juden das Recht haben zu
entscheiden, ob und wie wir es teilen.
Ungezwungenes Konflikt-Management
Die Irrelevanz der Palästinenser für
israelische Politiker ist nur ein lokaler Ausdruck der umfassenden Anmaßung,
die die israelische Politik Arabern gegenüber seit der Staatsgründung bestimmt.
Israel, so haben Premierminister von Ben Gurion bis Olmert versichert, ist
einfach zu stark, um von den Arabern ignoriert zu werden. Deshalb können wir
nicht voreilig Frieden schließen. Wenn wir einmal alles erreicht haben , was
wir wollen, werden die Araber immer noch bereit sein, Frieden mit uns zu
suchen. Die Erklärung des scheinbaren
Widerspruchs zwischen der Behauptung Israels, es wolle Frieden und Sicherheit,
und seiner tatsächlich ausgeführten Politik von Konflikt und Expansion hat also
vier Teile.
(1)Territorium und Friede durch die
Trumpfkarte Hegemonie. Wie Ben Gurion
vor Jahren erklärte, haben Israels
geo-politische Ziele Vorrang vor dem Frieden mit irgendeinem arabischen Land.
Nachdem ein Zustand des Nicht-Konflikts sogar besser ist als Friede (Israel
steht in solch einem Verhältnis mit Syrien, mit dem es seit 34 Jahren nicht
gekämpft hat, und ist daher in der Lage, mit einem Frieden einhergehende
Kompromisse, die seine Besetzung der Golanhöhen gefährden könnte, zu umgehen.),
schließt Israel "Frieden" nur mit Ländern, die in seine
Expansionsagenda einwilligen. Jordanien gab alle Ansprüche auf die Westbank und
Ostjerusalem auf und hat sogar aufgehört, aktiv für palästinensische Rechte
einzutreten. Der Friede mit Ägypten hat Israel zwar die Sinai-Halbinsel
gekostet, hat seine Besatzung von Gazastreifen und Westbank aber unberührt
gelassen. Die Unterscheidung zwischen solchen Teilen der arabischen Welt, mit
denen es wirklich ein Friedensabkommen will, solchen, mit denen es nur einen
Zustand des Nicht-Konflikt braucht, und solchen, die es glaubt kontrollieren,
isolieren und besiegen zu können, schafft eine Situation von großer
Flexibilität und gestattet es Israel, mit Zuckerbrot und Peitsche zu arbeiten,
je nach Tagesordnung zum betreffenden Zeitpunkt.
Israel
kann diese Strategie heute nur verfolgen, weil es politisch, militärisch und
finanziell unter dem Schutz der USA steht. Dieser Schutz hat einige Wurzeln,
darunter den Einfluss der organisierten jüdischen Gemeinden und der
fundamentalistischen Christen auf die Innenpolitik und offensichtlich auf den
Kongress. Doppelt parteiische und unangreifbare Unterstützung für Israel ergibt
sich aber aus der Stellung Israels in der amerikanischen Waffenindustrie und
zur US-Verteidigungs-Diplomatie. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich Israel
auf die Entwicklung von High-Tech-Komponenten für Waffensysteme spezialisiert;
auf diese Weise hat es eine zentrale Position in der weltweiten Waffen- und
Sicherheits-Industrie erreicht. Man könnte Israels Unterdrückung der Intifadas,
seine versuchte Befriedung der besetzeten Gebiete und gelegentliche Kämpfe mit
Hisbollah oder ähnlichen als wertvolle Gelegenheiten mit fast laboratorischen
Bedingungen betrachten, um brauchbare Techniken und Waffen zu entwickeln. Das
hat es für den Westen extrem wertvoll gemacht. Tatsächlich gehört Israel zu den
fünf größten Waffenexporteuren der Welt und wird wahrscheinlich in ein paar
Jahren Russland als Nr.2 ablösen (siehe Jane's assessment, 2.Mai 2006).
Die Tatsache, dass es diskrete militärische Verbindungen mit vielen
muslimischen Ländern, einschließlich des Iran, hat, gibt der richtungsgebenden
Annahme, ein separater Friede mit arabischen Ländern sei erreichbar ohne
wesentliche Zugeständnisse an die Palästinenser, nochmals einen Anstrich von
Vernünftigkeit. Sollte irgend ein Staat die israelische Position wirklich in
Frage stellen, kann Israel als Hüter amerikanischer Militärprogramme, bis zu
einem gewissen Grad sogar der amerikanischen Verteidigungsindustrie und damit
wichtigster Quellen von High-Tech-Forschung und -Entwicklung, auftreten, eine
ausgesprochen Furcht erregende Position.
(2) Eine militärisch definierte
Sicherheits-Doktrin Israels Konzept von "Sicherheit" war
immer so überzogen, dass es für die Palästinenser keinerlei Luft zum Atmen ließ
und so jede durchführbare Lösung des Konflikts ausschaltete. Das spiegelt
natürlich Israels traditionelles Vertrauen auf überwältigende militärische
Überlegenheit über die Araber wider (was die "Qualität" betrifft).
Sie wird als so überwältigend wahrgenommen, – trotz der Beinah-Katastrophe des
Krieges 1973, der Unfähigkeit, die besetzten Gebiete zu befrieden und in
jüngster Zeit, des Versagens gegen die Hisbollah im Libanon – dass Israel die
Notwendigkeit von Entgegenkommen und ernsthaften Verhandlungen von vorne herein
ausschließt, ganz zu schweigen von bedeutenden Zugeständnissen an die
Palästinenser. Einige israelische Wissenschaftler, einschließlich ehemaliger
Militärs, haben über das militärische Übergewicht beim Formulieren der
Regierungspolitik geschrieben. Ben Gurions Konzept der Verbindung einer Nation
im Aufbau mit einer Nation in Waffen, so schreibt Yigal Levy (in seiner
Besprechung von Yoram Peris letztem Buch Generals in the Cabinet Room; How
the Military Shapes Israely Policy), machte die Armee zum Instrument
für den Erhalt einer Sozialordnung, die sich auf Krieg als permanente Größe
stützt.
Die
zentrale Stellung der Armee rührt von der zentralen Stellung des Krieges her...
In dem Moment aber, in dem die politische Führung sich entschied, eine
'mobilisierte', disziplinierte und ungerechte Gesellschaft zu schaffen, indem
sie die Armee zum 'Architekten der Nation' und den Krieg zur Konstante
machte, wurden die Politiker abhängig
von der Armee. Es war nicht nur eine Abhängigkeit von der Armee als
Organisation, sondern vom militärischen Denken. Die militärische Sichtweise
politischer Wirklichkeit wurde zum Hauptangelpunkt israelischen politischen
Handelns, vom Sieg Ben Gurions und
seiner Verbündeten über Moshe Sharets eher versöhnliche Politik der 1950er
Jahre, zur Besatzung als alltägliche Tatsache seit den 1960ern, und zur gegenwärtigen
Bevorzugung eines weiteren Krieges im Libanon gegenüber der politischen Option.
(Ha'aretz, 25.August 2006)
Zeev Maoz argumentiert in seinem
Artikel 'Israel's Nonstrategie of Peace':
Israel
hat eine stark entwickelte Sicherheits-Doktrin, [aber] es hat keine
Friedenspolitik...Israels Gechichte vom Frieden-machen ist von Reaktion
geprägt, sie zeigt ein Muster von Zögerlichkeit, Vermeiden von Risiken,
Stückwerk, das in starkem Kontrast steht zu seiner provokativen wagemutigen und
schussbereiten strategischen Doktrin... Im Wesentlichen ist das Militär die
einzige Regierungsorganisation, die in Krisenzeiten politische Optionen bietet
– typischerweise militärische Pläne. Israels Außenministerium und
diplomatisches Corps sind reduziert auf die Funktion einer Werbeagentur, die
erklärt, warum Israel in Krisensituationen mit Gewalt anstatt mit Diplomatie
handelt. (Tikkun 21 (5), September 2006, p.49-50)
Nochmals, diese Vorgehensweise im
Umgang mit Arabern geschieht nicht erst seit gestern: Sie ist während der
gesamten Geschichte des Zionismus zu finden und war die dominante Art, zu
handeln in der Führung des Yishuv ['Niederlassung', hier vor der
Staatsgründung] bzw. Israels seit der Zeit der arabischen "Unruhen"
und der Teilungsempfehlungen der Peel-Komission 1937 bis zum heutigen Tag, mit
wenigen sehr kurzen Unterbrechungen: Sharett (1954-55), Levi Eshkol (1963-69),
und, vielleicht Rabin in seiner Oslo-Phase (1992-95). Sharett nannte es das
Lager der militärischen "Aktivisten" und beschrieb es 1957 wie folgt:
Die
Aktivisten glauben, dass die Araber nur die Sprache der Gewalt verstehen... Der
Staat Israel muss von Zeit zu Zeit klar beweisen, dass er stark ist und bereit,
Gewalt anzuwenden, zerstörererisch und äußerst wirkungsvoll. Wenn er das nicht
beweist, wird er verschluckt, und vielleicht ganz vom Angesicht der Erde
verschwinden. Was den Frieden anbelangt
– so besagt diese Auffassung – ist er auf jeden Fall zweifelhaft, auf jeden
Fall weit entfernt. Wenn der Friede kommt, dann kommt er nur, wenn [die Araber]
überzeugt sind, dass dieses Land unschlagbar ist... Wenn
[Vergeltungs]-Schläge.. Wellen von Hass wiederaufflammen lassen, ist dies kein
Grund zur Sorge, denn dieser Hass wird in jedem Fall geschürt. (Morris,
1999,p.280)
Mit
dem Gefühl, seine Sicherheit sei durch militärische Macht garantiert und ein
separater Friede (oder Nicht-Konflikt-Status) mit den einzelnen arabischen
Staaten reiche aus, erlaubt sich Israel ein erweitertes
"Sicherheits"-Konzept, das ein verhandeltes Abkommen ausschließt.
Damit definiert Israel den Konflikt mit den Palästinensern ebenso wie die USA
ihren Krieg gegen den Terror. Als einen Sie-oder-Wir-Vergleich, in dem
"sie" grundlegend, unabänderlich und für alle Ewigkeit unsere Feinde
sind. Es ist nicht länger ein politicher Konflikt, und damit ist er unlösbar.
Israels Sicherheit kann dieser Auffassung nach nur militärisch gesichert
werden, oder wenn jeder einzelne von "ihnen" entweder tot, im
Gefängnis, aus dem Lande vertrieben oder in einer versiegelten Enklave
eingesperrt ist. Deshalb haben sich vernünftige Versuche, den Konflikt zu
lösen, basierend auf Interessen beider Seiten, in denen Ursachen des Konflikts
identifiziert und Lösungen verhandelt werden, in all den Jahren als vergeblich
erwiesen. Stattdessen bleibt man
verwurzelt im kompromisslosen Projekt, im ganzen Lande Israel einen rein
jüdischen Raum zu schaffen, mit eingeschlossenen Inseln von Palästinensern.
Sogar Israels glühendste Unterstützer – organisierte jüdische Organisationen
zum Beispiel – haben das nicht verstanden, (christliche Fundamentalisten und
Neokonservative verstehen es, und es gefällt ihnen ausgezeichnet). Die
Behauptung dieser "pro Israel" – Unterstützer und freilich auch
Israels selbst, Israel habe immer nach Frieden getrachtet und sei von arabischer
Unnachgiebigkeit schroff abgewiesen worden, stellt die Sache genau umgekehrt
dar. Nochmals: Israel strebt Herrschaft und regionale Vormachtstellung an, die
nur unilateral erreicht werden können; Verhandlungen erweisen sich damit als
überflüssig und irrelevant. Wie die zionistische Ideologie selbst ist Israels
Sicherheits-Doktrin in sich geschlossen, ein geschlossener Kreis. Deshalb
scheiterten während all der Jahre Bemühungen um Frieden, israelische wie solche
aus dem Ausland, jämmerlich. Wenn die Annahme – von Israel ermutigt – stimmt,
dass der Konflikt mit diplomatischen Mitteln gelöst werden kann, dann kann
Israel mit Recht beschuldigt werden, nicht ehrlich gewesen zu sein. Israel und seine
Gesprächspartner reden im Wesentlichen aneinander vorbei.
Die
Prominenz (man ist versucht zu sagen "die Monopolstellung") des
Militärs im Bestimmen politischer Verfahrensweisen erklärt das Mysterium, warum
die Labour-Partei nach der Ben-Gurion-Ära territoriale Expansion dem Frieden
vorgezogen hat. Uri Savir, Leiter des israelischen Außenministeriums unter
Rabin und Peres und Chef-Verhandler im Oslo-Prozess, läßt einiges von dieser
Dynamik in seinem Buch The Process (1998,p.81, p.99, pp.207-208)
erahnen. Nachdem die Grundsatzerklärung zwischen Israel und den Palästinensern
im September 1993 auf der Wiese vor dem Weißen Haus unterzeichnet worden war,
wählte
Rabin ein neues Verhandlungsteam aus. Unter der Führung von Deputy Chief of
Staff General Amnon Shahak bestand es hauptsächlich aus Offizieren des
Militärs. Als das Militär sich bitter beschwert hatte, es wäre von den
Oslo-Gesprächen ausgeschlossen gewesen, hatte Rabin... die Kritik nicht
zurückgewiesen... Dass Israels Herangehensweise unweigerlich von der Armee
diktiert werden sollte, machte unmittelbare Sicherheitserwägungen zur
vorherrschenden Betrachtungsweise, sodass grundlegende politische Prozesse
kurzfristigen militärischen Bedürfnissen untergeordnet wurden.
In
Granada hatte Rabin Arafat sorgfältig Israels Position bezüglich der Sicherheit
erklärt, besonders der äußeren Sicherheit an den Grenzübergängen.
"Mr.Chairman, ich werde Ihnen geradewegs die Wahrheit sagen, ohne
Bechönigung", sagte er, ... "Wir werden bei der Ausübung der
Kontrolle der Grenzübergänge (nach Jordanien und Ägypten) keine Kompromisse
eingehen. Wir machen uns Sorgen um den Waffenschmuggel. Mit zehn Pistolen kann
es viele Opfer geben", betonte er. "Das ist für unsere Sicherheit
unabdingbar."
Arafat,
der diese gradlinigen Worte in die Vorstellung eines von allen Seiten
eingesperrten Palästina übersetzte, antwortete: "Ich kann nicht um ein
Bantustan verhandeln..."
Am
Ende setzte sich die israelische Sicherheits-Doktrin allgemein durch. Hätte ein
Eingehen auf Arafats Forderung nach mehr Macht und Verantwortung Israels
Sicherheitssituation verbessert? Die Wahrheit ist, wir werden's nie wissen....
Nun
wurden die [israelischen] Bürokraten und die Offiziere, die die Palästinenser
regierten, aufgefordert, ihre Macht an ihre "Schützlinge"
weiterzugeben... Manche dieser Administratoren fanden es fast unerträglich,
sich in Eilat mit Vertretern ihrer "Untertanen" an einen Tisch zu
setzen. Wir waren so lange mit Dehumanisierung beschäftigt gewesen, dass wir
uns wirklich für "gleicher" hielten – und gleichzeitig für die
Bedrohten, und deshalb für gerechtfertigterweise zögerlich. Die Gruppe, die die
Übergabe ziviler Befugnisse verhandelte, rebellierte nicht gegen ihren Auftrag,
aber immer, wenn wir ein Zugeständnis oder einen Kompromiss anboten, neigten
unsere Leute zu den einleitenden Worten: "Wir haben beschlossen, Ihnen zu
gestatten..."
"Sicherheit" wurde mit dem
Aufsteigen von Soldaten und Sicherheitsberatern des Rechten Flügels in die
gehobenen Positionen des militärischen und politischen Establishments während
der Regierungsjahre des Likud immer einengender. Vierzehn der ersten Chiefs of
Staff hatten Verbindung mit der Labour-Partei; die letzten drei – Shaul Mofaz,
Moshe Yaalon und Dan Halutz – kommen aus dem rechten Flügel des Likud, einer
Mischung aus Ideologie und Militarismus, die verstärkt ein Sicherheitskonzept
befürwortet, das, selbst wenn es aufrichtig vertreten wird, den nötigen Raum
für einen lebensfähigen palästinensischen Staat nicht zulassen kann.
(3) Israel als selbst erklärte
Bastion des Westens im Nahen Osten. Israels
europäische Orientierung, einschließlich einer Betrachtung der arabischen Welt
als bloßes Hinterland, das für Israel von geringem Wert ist, erklärt, warum
Israel dem Streben nach Frieden mit seinen Nachbarn nicht mehr Wert beimisst.
Israel betrachtet sich nicht als Teil des Nahen Ostens und hegt nicht den
geringsten Wunsch, sich in ihn zu integrieren. Wenn überhaupt, dann betrachtet
sich Israel als nahöstliche Variation von Singapur. Wie Singapur sucht es
korrekte Beziehungen mit dem Hinterland, sieht sich aber als Service-Center für
den Westen, mit dem es wirtschaftliche und politische Verbindungen pflegt.
(Hier wäre zu bemerken, dass Israel die Armee von Singapur zu dem ausgebildet
hat, was sie heute ist: die stärkste militärische Kraft in Südostasien.)
Demzufolge fehlt Israel die grundlegende Motivation zu irgendeiner Form von
regionaler Integration, wie unschwer an seiner beiläufigen Ablehnung der
Initiative der Saudis 2002 erkennbar ist, die, mit Unterstützung der arabischen
Liga [in Beiruth], Israel Anerkennung, Frieden und regionale Integration für
ein Beenden der Besatzung bot. Und schließlich,
(4) Die unwichtigen Palästinenser. Israel glaubt, es könne separaten Frieden mit einzelnen
Ländern der arabischen und muslimischen Welt schließen (und seine international
umfassend starke Position behalten), ohne die Palästineser zu erwähnen. - Nicht
mit den Völkern, das ist wahr; das würde bis zu einem gewissen Grad Zugeständnisse
an die Palästinenser "vor Ort" erfordern, und so weit zu gehen ist
Israel nicht bereit. In diesem Bewusstsein und ohne großes Interesse sowohl am
palästinensischen Volk als auch an
muslimischen Massen, ist Israel bereit, seinen Frieden/Nicht-Konflikt-Status
auf die Regierungen zu beschränken – Ägypten, Jordanien, ein sich bildender
Irak (obwohl Israel die Kurden bewaffnet), die Golfstaaten, die Staaten
Nordafrikas (einschließlich Lybien), Pakistan, Indonesien und einige
muslimische afrikanische Staaten. Aus der Sicht der israelischen Führung, die
mit Wohlgefallen die politische Landschaft betrachtet, scheint die Vorstellung,
dass Israel zu stark ist, um ignoriert zu werden, sich als wahr erwiesen zu
haben.
Obwohl
es im Libanon ein paar harte Schläge einstecken musste, setzt Israel weiterhin
unvermindert auf den zentralen Platz, den es in der amerikanischen
Neocon-Agenda einnimmt, bei der Konsolidierung des amerikanischen Imperiums;
seine Schlüsselrolle in dem, was das Pentagon den "langen Krieg" der
Sicherung der amerikanischen Vormachtstellung nennt, bleibt, trotz aufkommender
Zweifel, ob Israel "liefern" kann, erhalten. Ob die US-Politik
"israelisiert" wurde oder ob die "strategische Allianz" der
beiden Länder nur auf den gemeinsam wahrgenommenen Interessen und den
Dienstleistungen, die Israel den USA bieten kann, beruht, die Bush-Regierung
hat Israel einen Freiraum von Gelegenheiten eröffnet, den Israel weidlich
ausnützt. Trotz des libanesischen Rückschlags glaubt die israelische Führung
immer noch, sie könne "gewinnen", sie könne die Palästinenser
besiegen, die permanente Kontrolle über die besetzten Gebiete organisieren und genügend
Frieden mit genügend Ländern der arabischen Welt erreichen. Das ist der
Inhalt von Olmerts "Konvergenzplan" (zur Zeit auf Eis gelegt) , und
deshalb hat er bechlossen, ihn noch während Bushs Amtszeit durchzuführen.
Israels Sicherheit liegt also in diesem weiten Bereich, der definiert wird von
Militärmacht, Dienstleistungen an das US-Militär, der unkritischen Unterstützung
durch den amerikanischen Kongress, seiner Militärdiplomatie inklusive
Waffenhandel, Israels zentraler Rolle in der Agenda der Neocons, seiner
Fähigkeit, europäische Schuld am Holocost durch Gespräche in politische
Unterstützung zu verwandeln, seiner Fähigkeit, arabische und muslimische
Regierungen zu manipulieren, und seiner Fähigkeit, palästinensischen Widerstand
zu unterdrücken.
Was
ist also falsch an diesem Bild? Nichts.
– Außer, man will wirklich Frieden, Sicherheit, und das Recht,
"normal zu sein"; außer, solche Überlegungen wie Gerechtigkeit und
Menschenrechte werden in die Bewertung miteinbezogen. Vom Standpunkt der reinen
Nützlichkeit aus betrachtet ist Israel ein gewaltiger Erfolg. Das vielleicht
hoffnungsvollste Zeichen israelischer "Normalisierung" ist sein
Akzeptiert-Sein in weiten Teilen der arabischen und muslimischen Welt, bestens
veranschaulicht durch eben die saudische Initiative, die Israel in toto
ablehnte. Aber es zeigt auch haargenau,
wo das Problem liegt. Das saudi/arabische Angebot hatte das Beenden der
Besatzung zur Bedingung, und dazu war Israel nicht bereit. Wie zu erwarten antwortete Israel auf
das Angebot eher "vor Ort" als durch diplomatische Kanäle. Sharon
führte seinen "Entflechtungsplan" von Gaza explicit um Israels permanenter
unangreifbarer Herrschaft über die Westbank und Ostjerusalem willen durch,
während sein Nachfolger Olmert energisch einen Plan vorantrieb, demzufolge die
Besatzung in einen permanenten Zustand israelischer Kontrolle übergeht. All das
stimmt mit der israelischen Politik seit Ben Gurion überein, die besagt, wenn
Israel seine Zielsetzung auf das Erreichen eines modus vivendi mit der
arabischen und muslimischen Welt beschränkt anstatt einen ausgereiften Frieden
zu suchen, kann es seine Sicherheit wahren, während es die Kontrolle über das
Gebiet westlich des Jordans behält. Sicher werden hin und wieder Ausrutscher
vorkommen wie die in Gaza oder mit der Hisbollah im Libanon. Israel könnte
sogar aufgefordert werden, Amerikas schmutzige Arbeit im Iran zu erledigen, so
wie es seine (wenn auch begrenzte) Rolle im Irak spielte. Solche Vorfälle
können aber leicht eingegrenzt werden (so dachte man jedenfalls vor dem Debakel
im Libanon), mit von Amerika bewerkstelligter Zusamenarbeit von Ägypten und
Jordanien als nötigem Polster.
Diese
israelische Realpolitik beruht auf einer extrem pragmatischen Herangehensweise
an den Konflikt, ähnlich dem, was die Briten "muddling through",
durchwursteln, nennen. Wenn es Israels Ziel wäre, den Konflikt mit den
Palästinensern zu lösen und ernsthaft Frieden und regionale Integration
anzustreben, hätte es sich leicht eine Politik zu eigen machen können, mit der
es, wahrscheinlich schon lange, ein solches Ziel hätte erreichen können. Sein
Ziel heißt aber Konfliktmanagement, den "Status Quo" erhalten,
und nicht : Lösung des Konflikts. Das Durchwursteln eignet sich gut für Israels
Versuch, das Unausgewogene in der Balance zu halten: territorial auf Kosten der
Palästinenser zu expandieren, und trotzdem ein annehmbares Maß von Sicherheit
und "Ruhe im Land" aufrechtzuerhalten. Es ermöglicht Israel, jede
Herausforderung dann zu bewältigen, wenn sie erscheint, und sich nicht auf eine
Strategie oder bestimmte Politik festzulegen, die unerwartete Entwicklungen
nicht berücksichtigen. Gestern haben wir's mit Oslo probiert; heute schlagen
wir Gaza und Libanon, morgen kommt die "Konvergenz".
Es
mag weder vernünftig noch ordentlich aussehen, aber Konfliktmanagement heißt,
mit der Strömung schwimmen, immer obenauf bleiben, wissen, wohin man geht, und
für alle Eventualitäten einen Plan in der Tasche haben, jede sich bietende
Lücke ausnützen und auf jeden Vorfall dann reagieren, wenn er passiert. Nicht
langfristige Strategie, sondern eine Vision, im Laufe der Zeit in oftmals kaum
wahrnehmbaren Schritten in die Tat umgesetzt, möglichst unterhalb des Radars,
um weder Aufmerksamkeit noch Widerstand hervorzurufen, realisiert durch
kurzfristige Initiativen wie den Konvergenzplan, die fortschreitend vollendeten
Tatsachen "vor Ort" schaffen.
Wenn
diese Analyse stimmt, ist Israel eher bereit, sich mit "Ruhe im Land"
zufrieden zu geben, als mit wirklichem Frieden, lieber mit Management des
Konflikts als mit einer Lösung, lieber
mit Gebietszuwachs, der Spannungen und gelegentliche Konflikte in der Region mit
sich bringt, aber Israels wesentliche Sicherheit nicht gefährdet. Die Erklärung
des "Rechts auf Normalität" wird zum Werbefeldzug, in dem der anderen
Seite die Schuld zugewiesen und Israel als Opfer dargestellt wird; es handelt
sich hier nicht um etwas, das die israelische Führung ernsthaft erwartet.
Tatsächlich basiert ihre Politik auf der Annahme, funktionelle Normalität – ein
annehmbares Ausmaß an "Ruhe im Land",
eine einigermaßen florierende Wirtschaft, eine meistens einigermaßen
normale Existenz für eine israelische Öffentlichkeit auf einer Insel – sei den
Zugeständnissen, die für einen ernsthaften, erreichbaren Frieden nötig wären,
vorzuziehen.
Was geschieht mit der lädierten und
erschöpften israelischen Öffentlichkeit?
Die jüdisch-israelische
Öffentlichkeit schluckt all das nur zum Teil. Sie zöge wirklichen Frieden und
Normalisierung einem Gebietszuwachs in
den besetzten Gebieten vor, möchte sich aber definitiv lieber von der
arabischen Welt trennen als regional integriert werden. Wenn Israelis also
lieber Frieden hätten als fortgesetzten Konflikt mit den Palästinensern und den
arabischen Nachbarn, warum wählen sie dann Regierungen, die genau das Gegenteil
tun, die Konfliktmanagement und Gebietszuwachs einem Frieden vorziehen? Die Mystifizierung des Konflikts durch die
israelische Führung spielt dabei eine große Rolle, genau wie in der Diskussion
um den "Kampf der Kulturen" in
anderen westlichen Ländern. Da Israels Strategie, ein gewisses Niveau von
Konfliktduldung als den annehmbaren Preis für territoriale Expansion zu
betrachten, nicht toleriert würde, wenn sie genau so dargestellt würde, haben
die Regierungen von Ben Gurion bis Olmert anstattdessen die Öffentlichkeit
überzeugt, es gäbe ganz einfach keine politische Lösung. Die Araber sind unsere
unnachgiebigen Feinde; wir israelischen Juden, die Opfer, haben immer nur nach
Frieden und normaler Existenz gestrebt, aber vergebens. So ist es eben. Wie
Yitzhak Shamir sich so farbenfroh ausdrückte: "Die Araber bleiben die
selben Araber, die Juden bleiben die selben Juden, und das Meer", (in das
die ersteren die letzteren werfen wollen), "ist immer noch das selbe
Meer." Israel hat die Sichtweise
eines Kampfes der Kulturen Jahre vor Samuel Huntigton für sich entdeckt.
Diese manipulative Darstellung des Konflikts
gestaltet auch den Diskurs in einer Weise, die die Öffentlichkeit davor
bewahrt, "durchzusteigen". Israels offizielles nationales Narrativ
bietet eine zusamenhängende zwingende Rechtfertigung für ein Handeln
unsererseits nach Gutdünken, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden –
tatsächlich macht es jegliche Kritik an uns zum "Antisemitismus".
Diese selbstverständliche Darstellung, die die Parameter aller politischen,
medialen und öffentlichen Diskussion festlegt, geht ungefähr so:
Das
Land Israel gehört ausschließlich dem jüdischen Volk; Araber (der Begriff
"Palästinenser" wird selten benützt) wohnen hier aufgrund von Duldung
und nicht, weil sie ein Recht dszu hätten. Da das Problem der unversöhnliche arabische Hass ist und die
Palästinenser unsere permanenten Feinde sind, gibt es für den Konflikt keine
politische Lösung. Israels Politik wird von Sorge um seine Sicherheit bestimmt.
Die Araber haben alle unsere vielen Friedensangebote zurückgewiesen; wir sind
das Opfer und kämpfen um unsere Existenz. Israel kann deshalb für sein Handeln
nicht nach internationalem Recht und den Menschenrechtskonventionen zur
Verantwortung gezogen werden.
Jede
Lösung muss deshalb Israel die Kontrolle über das gesamte Gebiet lassen. Ein
palästinensischer Staat muss demnach stark eingeschränkt, nicht-lebensfähig und
semi-souverän sein. Der Konflikt bietet somit eine Gewinner-Verlierer –
Situation: Entweder wir "gewinnen" oder "sie". Die Antwort
auf Israels Sicherheitsfragen ist ein militärisch starkes Israel in
Übereinstimmung mit den USA.
Eine der krassesten Weglassungen in
dieser Darstellung ist der Begriff "Besatzung" selbst. Ohne ihn ist
die Debatte reduziert darauf, was "sie" uns antun, mit anderen
Worten, auf scheinbar wie von selbst verständliche Fragen von Sicherheit und
Terrorismus. Es gibt keine "Besetzten Gebiete" (Israel streitet
tatsächlich offiziell ab, es gäbe eine Besatzung), es gibt nur Judäa und
Samaria, das Kernstück unseres historischen Heimatlands, oder eben
seltsamerweise abgesonderte aber mit Sicherheit feindliche "Gebiete".
So ignorieren Israelis also vorsätzlich und mit Hingabe, was in den besetzten
Gebieten geschieht, ob es sich um die Ausweitung der Siedlungen handelt und
andere "vollendete Tatsachen" oder
um Regierungspolitik. Man kann in den israelischen Medien stundenlang
politische Talkshows und Kommentare verfolgen, ohne je von einer Besatzung zu
hören. Teilstücke bekommt man zu sehen: Vielleicht Siedlungen, hin und wieder
die Sperranlage (in Israel "Zaun" genannt); fast nie
Häuser-Zerstörungen oder eine Erwähnung des massiven Systems von Autobahnen nur
für Israelis, die die Westbank unwiederbringlich Israels Kernland einverleiben,
nie das ganze Bild. Obwohl Olmerts Konvergenzplan, der für die Zukunft der
Israelis von grundlegender Wichtigkeit ist, auf dem Annektieren der großen
Siedlungsblöcke basiert, wird der Öffentlichkeit nie eine Karte dieser Blöcke
gezeigt, daher hat sie keine klare Vorstellung davon, was hier eigentlich
vorgeschlagen wird, oder von der Bedeutung dieses Vorschlags für einen
möglichen Frieden. So etwas wird aber ohnehin als irrelevant betrachtet.
Sollten Israelis gelgentlich doch mit den massiven "vollendeten
Tatsachen" konfrontiert sein, beschwören sie den Mechanismus der
Minimierung: Okay, heißt es dann, wir wissen das alles, aber nichts ist
unwiderruflich, der Zaun und die Siedlungen können abgebaut werden, alle
Optionen bleiben offen. Auf diese Art und Weise müssen sie sich nicht mit der
Ungeheuerlichkeit dessen auseinandersetzen, was sie geschaffen haben, ein
System für zwei Völker, das, kann der Status Quo nicht für immer
aufrecht erhalten werden, nur zu einem bi-nationalen Staat oder zur Apartheid
führen kann, die die Palästinenser in ein zerstückeltes Bantustan einsperrt.
Während die offizielle Erzählweise die öffentliche Aufmerksamkeit von den
Ursachen des Konflikts ablenkt, entbindet diese Minimierung die Israelis von
der Verantwortung, ihn zu verewigen oder zu lösen.
Die
Art und Weise der Darstellung wird so zu mehr als nur einer Übung in Öffentlichkeitsarbeit.
Sie wird zum wesentlichen Element der Verteidigung beim Herauslösen des
Kernstücks des Konflikts – der Besatzung, der aktiv fortschreitenden
Siedlungspolitik, die die Behauptungen von "Sicherheit" und Israels
Verantwortung als Besatzungsmacht Lügen strafen – aus dem öffentlichen
Blickfeld und der öffentlichen Diskussion. Die Wahrung dieser Darstellung läuft
also auf die Verteidigung eben des Anspruchs Israels auf das Land hinaus, und
das ist genau die "moraliche Grundlage" des Zionismus, die wir
Israelis fortwährend beschwören. Kein Wunder, dass es unmöglich ist, sogar
liberale "pro-israelische" Individuen und Organisationen in ein
wirklich ernsthaftes Gespräch über die anliegenden Probleme zu verwickeln.
Ein
Ergebnis solcher weitschweifigen Prozesse ist die Entmachtung der israelischen
Öffentlichkeit. Wenn es wirklich keine Lösung gibt, kann man sich nur noch
ducken und so viel Normalität wie möglich rausholen. Für Israelis ist der
gesamte Konflikt mit den Arabern zu einem technischen Problem
zusammengeschrumpft: Wie sichern wir unsere persönliche Sicherheit? Nachdem
Konfliktmanagement ein gewisses Niveau von Gewaltanwendung voraussetzt, hat die
Öffentlichkeit eine Art Vereinbarung mit der Regierung getroffen: Ihr haltet
den Terrorismus in "annehmbaren" Grenzen, und wir fragen nicht, wie
ihr es tut. In gewissem Sinne gewährt die Öffentlichkeit der Regierung hier
erweiterten Kredit. Wir fragen nicht wie ihr unsere perönliche Sicherheit
garantiert. Etabliert einen palästinensischen Staat in den besetzten Gebieten,
wenn ihr meint, das funktioniert; ladet die Araber auf Lastwagen und bringt sie
aus dem Land; baut eine Mauer, so hoch, dass, wie jemand behauptete, selbst die
Vögel nicht mehr drüber fliegen können. Uns, der jüdisch israelischen
Öffentlichkeit, ist es egal, wie ihr es macht. Nur: tut es, wenn ihr
wiedergewählt werden wollt.
Das
erklärt den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Willen der Öffentlichkeit und
der Politik der von ihr gewählten Regierung. Das erklärt, wie Barak 1999
mit dem klaren Auftrag gewählt wurde, den Konflikt zu beenden, und als er das
verfehlte und die Intifada ausbrach, die selbe Öffentlichkeit Anfang 2001 sein
gegensätzliches Spiegelbild, Ariel Sharon, wählte, den Architekten der
israelischen Siedlungspolitik, der Verhandlungen überhaupt vermied. Israelis
sind bereit, Frieden für Sicherheit zu opfern – und sehen dabei nicht den
Widerspruch – denn wahrer "Friede" ist ja unerreichbar. Tatsächlich
hat "Friede" bei den meisten Israelis einen negativen politischen
Beigeschmack. Er bedeutet Zugeständnisse, Schwäche, erhöhte Verletzlichkeit.
Israels besonderes Wahlsystem, in dem der Wähler seine Stimme eher einer Partei
gibt als einem Kandidaten, und dafür sperrige, handlungsunfähige
Koalitionsregierungen bekommt, die nicht in der Lage sind, kohärente Politik zu
formulieren und zu verfolgen, trägt noch zur Entmachtung der Öffentlichkeit
bei, auch zu seinem Unwillen, irgendeine Regierung mit dem Verhandeln eines
endgültigen Abkommens mit den Arabern zu beauftragen.
Da
die "Situation", wie wir in Israel sagen, zu einem technischen
Problem persönlicher Sicherheit ohne politische Lösung reduziert wurde, sind
die Israelis passiv geworden, bis zur Verantwortungslosigkeit. Sie wurden aus
der politischen Gleichung entfernt. Jeder Versuch, den
israelisch-palästinensischen Konflikt (und seine Folgerungen) zu lösen, muss
also von aussen kommen; die israelische Öffentlichkeit wird sich einfach nicht
von selbst in diese Richtung bewegen. Während die Regierung sich einem solchen Einschreiten
sicher widersetzen wird, könnte die israelische Öffentlichkeit dies sogar
willkommen heißen – wenn es von einem Freund (den USA) angekündigt wird,
autoritär entschieden, mit wenig Spielraum zum Feilschen (wie von Reagan beim
Verkauf der AWACs-Überwachungsflugzeuge an Sudi-Arabien Anfang der 1980er Jahre
vorgeführt), und formuliert als Maßnahme
aus Sorge um Israels Sicherheit. Israelische Juden könnt man mit den Weißen
Südafrikas während der letzten Phase der Apartheid vergleichen. Sie hatten sich
an die Apartheid gewöhnt und hätten von sich aus nicht daran gedacht, sie
aufzugeben. Als aber der internationale und der innere Druck unerträglich wurde
und De Klerk schließlich sagte: "Es ist vorbei", gab es keinen
Aufstand, auch nicht unter den Afrikaaners, die das Regime aufgebaut hatten.
Ich bin ernsthaft der Überzeugung, wenn Cowboy Bush eines Morgens aufstünde und
zu Israel sagte: "Wir lieben Euch, wir garantieren Euch Sicherheit, aber
die Besatzung muss enden, Punkt", könnte man den Seufzer der Erleichterung
der Israelis bis nach Washington hören.
So
wie es aussieht, denkt die israelische Führung, wir gewinnen, die Leute hier
sind sich da nicht so sicher; aber sie sind zu desinformiert und
eingeschüchtert von Bedrohungen der Sicherheit (wirklichen und erfundenen), um
tätig zu werden, und die Friedensbewegung ist geschrumpft bis auf ein paar
ausgegrenzte Rufer in der Wüste. Wenn man die Unterstützung betrachtet, die
Israel von den USA im Gegenzug zu den Dienstleistungen an das Imperium erhält,
dazu Europas stillschweigende Beihilfe und die Isolierung der Palästinenser,
bleibt die Frage, ob Israels Strategie des Konflikt-Management nicht in
Wirklichkeit erfolgreich gewesen ist – wenn man Gerechtigkeit, wirklichen
Frieden und Menschenrechte beiseite lässt. Sagen Sie, was Sie wollen, die
Realisten können fast sechzig Jahre vorweisen, in denen Israel zur regionalen,
wenn nicht globalen Supermacht mit festem Griff auf Groß-Israel geworden ist.
Wenn es Olmert gelingt, den Konvergenzplan durchzuführen, ist aus israelischer
Sicht der Konflikt mit den Palästinensern vorbei – und wir haben gewonnen.
Doch
unsere Militärmacht ist so überwältigend, so massiv und permanent haben wir
unsere kontrollierende Präsenz in den besetzten Gebieten installiert, dass wir
uns verhängnisvollerweise übernommen haben. Ben Gurions Formel funktioniert.
Wir haben alles, was wir wollen – das gesamte Land Israel westlich des Jordans
– und die arabischen Regierungen haben um Frieden nachgesucht. Vier Elemente
aber, die Ben Gurion (oder Meir oder Peres, oder Netanyhu, Barak, Sharon,
Olmert und all die anderen) nicht in die Gleichung miteinbezogen haben, sind
aufgetaucht, um das Paradigma der Machtpolitik grundsätzlich herauszufordern:
(1) Demographisches. Israel hat nicht genügend Juden, um seine Kontrolle über
Groß-Israel beizubehalten. (Ob das Kernland Israel "jüdisch" bleiben
kann, ist noch eine andere Frage, mit einer jüdischen Bevölkerug von unter 75%,
wenn man die arabische Bevölkerung miteinbezieht, die nicht-jüdischen Russen und
die Auswanderung.) Der Zionismus hat einen starken Staat geschaffen, konnte
aber die Juden nicht überzeugen, ihn zu besiedeln. Die jüdische Bevölkerung in
Israel macht weniger als ein Drittel der jüdischen Bevölkerung weltweit aus;
nur 1% der amerikanischen Juden kamen auf Aliah (sind nach Israel
eingewandert). Es ist tatsächlich so, wann immer Juden die Wahl hatten – in
Nordafrika, der ehemaligen Sovjetunion, Irak, Iran, Südafrika und Argentinien,
ganz zu schweigen von den europäischen Ländern und Nordamerika – haben sie es
vorgezogen, nicht nach Israel zu kommen. Und es ist die Demographie, die
Olmerts Konvergenzplan vorantreibt. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis
die Palästinenser 'ein Mann,eine Stimme' fordern. – Und was sollen wir dann
tun?" fragte Olmert kläglich auf der Herzliya-Konferenz 2004. Sein Plan
behält die Kontrolle über Israel und die besetzten Gebiete (er nennt es Judäa,
Samaria und Ost-Jerusalem), und macht mit den Palästinensern, die die Hälfte
der Bevölkerung insgesamt ausmachen, das einzig mögliche. – Er sperrt sie in
ein zertückeltes Bantustan auf unfruchtbaren 15-20% des Landes.
(2) Palästinenser. Israels historische Politik, die Palästinenser zu
ignorieren und zu umgehen, kann nicht mehr funktionieren. Ungefähr die Hälfte
der Bevölkerung westlich des Jordans sind Palästinenser, - ein Gebiet, das
Israel in seiner Gesamtheit kontrollieren will, - und sie werden klar in der
Mehrheit sein, wenn eine bedeutendere
Anzahl von Flüchtlingen ins palästinensische Bantustan heimkehrt. Diese
Bevölkerung unter Kontrolle zu halten heißt, Israel muss immer repressiver
vorgehen, sei es, indem es, wie in jüngster Zeit gesetzlich festgelegt,
israelischen Arabern verbietet, ihre Ehepartner und Kinder aus den besetzten
Gebieten nach Israel zu holen, um dort zu leben, oder indem es ein ganzes Vok
hinter 8 Meter hohen Betonmauern einsperrt. Trotz Olmerts Versicherung,
Israelis hätten das Recht auf ein normales Leben, kann Normalität nicht
unilateral erreicht werden. Weder Besatzung noch ein Bantustan, noch irgendeine
andere Form der Unterdrückung kann normalisiert oder zur Routine werden; immer
wird der Unterdrückte Widerstand leisten. So mächtig Israel ist, es ist ihm
nicht gelungen, die Palästinenser in den letzten 40 Jahren, den Jahren der
Besatzung, zu befrieden, oder in den 60 Jahren seit der Naqba, oder in dem
Jahrhundert seit die zionistische Bewegung die alleinige Erbschaft Palästinas
eingefordert hat und systematisch damit begann, die einheimische Bevölkerung zu
enteignen. Die Palästinenser heute besitzen eine Waffe, die Israel nicht
überwinden kann, mit der es sich eines Tages auseinandersetzen muss, und das
ist ihre Position als Torwächter. Bis die Palästinenser der weiteren
arabischen, muslimischen und internationalen Gemeinschaft signalisieren, sie
hätten mit Israel eine zufriedenstellende politische Übereinkunft getroffen,
wird der Konflikt weitergehen und Israel wird weder sein Ende noch Normalität
erreichen.
(3) Die arabischen/muslimischen
Völker. Die Rolle der Palästinenser als
Torwächter spiegelt die wachsende Wichtigkeit der Zivilgesellschaft als
Mitspieler in politischen Dingen wieder. Israels Missachtung der arabischen und
muslimischen "Straße", sein bauen auf den Friedensschluss nur mit
Regierungen allein weist einen groben Fehler in seiner Herangehensweise an den
Konflikt auf: Seine Unterschätzung der Macht des Volkes. Ansichten wie:
"Frieden mit den arabischen Völkern interessiert uns nicht; korrekte
Beziehungen zu ihren Regierungen genügen vollauf" lassen den zerbrechlichen Zustand der
arabischen Regierungen außer Acht, entstanden aus dem Aufstieg des islamischen
Fundamentalismus, der wiederum zu einem beachtlichen Teil (wenn auch nicht
ausschließlich) von der Besatzung angeheizt wurde. Wenn Hisbollah die Kraft
hat, solch eine Instabilität zu schaffen, stelle man sich vor, was passiert,
wenn die Muslim-Bruderschaft in Ägypten die Macht ergreift. Die einseitige
Parteinahme amerikanischer und europäischer Politik zu Israel heizt den
"Kampf der Kulturen" nur an und verschärft ihn, während Israels
Besatzung wirkungsvoll das Hochkommen fortschrittlicher Elemente in der
arabischen und muslimischen Welt verhindert. Die strategische Rolle der
Palästinenser als Torwächter hat eine bedeutsame Wirkung auf die Stabilität des gesamten globalen
Systems. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist nicht mehr nur ein
lokaler.
(4) Internationale Zivilgesellschaft. Wie wir gesehen haben, fühlt sich die israeliche Führung,
wenn sie die internationale politische Landschaft so betrachtet, wie es gewählte
Staatsbeamte tun, äußerst behaglich. Sie glauben daran, dass ihr Land, mit der
unkritischen und unbegrenzten amerikanischen Unterstützung, diesen Konflikt mit
den Palästinensern (und mit Israels anderen Feinden, realen und eingebildeten)
"gewinnt". Wie politische Führer überall auf der Welt, rechnen sie nicht ernsthaft mit "dem
Volk". Das Volk aber – auch bekannt als internationale Zivilgesellschaft –
hat auch schon in einigen Fällen der Bekämpfung von Ungerechtigkeit Erfolge zu
verbuchen. Es hat die amerikanische Regierung gezwungen, die Bürgerrechte
schwarzer Menschen in den USA durchzusetzen, und den Krieg in Vietnam
aufzugeben. Es spielte eine Hauptrolle unter anderem beim Zusammenbruch der
Apartheid in Südafrika, der Sowjetunion und des Shah-Regimes. Da Regierungen
fast nie das Richtige aus eigenem Antrieb tun, war es auch die
Zivilgeselschaft, die durch die neu geschaffenen Vereinten Nationen Regierungen
zwang, die universelle Erklärung der Menschenrechte, die Genfer Koventionen und
eine ganze Reihe von Menchenrechten und internationalem Recht zu akzeptieren.
Mit dem International Court of Justice, dem International Criminal Court und
anderen Instrumenten, mit der sich in Sozial-Foren und anderen Formen von
Aktionsbündnissen organisierenden Zivilgesellschaft, wird es immer weniger
möglich, solche schweren Fälle von Unrecht wie die israelische Besatzung aufrecht zu erhalten. So wie die Besatzung
ein Unrecht von der Größenordnung der
Apartheid wird – ein Konflikt mit globalen Folgen – kann Olmert zwar Bush und
Blair zur Untertützung seines Plans überreden, der Konflikt aber wird nicht
vorüber sein, bis die zwei Torwächter sagen, er ist beendet, nämlich die
Palästinenser und das Volk der Welt.
Der einzige Ausweg: Israel zwingen,
Verantwortung zu übernehmen
Israel hat nur einen Ausweg: Es muss
für seine Aktionen Verantwortung übernehmen. Kein Beschuldigen mehr von Arafat,
Hamas, oder den Arabern überhaupt. Nicht mehr das Opfer mimen. Kein Leugnen der
Besatzung mehr und kein Verweigern der Rechte eines Volkes, das in diesem Land
genauso verwurzelt ist wie die Juden, wenn nicht mehr. Kein Militäreinsatz
mehr, um "unsere" Sicherheit zu garantieren. Keine unilateralen
Aktionen. Stattdessen muss Israel mit den Palästinensern eine echte Zwei-Staaten-Lösung
erarbeiten. Keine Genfer Initiative, bei der die Palästinenser lebens-unfähige
22% des Landes abbekommen; keine Konvergenz/Neuausrichtung der Grenzen/
Apartheid. Einfach ein Ende der Besatzung und ein Rückzug auf die Grenzen vor
1967 (bei dem Israel immer noch 78% des Landes bekommt) – oder, wenn eine
gerechte realisierbare Zwei-Staaten-Lösung
tatsächlich für immer unter massiven israelischen Siedlungsblöcken und
Autobahnen begraben liegt, dann eine andere Lösung. Und eine gerechte Lösung
für die Flüchtlinge. Im Laufe der Zeit könnten die Palästinenser – die größere
Freunde Israels sind als je ein Israeli begriffen hat – sogar ihre guten
Beziehungen nützen, um eventuell mit den Nachbarstaaten eine regionale
Konföderation einzugehen. (Siehe meinen Artikel in Tikkun 20(1)
pp.17-21: "Israel in a Middle East Union: A 'Two-stage' Approach to the
Conflict.").
Es
ist viel verlangt, und es wird nicht in nächster Zeit geschehen. Die
militärische Mobilisierung jüdischer Israelis hat einen bemerkenswert hohen
Konsens erreicht (85% unterstützen die Konstruktion der Mauer, 93%
unterstützten den letzten Krieg im Libanon), was es wirklich voneinander
abweichenden Meinungen unmöglich macht, einander näher zu kommen. Das hat auch
etwas mit dem überwältigenden Gefühl der Selbstgerechtigkeit zu tun, kombiniert
mit der Selbst-Wahrnehmung Israels als
Opfer (und daher ohne Verantwortung für die Geschehnisse, eine Partei,
die nicht verantwortlich gemacht werden kann). Auch Verachtung Arabern
gegenüber erlaubt es Israel, palästinensische (und wieder libanesische)
Zivilbevölkerung straflos und ohne Schuldgefühl oder Unrechtbewusstsein zu
verletzen.
Obwohl
Israel eine kleine lebenswichtige Friedensbewegung hat, obwohl dissidente
Stimmen von Intellektuellen oder in der Presse gehört werden, bedeutet die
Kombination aus Mystifizierung ("Es gibt keinen Partner für den
Frieden"), Verachtung, Erniedrigung und Dehumanisierung der Palästinenser,
Selbstwahrnehmung der Israelis als Opfer, der Vormachtstellung allumfassender
"Sicherheits"-Fragen und einem bezwingenden, in sich geschlossenen
umfassenden Narrativ, dass wenig bis gar kein Spielraum für eine öffentliche
Debatte existiert, die wirklich politische Änderungen herbeiführen könnte. Da
die israelische Öffentlichkeit sich als Mitspieler zurückgezogen hat – außer in
der passiven Unterstützung ihrer politischen Führung, die ein Programm von
territorialer Expansion und Konfliktmanagement verfolgt, – wird ein
ernsthafter, gerechter und dauerhafter Frieden
nicht in diese Region kommen ohne massiven internationalen Druck. Es
bewegt sich etwas in dieser Richtung, da die Besatzung globale Größenordnungen
erreicht und Kirchen, gemeinsam mit anderen Gruppen der Zivilgesellschaft,
Kampagnen vder Ablehnung und wirtschaftlicher Sanktionen erwägen – genau die
Formen von gewaltlosem Widerstand, die von der Welt gefordert werden. Die
jüdische iraelische Öffentlichkeit hat unglücklicherweise ihre Verantwortung
außer Kraft gesetzt. Der Zionismus, der als Bewegung von Juden begann, die ihr Leben in die
eigenen Hände nahmen, um ihr Schicksal selbst zu bestimmen, wurde
ironischerweise zu einem Bündel von Ausreden, um Israelis davon abzuhalten, ihr
Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Die "Abmachung" mit den
politischen Parteien hat die Politik der israelischen Regierung zum Vorwand für
Unterdrückung gemacht, für das "Besiegen" eines anderen Volkes, für
das Einvernehmen mit dem amerikanischen Imperium.
Das
Problem mit Israel ist: Es hat sich, aus all den in diesem Papier angeführten
Gründen, unzugänglich gemacht für normale politische Prozesse. Verhandlungen
funktionieren nicht, weil Israels Politik auf "ungutem Glauben"
basiert. Wenn Israels Agenda tatsächlich die territoriale Expansion ist, die
Kontrolle über das gesamte Land westlich des Jordans und von vorne herein die
Verneinung eines lebensfähigen palästinensischen Staates, dann werden alle
Verhandlungen, die diese Agenda bedrohen könnten, abgesagt, verschoben oder
vermieden. Alle israelischen Funktionäre und ihre Stellvertreter – lokale
religiöse Prominenz, Vertreter organisierter jüdischer Gemeinden im Ausland,
liberale zionistische Friedensorganisationen, Intellektuelle und Journalisten,
die sich selbst als "Zionisten" definieren, "pro-israelische"
öffentliche Personen in allen möglichen Ländern und so weiter – werden hier mit
eingespannt. Ihre wesentliche Rolle – freiwillig oder nicht – ist es
nicht, sich auf Verpflichtungen
einzulassen, sondern von Verpflichtungen abzulenken, einen "Zaun zu bilden"
um das Kernstück der israelischen Agenda, um den Schein zu erwecken, als stünde
in Kürze ein Fortschritt bevor, in Wirklichkeit aber Verhandlungen abzuwenden
sowie die Ausübung von Druck zu vermeiden, die die unilareale israelische
Agenda gefährden könnten.
Es ist eine Gleichung mit Gewinner und
Verlierer (win-lose). Wenn Ben Gurions Prinzip stimmt, dass die Araber Frieden
wollen, sogar nachdem wir alles bekommen haben, was wir wollen, warum dann
Kompromisse eingehen? Es ist wahr, Israel hätte vor Jahren Frieden, Sicherheit
und Normalisierung haben können, aber kein "vereinigtes" Jerusalem,
Judäa oder Samaria. Wenn nun der Preis dafür die fortgesetzte Feindseligkeit
arabischer und muslimischer Massen ist und keine Integraton in die Region, na
gut, damit können wir sicher leben. In der Zwischenzeit können wir uns auf
unser Militär verlassen, das mit jeder Infragestellung unserer Besatzung oder
unserer Vormachtstellung fertig wird.
Diese
Logik brachte uns fast bis zum Ende durch, bis zu Olmerts Konvergenz-Plan, der
tatsächlich die Besatzung "beenden" sollte, um ein permanentes Regime
israelischer Herrschaft zu installieren. Und dann fand sich Israel vor der Wand
wider – Sackgasse: Der Aufstieg der Hamas in eine Machtposition in der
palästinensischen Autonomiebehörde und der traumatische "Nicht-Sieg"
über die Hisbollah. Beide Ereignisse entblößen die verhägnisvoll schwache
Stelle der Nicht-Konflikt-Friedenspolitik.
Die Palästinenser sind tatsächlich die Torwächter und die arabischen
Regierungen, auf die Israel all seine Hoffnung gesetzt hatte, sind in Gefahr,
hinweggeschwemmt zu werden von einer Welle des Fundamentalismus, größtenteils
angeheizt von der Besatzung und von Israels Übereinstimmung mit dem
amerikanischen Imperium. Friede, sogar ein minimal stabiler Nicht-Friede, kann
nicht ohne Verhandlungen mit den Palästinensern erreicht werden, ein für alle
mal. Der Krieg im Libanon ließ Israel in den Abgrund blicken. Der
Oslo-Friedens-Prozess ist vor sechs Jahren gestorben, die Roadmap-Initiative
war eine Totgeburt und in der Folgezeit des Kriegs verkündete Olmert, sein
Konvergenzplan, der einzige Plan, den die Regierung hatte, sei vorerst auf Eis
gelegt. Der Kommentator bei Ha'aretz, Aluf Benn, sprach vielen Israelis
aus der Seele, als er meinte:
Das
Aussetzen des Konvergenzplans wirft zwei Fragen auf: Was geschieht in den
Gebieten und wozu die Fortsetzung von Olmerts Regierung? Olmert hat keine
Antworten. Auf Aufrufe, ihn zu abzusetzen, wird mit der Drohung erwidert,
Netanyahu käme an die Macht. Was aber ist genau der Unterschied? Beide schlagen
jetzt die Beibehaltung des Status Quo in den besetzten Gebieten vor, den
Wiederaufbau im Norden und, sich mit dem Iran herumzuschlagen. Welchen Vorteil
bietet an diesem Punkt der Regierungschef vor dem Oppositionsführer? (Ha'aretz,
25.August 2006)
Ohne die Fähigkeit, seine regionalen
Konflikte zu beenden oder unilateral zu managen, konfrontiert mit den Grenzen
militärischer Macht, mehr und mehr isoliert in einer Welt, für die
Menschenrechte doch eine Rolle spielen, aber belastet mit einem politischen
System, das Regierungen daran hindert, politische Initiative zu ergreifen und
mit einer Öffentlichkeit, die sich nur ducken kann, findet sich Israel nicht in
einem Status Quo wieder, sondern in einer abwärts gerichteten Gewaltspirale,
die absolut nirgendwo hin führt. Schlimmer noch, es findet sich an eine
Supermacht gebunden, die gerade selbst dabei ist, die Vergeblichkeit
unilateralen Agierens bei seinen eigenen Abenteuern im Nahen Osten zu
entdecken, während sie noch Israel ermutigt, mitzumachen. Da wir aber wissen, dass Regierungen nicht
das Richtige tun ohne vom Volk dazu getrieben zu werden, heißt die israelische
Friedensbewegung das aktive Intervenieren der sich entwickelnden
internationalen Zivilgesellschaft willkommen. Am Ende können wir nur hoffen,
dass die israelische Mehrheit sich uns anschließt.
Die Tür zum Frieden ist immer noch weit offen.
Die palästinensische, libanesische, ägyptische und syrische Regieung meinten,
der Krieg eröffne neue Möglichkeiten für den Frieden. Sogar Peretz äußerte sich
in dieser Richtung, wurde aber von Außenministerin Tzipi Livni zurückgepfiffen,
als sie erklärte, die Zeit sei "nicht reif" für Gespräche mit Syrien.
Stattdessen ernannte die Olmert-Regierung den Chef der Luftwaffe zum
"Kampagnen-Koordinator" für einen möglichen Krieg mit dem Iran, und
ernannte dann Avigdor Liebermann, den Extremisten vom rechten Flügel, der
bekannt ist als Befürworter von Angriffen auf den Iran sowie eines Atomschlags
auf Ägyptens Assuan-Damm, zum stellvertretenden Premier und
"Strategieminister".
Israel
will einfach nicht durch diese Tür gehen, Punkt. Es gibt keinerlei Anzeichen
dafür, dass eine der aus dem libanesischen Desaster gezogenen Lehren die Einsicht
in die Vergeblichkeit wäre, der Region eine militärische Lösung aufzuzwingen.
Im Gegenteil, nach dem Krieg hieß der Protest in Israel: Warum ließ die
Regierung die Armee nicht gewinnen? Die Forderungen, Olmert, Peretz und Halutz
abzusetzen, wurden mit ihrem militärischen Versagen begründet, nicht etwa mit
ihrer falschen Militärpolitik. Der feinfühlige Kolumnist von Ha'aretz
Danny Rubinstein schlug eine Untersuchungskommission vor, die herausfinden
solle, warum Israel es in den letzten sechs Jahren nicht geschafft hat, mit
seinen Nachbarn Frieden zu schließen, anstatt einen Untersuchungsausschuss der
Regierung zu fordern, der sich damit beschäftigt, warum Israel den Krieg
verlor.
Die
Frage ist nun, wird die internationale Gemeinschaft, die einzige Kraft, die die
überflüssige Destabilisierung des globalen Systems durch die israelische
Besatzung beenden kann, sich aufraffen und schließlich ein für alle Parteien
annehmbares Abkommen durchsetzen? Bisher
sieht die Antwort wie "nein" aus, größtenteils unter dem Zwang von
Amerikas Ansicht, Israel sei immer noch ein wertvoller Bündnispartner für seinen ins Stocken geratenen "Krieg
gegen den Terror". Nur wenn die internationale Gemeinschaft – wohl eher
unter der Führung Europas als der USA, die sich in dieser Hinsicht als
hoffnungsloser Fall zeigen – beschließt, dass der Preis zu hoch ist und sich zu
einer entschiedeneren Politik gegenüber
der Besatzung durchringt, werden Israels Möglichkeiten zur Manipulation
ein Ende finden. Das aktive Einschreiten
der Zivilgesellschaft ist entscheidend. Wir – Israelis, Palästinenser und
Internationale – können genau sagen, was die große Mehrheit der Israelis und
Palästinenser will: Eine Alternative zu Israels falscher
Selbstbedienungs-Sicherheits-Darstellung, mit zwei Gewinnern (win-win),
basierend auf uneingeschränkten Menschenrechten. Solch eine Kampagne würde dazu
einen messbaren Beitrag zu einem weiteren kritischen Projekt leisten: Eine
gemeinsame Kampagne, in der weltweit sich entwickelnde Kräfte eine wirklich
neue Weltordnung formulieren, basierend auf Einschließlichkeit, Gerechtigkeit,
Frieden und Versöhnung. Wenn Israels Interesse an solch einer neuen Darstellung
schließlich geweckt ist, wenn es eine
Bewegung von globaler Einschließlichkeit und Dialog bewirkt, könnte es, trotz
alledem, doch noch zum "Licht der Völker" werden, das es schon immer
sein wollte.
(Jeff Halper ist Koordinator des
Israelischen Komitees gegen Häuserzerstörungen., erreichbar unter: jeff@icahd.org)
[dt.Weichenhan-Mer G.]