Von Deena
Douara, in
www.dailystaregypt.com:80/article.aspx?articleID-8395
24. Juli 2007
Ort der Befragung:
Der Schatten im Notzelt von Al-Arish ist einer der besten Plätze, die man den Tausenden
Palästinensern bieten kann, die nicht nach Hause kommen können.
Die Tausende
Palästinenser, die in Al-Arish und Rafah festsitzen, sind gebrochen, hungrig, heimatlos, aber
wir hören keinen einzigen um die Basisversorgung jammern..
„Wir wollen einfach nach
Hause“ wiederholen die Palästinenser, die Jungen und Alten, die Armen und weniger Armen.
„Wir brauchen euer Essen
nicht“, schreit eine Frau, „wir wollen nicht essen und trinken, lasst uns nur
nach Hause gehen.“ Und fügt hinzu „Palästinensische Menschen werden nicht hungrig“.
Sie befindet sich in einer der besseren Unterkünfte, einem Notzelt im Freien –
für 70 Personen. Wir fragen nach ihrem Namen. Sie antwortet: „Mein Name ist
Palästina!“
Sie ist seit anderthalb
Monaten im Lager und sagt, sie habe während ihres erzwungenen Aufenthalts in
Ägypten Diabetes entwickelt.
Jeder kann ohne Zögern oder Nachdenken die genaue
Anzahl der Tage nennen, während der sie/er von zu Hause weg ist. Ein Kind sagt
spontan „seit Mittwoch“. Dieser Mittwoch war vor zwei Monaten.
Der neunjährige Majed und seine kleine Schwester sind nach einer Pilgerfahrt nach Mekka mit ihrem
Vater seit 46 Tagen in Ägypten, die Mutter wartet in Gaza. Der Bub ist sichtbar
müde und schweigsam und kann nicht über seine Gefühle und Gedanken in dieser
Situation reden. Andere Kinder sind mitteilsamer, aber alle sagen das gleiche:
Sie wollen zu ihrer Familie und wissen nur, dass sie hier sind, weil die Grenze
zu ist. Dass diese Kinder nicht wissen, wem sie die Schuld geben sollen, liegt
nicht nur an ihrer Jugend, sondern reflektiert auch die Tatsache, dass ihre
Eltern und die ganze in Ägypten in der Falle sitzende palästinensische Gemeinschaft nicht
geschlossen die eine oder andere Partei beschuldigen wollen. Oft interessiert sie das auch nicht, oder sie
verteilen ihre Schuldzuweisungen
gleichmäßig auf Hamas, Mahmoud Abbas, Hosni Mubarak, Israel, und die arabischen Führer.
„Was haben wir denn von
einem von diesen erhalten ?“ fragt die Frau aus dem
Gemeinschaftszentrum. „Wir brauchen einen Führer von außen.“
Die gleichmäßige
Schuldzuweisung kann sich aber verändern, weil viele sich direkt an Mubarak
wenden, er möge die Grenze öffnen. „Ägypten kann (die Leute passieren lassen),
es liegt nicht daran, dass sie nicht können“, sagt ein Palästinenser, der
darauf wartet, von Rafah aus hinüber zu gehen.
Zwischen den auf die
Heimkehr Wartenden gibt es keine sichtbaren Spannungen.
Entgegen den Berichten in
den Medien sind die von The Daily Star, Egypt Befragten nicht auf der Flucht vor der Gewalt in
Gaza, sondern waren im Ausland, um eine
medizinische Behandlung zu erhalten.
Den meisten ist es egal,
wo sie die Grenze überschreiten. Nur hinüber wollen sie, und nur wenige
konzentrieren sich auf diesen Checkpoint.
„Mir ist es egal, wer in
Gaza regiert, ich kümmere mich nicht um Politik“, sagt Moeen
Fayez.
Khudeir: „Wir bitten sowohl Fatah wie auch Hamas, uns nicht als Druckmittel
gegeneinander zu benutzen“. Khudeir steht neben dem
alten „Roter Halbmond Lager“ in Al-Arish, den Arm in
der Schlinge, und er wartet gemeinsam mit Hunderten Palästinensern, dass sein
Name aufgerufen wird, damit er irgendeine Hilfe erhält. Er hat seinen Arm bei
der Arbeit auf einer Baustelle verletzt und ist vor 50 Tagen zur Behandlung
nach Al-Arish gekommen. Er hat am Vortag seine Decke
für eine erbärmliche Summe verkauft, um zu überleben. In Gaza warten seine
zweite Frau und sein erstgeborener Sohn auf ihn, ein Kind, auf das er elf Jahre
lang gewartet hatte und das er nun nicht sehen darf.
„Wir sind weder Fatah
noch Hamas“, sagt eine andere Frau jedem, der ihr zuhört.
Der lokale Ortschef der Nachbarstadt Sheikh Zawyd, Abdel Sattar El-Ghalban, der 150
Palästinensern Obdach gibt, sagt, das kann sich bald ändern: „Es ist sehr
möglich, dass es zwischen den Fraktionen zu Spannungen kommt; Funken fangen an
sich zu entzünden“.
Wenn man die
Palästinenser noch viel länger in ihrer derzeitigen Situation belässt, „werden
sie explodieren“, sagt er.
Nach dem Palästinenser
Ibrahim Awad, auch in Sheikh
Zwayed, kann diese Situation nicht sehr viel länger
dauern: „Wir werden den Übergang stürmen, wenn es sein muss.“
Awad erklärt frustriert und irritiert, er könne auf
sein Haus im palästinensischen Rafah von dieser Seite
der Grenze aus zeigen, wo seine Kinder und Enkel auf ihn warten.
„Heute sind wir ruhig und
wir sagen ‚morgen’ um Ägyptens willen, aber länger können wir nicht warten.
Weder Israel noch jemand sonst wird uns hier festhalten“.
Während viele sich
einfach ärgern, werden manche wegen ihrer Diabetes, Nierenleiden,
Herzproblemen, Krebs und vieler anderer Krankheiten und Verletzungen verhindert sein, in dieser aktiven Revolte Awad zu folgen.
Zwei Männer gehen hier
mit verbundenen Füßen. Dem einen ist in den Fuß geschossen worden, als er für
Fatah in Gaza kämpfte, der andere ist nicht so glücklich. Er ist Diabetiker und
sein Gips deutet auf eine Amputation hin. Die in Sheikh
Zwayed beklagen, dass 28 Palästinenser in diesem
Gebiet gestorben sind; man hat die Toten schon nach Hause überführt.
Andere haben einfach
nicht genug Kraft, um zu revoltieren. Der Rote Halbmond (Rotes Kreuz), das
Ärztesyndikat und eine private Gruppe von Aktivisten verteilen
Mahlzeiten und Esswaren. Es ist aber einfach nicht genug. In Sheikh Zwayed z.B. soll eine
Portion Essen für etwa vier Personen reichen, denn 400 Portionen werden in
diese Gegend geliefert, aber es leben dort derzeit 1500 Personen.
Manche Palästinenser
verlassen sich aufeinander und auf die lokalen Bewohner für Essen und
Unterkunft.
Musa Abou-Ayaad
in Rafah nahm sieben Palästinenser in sein Haus auf,
die er auf der Straße unter Bäumen gefunden hatte. „Es war meine Verantwortung,
meine Pflicht“ sagte er, nicht Barmherzigkeit. Aber nicht jeder gibt den
Obdachlosen um Gottes Liebe Quartier. Ein Mann, der 45 Tage lang wegen einer
dreifachen Beipass-Operation in Ägypten war – seine Kinder wurden dort wegen
Epilepsie behandelt – sagt, er müsse täglich 25 ägypt.
Pfund für die Unterkunft bezahlen. Andere sagen, sie zahlen 70 für das Schlafen
in einem Einfamilien- oder einem Wochenendhaus mit wenigstens weiteren 30
Palästinensern. Geld für Unterkunft, Geld für Medikamente: Der Wutschrei eines
Mannes gellt über die Felder von Rafah, als er seine
Tasche aufreißt: Röntgenaufnahmen, Medikamentenschachteln ... „Jetzt bin ich mittellos. Was soll ich tun ?“
Die etwa 6000 Palästinenser, die an der gesperrten ägyptischen Grenze in Rafah gestrandet sind, hoffen, dass ihre Stimmen bald gehört werden!