Meron Rapoport, Haaretz, 5.9.07
Sharif Omar Khaled hatte
letzte Woche ein wenig Befriedigung. Seine Guavenbäume
tragen zum ersten Mal Früchte. Wegen der
Hitze reiften sie früher als sonst..
Sharif Khaled, der jedem als
Abu Azzam bekannt ist, sieht aus wie jemand aus einem
(jüd.) Moschav aus längst vergangenen Tagen. Er hat zwar keinen Schnauzbart
aber einen kleinen Bauch, einen alten Traktor mit einem Wagen, und er kann endlos über seine Bäume reden: die
Olivenbäume, die Zitrus-, Avokado-,
Aprikosen-, Mandel und Guavenbäume. Sein größter
Stolz ist sein Obstgarten: 14 Dunum brachten letztes
Jahr 47 t Früchte. Ein eindrucksvoller Rekord.
In den letzten zwei Monaten
aber hat Abu Azzam seine 3600 Bäume nur aus der Ferne
gesehen - von der Höhe eines Hügels, wo sein Dorf Yayous
liegt. Als ich dieses pal. Dorf vor etwa vier Jahren
besuchte, glaubte ich, in einem Moshav zu sein –
Traktoren mit Fahrern mit schmutzigen Stiefeln füllten die Straßen.
Dieses Gefühl ist
verschwunden. Die Zahl derjenigen in Yayous, die sich
noch mit Landwirtschaft befassen und davon leben,
ist aus einem einfachen Grund sehr
zurückgegangen: der Trennungszaun. In diesem Gebiet wurde er vor drei Jahren
schon fertig gestellt und er trennt die Bewohner von ihrem Land. Um ihre Felder
und ihr landwirtschaftlich genutztes Land zu erreichen, müssen sie bei der
Zivilverwaltung eine Genehmigung beantragen, und diese wird immer seltener
gegeben. Nur 90 von 4000 Bewohnern von Yayous wird es heute noch erlaubt, zur Arbeit zu ihrem eigenen Land zu gehen. Drei Jahre lang gehörte Azzam zu den Glücklichen, die solch eine
Genehmigung erhielten. Am 23. Juni wurde er davon informiert, dass die
Genehmigung nicht mehr erneuert wird – auf „Grund von Sicherheitsbedenken“.
Abu Azzam
ist nicht der einzige, dem die
Genehmigung nicht mehr erteilt wurde. In
den letzten paar Monaten – so sagen Leute aus Yayous
- sind 29 Bauern die Genehmigungen
gestrichen worden, alle angeblich aus
Sicherheitsgründen. Im Falle Abu Azzams schien diese
Verweigerung bestenfalls überraschend,
schlimmstenfalls übel.
Abu Azzam
geht drei bis viermal im Jahr ins Ausland. Er war in Schweden, Großbritannien,
Indien und Spanien. Nun kann er auch ein wenig auf italienisch
plaudern, nachdem er drei Monate in Pisa studiert hat – aber zu seinen
heimischen Bäumen kann er nicht gelangen.
Das Wort Ko-Existenz
ist aus dem Lexikon des israelisch-palästinensischen Konfliktes verschwunden.
Aber nicht aus dem von Abu Azzam. Er hat noch mit
Israelis Kontakte, die vor vier Jahren an den Protesten gegen den Mauerbau im
Raum Yayous teilnahmen. Und er ist sehr darum bemüht,
diese Kontakte aufrecht zu erhalten. Jedes Jahr kommen Hunderte Israelis, um ihm und andern Bauern der Gegend bei der Ernte auf dem
Land zu helfen, das auf der anderen
Seite des Zaunes liegt. „Sie wollen kein Geld. Sie bringen sogar ihr eigenes
Essen mit“, sagt Abu Azzam mit Bewunderung. „Sie
wollen uns nur einfach helfen.“
Abu Azzam erinnert sich besonders an eine Hilfsaktion
von Israelis: im Dezember 2004 rissen israelische Bulldozer mehrere Hundert
Olivenbäume aus einem privaten Stück Land eines Bewohners von Yayous. Israelis kamen, um Bäume wieder neu anzupflanzen,“
sagte er. Sie liefen mehrere Kilometer zu Fuß, weil die Armee verboten hatte,
dass sie mit ihren Fahrzeugen zu den Feldern gelangten .
Sogar Ältere unter ihnen kamen zu Fuß. Wie alt ist Uri
Avnery? (am 10.9.07 84!!) Auch er
kam zu Fuß. Wir waren zusammen 50
Palästinenser, 200 Israelis und 100 Polizisten und Soldaten. Mehrere Hundert
Bewohner von Yayous
konnten nur von hinter dem Zaun zuschauen. Sie waren zu tiefst bewegt. Es war ein sehr gutes Gefühl, den Israelis
zuzusehen, wie sie mit uns Bäume pflanzten.“
Aber lassen wir uns nicht
beirren. Abu Azzam ist für Israel ein Dorn im Auge, wenn auch nur
ein kleiner Dorn. Er reist viel ins Ausland, und bei seinen Reisen redet er
auch über und gegen den “Apartheidzaun“ . Er war ein
Teilnehmer der palästinensischen Delegation vor dem Internationalen Gerichtshof
in Den Haag als ein betroffener Bauer
der Gegend und er sagte Dinge, die unmissverständlich und schonungslos waren.
Er erschien im Ausland auf internationalen Foren, und manchmal endeten seine
Konfrontationen mit israelischen Vertretern in
unerfreulichem Ton. In diesem Februar z.B. nahm er an einer Diskussion
an der Cambridger Universität teil. „Die
palästinensische Delegation in England kam nicht an und ich war der einzige
Palästinenser auf dem Forum mit etwa 10 Israelis“, sagte er. „Sie fragten mich,
ob Selbstmordattentäter Teil eines Friedensprozesses sein können. Ich war
unhöflich und fragte sie, ob Angriffe von Apache-Hubschrauber
auf Schulen Teil eines Friedensprozesses sein können. Es war ein unangenehmes
Argumentieren.“ Haben diese schonungslosen Bemerkungen dahin geführt, Abu Azzams Genehmigung zu streichen? Es ist möglich.
Ein Sprecher der zivilen
Verwaltung antwortete, Abu Azzam hätte eine Anhörung
vor einem Komitee gehabt, das seinen Antrag zur Erneuerung des Passierscheines neu überlegte. Der Antrag
wurde nach dem Gesichtspunkt „Sicherheit
für den Staat Israel“ betrachtet und abgelehnt. Abu Azzam
berichtete, dass Komiteemitglieder ihn
gefragt hätten, wo er das letzte Mal gewesen wäre, als er im Ausland war. „Ich
sagte, ich war im Mai in Schweden. Dann fragten sie mich, wo ich im Februar
gewesen war. Ich hatte das Gefühl, dass sie über die Konferenz in Cambridge
gesprochen haben.“
Vielleicht gibt es auch noch
einen anderen Grund. Einer von Azzams Freunden warnte
ihn einmal, dass er vielleicht keine
Erlaubnis mehr bekäme, seine Felder zu bearbeiten. „Dein Problem ist, dass du
zu viele Kontakte mit der israelischen Linken hast,“
sagte sein Freund zu ihm.
Auf jeden Fall ist Abu Azzam davon überzeugt, dass die israelischen Behörden die
Kontakte zwischen Israelis und
Palästinensern nicht gerne sehen. Er sieht den Verlust an Kontakten als einen
der Gründe an, dass die Zahl der Israelis an den von ihm organisierten
Aktivitäten nicht gewachsen ist. „Es ist, als ob die Israelis nicht daran
interessiert seien zu wissen, was auf der anderen Seite des Zauns geschieht,“ sagt er. Ist Abu Azzam
tatsächlich eine Bedrohung für die Sicherheit Israels? Alles ist möglich. So
wie es aussieht, erscheint diese Möglichkeit wenigstens seltsam. Er ist 65
Jahre alt und war früher ein Kommunist und von
Hamasansichten sehr weit
entfernt. Er war nur einmal verhaftet worden – vor 20 Jahren, als er sich
weigerte, einen Teil seines Landes zugunsten der nahen Siedlung Tzofin
aufzugeben. Einer seiner Söhne war 9 Monate in Administrativhaft,
doch das war vor mehr als drei Jahren. Ein andrer Sohn erhält immer wieder die
Genehmigung zum Hafen von Haifa zu fahren, um Waren für die Handelsgesellschaft zu holen, die er
in Ramallah vertritt. Selbst dieser Sohn erhält von
der Zivilverwaltung keine Genehmigung, um auf das Land der Familie zu gelangen.
Er darf zwar nach Haifa fahren, aber nicht zu den Guavenbäumen
seines Vaters.
Nach Quellen der
Zivilverwaltung wurden Versuche ihrerseits gemacht, um den Shin
Bet –Sicherheitsdienst davon zu überzeugen, Abu Azzam
eine Genehmigung zu geben. Der aber war hartnäckig mit seiner Weigerung.
Abu Azzam
hat eine einfache Erklärung für diese anhaltende Weigerung: „Sie wollen, dass
wir unser Land vergessen und von hier emigrieren.“
(dt. Ellen Rohlfs)