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Bulldozer zerstören Beduinendorf zum 49. Mal

Jilliab Kestler-D’Amour,

 

18.4.13 

Al-Araqib:  Hakmeh Abu Mdeighem saß letzten Donnerstag ruhig auf einem Zementblock und schaute über ein kleines Tal, wo kurz zuvor israelische Polizeibulldozer eine Hand voll Zelte und Hütten  in einen Haufen  sandige Trümmer verwandelten. Die 49. Zerstörung des Beduinendorfes von Al-Araqib war gerade beendet und Abu Mdeighem, eine Mutter von neun Kindern sprach unerschrocken:

„Man hat das Gefühl, als lebe man nicht mehr in seinem eigenen Lande. Man hat das Gefühl, als ob ein ständiger Krieg zwischen ihm und Israel tobe. Dies ist ein Krieg, den Israel jeden Monat mit uns führt. Was können wir tun, wenn der Staat kommt und uns innerhalb unseres eigenen Hauses, auf unserm eigenen Grund und Boden bekämpft und über den Köpfen unserer Söhne zerstört?“

Abu Mdeighem, ihr Mann und ihre Kinder leben innerhalb des Jahrhunderte alten islamischen Friedhofes. Der Begräbnisplatz ist der einzige Platz in Al-Araqib, der niemals zerstört wurde. Dieser Ort wird nun von ein paar Familien als ihr Heimatort betrachtet.

„Sie drohten schon vorher damit, den Friedhof zu zerstören,“ sagte Abu-Mdeighem, „Es ist wirklich traurig …was sie da tun. Sehr traurig.

 

„Nicht anerkannte“ Dörfer

Ursprünglich das Zuhause von 300 Leuten- alle israelische Bürger – liegt Al-Araqib direkt nördlich von Beer Scheva in Israels Negev-Wüste. Das Dorf ist eines von Dutzenden, das nie vom Staat anerkannt wurde und auf keiner offiziellen Karte eingezeichnet ist. Seinen Bewohnern wird der Zugang zu Wasser, Strom, geteerten Straßen, Krankenhäusern, Schulen und andere Dienste verweigert.

Hunderte von israelischen Polizeioffizieren und Soldaten zerstörten 2010 erst Dutzende von Wohnzelten und Tierställen und rissen Tausende Olivenbäume  in Al-Araqib aus.

Anstelle von Al-Araqib will die israelische Regierung einen  Wald unter der Direktion des JNF (Jüd. Nationalfond) und der Israelischen Landbehörde  (ILA)anpflanzen, zwei Körperschaften, die die Verwaltung öffentlichen Landes in Israel haben und die  etwa 93 % des Staatslandes unter sich haben.

Israel kann keine gefühllosen Gesetzesbrecher tolerieren, deren Benehmen schädlich für  gesetzestreue (jüd.) Gemeinden ist. Es ist die Pflicht des Staates illegale Siedler zu vertreiben und das Land wieder für die Bürger herzustellen, die das Land gepachtet haben,“ schreibt ILA auf seiner Website  .

Nach ILA hat der Staat 170 Gegenansprüche gegen den Beduinenlandbesitz im Negev erhoben „Und in jedem Fall, bei dem eine  offizielle Entscheidung vom Gericht getroffen wurde, hat es befohlen, das Land als Staatsland zu registrieren.“ Trotz weitergehender juristischer Schlachten über Landbesitz in Al-Araqib wird eine Reihe  junger Bäume nach der anderen auf dem Dorfland angebaut und noch mehr wird erwartet.

 

Das Pflanzen über zerstörten Dörfern

Geschätzte 200 000 Beduinenbürger Israels leben in der Negevwüste.  Über die Hälfte der Beduinen-Bevölkerung lebt in Townships, die von der Regierung geplant wurden. Sie leiden unter großer Arbeitslosigkeit und großem Mangel an Dienstleistungen und werden unter den niedrigsten sozialwirtschaftlichen Indikatoren des Landes registriert. Die andere Hälfte lebt in den 35 nicht anerkannten Dörfern und  fürchtet – wie Al-Araqib – die ständige Bedrohung durch Zerstörung und Vertreibung.

Außerdem ist Al-Araqib nicht das einzige Dorf, das von israelischer Aufforstung bedroht ist. Am 1. März haben zwei Gruppen gegen die Zustimmung von Israels Plan, den Yatir-Wald über dem Beduinendorf Atir-Umm Al-Hieran  (1000 Bewohner) zu bauen,  eine Petition eingereicht.

„Der Plan bereitet für den Staat den Weg, um die Bewohner von ihrem Land zu vertreiben, wo die Dorfbewohner geboren und groß wurden, ein Ort, wo ihre Familien lebten und ihr soziales Leben entwickelten,“ stellt Adalah, das Rechtszentrum für arabische Minderheitenrechte in Israel fest.

Als Wohltätigkeitsorganisation wurde der JNF 1901 gegründet. Er ist verantwortlich für die Wälder und nationalen Parks in Israel. Der JNF  besitzt zur Zeit fast 13% des Landes in Israel, das entsprechend seinem Mandat, ausschließlich für Juden bestimmt ist. Es hat auch bedeutenden Einfluss auf die ILA, die ihrerseits über 80% des Landes besitzt.

Nach dem israelischen Historiker Ilan Pappe hat der JNF Nationalparks  seit 1948 über zerstörten palästinensischen Dörfern aufgebaut – vor allem mit europäischen  Nadelbäumen, anstelle von einheimischen Bäumen.

„Wo immer Mandel- und Feigenbäume, Olivenhaine oder Kakteen gefunden werden, stand einst ein palästinensisches Dorf: sie blühen noch jedes Jahr und sie sind das Letzte, das  geblieben ist. Nahe den jetzt unkultivierten Terrassen und unter Schaukeln und Picknick-Tischen und europäischen Nadelwäldern liegen die Häuser und Felder der Palästinenser, die israelische Truppen 1948 vertrieben haben“, schrieb Pappe in seinem Buch „Die ethnische Säuberung Palästinas“.

Der Byria-Wald z.B., der 2000ha in der Safadregion umfasst, wurde über dem Land von 6 palästinensischen Dörfern – Dishon, Alma, Qaddita, Amqa, Aynal-Zaytunor und Biriyya – gebaut, während im Zentrum vom Ramat Menashe-Park, südlich von Byria die Reste des zerstörten Daliyat Al-Rawha liegen.

1967 entschied der JNF eine Million Bäume an den westlichen Hängen von Jerusalem anzupflanzen. Als „Jerusalem-Wald“ bekannt, wurden die Bäume über einigen entvölkerten palästinensischen Dörfern gepflanzt: über Ayn Karim, Beit Mazmil, Zuba, Sataf, Jura, BeitUmm Al-Mais und Deir Yassin, wo  zionistische Miliz mehr als 100 palästinensische Zivilisten im April 1948 umbrachten .

 

Mehr als 30 000 Beduinen bedroht

In der Negev ist die Zerstörung von Al-Araqib ein Teil eines größeren israelischen Regierungsplans, um die beduinischen Bewohner der nicht anerkannten Dörfer in beduinische Townships umzusiedeln. Nach dem Prawer-Plan sei es nötig, wenigstens 30 000Menschen mit Gewalt umzusiedeln.

Die israelischen Führer rechtfertigen den Plan, um die Beduinengemeinschaft zu „modernisieren“ und sie besser mit Dienstleistungen und Ressourcen zu versorgen.

„Das Ziel dieser historischen Entscheidung ist das weit verbreitete illegale Bauen der Negev-Beduinen zu beenden und die Beduinen besser in die israelische Gesellschaft zu integrieren“,  sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, (Was für eine Lüge!!ER) , als er den Prawer-Plan endgültig im Januar 2013 festlegte. Der Plan soll in diesem Jahr noch dem Parlament vorgelegt werden.

„Diese tapfere Entscheidung wird fortgesetzte Entwicklung und Wohlstand der Negev zu Gunsten all seiner Bewohner erleichtern“ (auch Lüge!!ER) , sagte Netanjahu.

Das UN-Komitee gegen rassische Diskriminierung drängte Israel im März 2012, den Prawerplan aufzugeben – er sei rassistisch. Lokale Menschenrechtsgruppen haben auch die Regierung verurteilt, die gegenüber den Beduinen eine Politik der Diskriminierung verfolge.

„Zerstörungen von (pal.) Haus und Wohnstrukturen finden wöchentlich und immer öfter statt und werden immer brutaler.  Natürlich  wird Israel einmal ein Gesetz haben, eine rechtliche Basis für weitere Verbesserungen dieser Politik“, sagte Rawia Abu Rabia, ein Anwalt der Vereinigung für zivile Rechte in Israel (ACRI).

„ Falls die Regierung eine gerechte und durchführbare Lösung haben will, dann sollte es als erstes die 35 Dörfer anerkennen und einen Mechanismus aufstellen, der die Behauptung des Beduinen- Landbesitzes untersucht. Dies ist der einzige Weg. Sonst gibt es einen Zusammenstoß mit der Beduinengemeinschaft,“ sagte Rabia zu Al-Jazeera.

Hakmeh Abu Mdeighem in Araqib  stimmte zu, dass die Zerstörung ihres Dorfes sich im ganzen Negev wiederholt hat. „All dies ist nicht neu“, sagte sie. „Eine Zerstörung nach der anderen, Demütigung der Menschen, Umsiedlung von Leuten. Sie tun das nicht nur in Al-Araqib. Sie wollen alle Beduinen aus Israel verjagen.

(dt. Ellen Rohlfs)