Shulamit Aloni ( frühere Kultusministerin, Meretz-Partei) 4.6.09
Es
ist noch nicht lange her – während des rassistischen Geschimpfes
von Rabbi Meir Kahane – dass mir der
(vor kurzen) verstorbene Schriftsteller und Journalist Amos Elon
die Kopie eines Briefes von Lord Rothshild gab, den
er im August 1902 an Herzl gesandt hatte. In diesem Brief erklärt er, warum er
sich weigert, die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel zu
unterstützen. Er schreibt, er „würde mit Schrecken der Errichtung einer
jüdischen Kolonie … entgegensehen , …. es würde ein
Ghetto mit Vorurteil eines Ghettos sein, es würde ein kleiner niedlicher
jüdischer Staat sein, orthodox und untolerant, der Nichtjuden
und Christen ausschließt.“
Trotz
der Phänomene wie Kahane herrschte Jahre
lang die Hoffnung, dass sich Rothschilds
harsche Vision als falsch erweisen
würde; dass Israel tatsächlich allen seinen Bewohnern vollkommene Gleichheit
der sozialen und politischen Rechte zusichern würde, auch hinsichtlich der
Religion, Rasse und des Geschlechtes und „Freiheit der Religion, des Gewissens,
der Sprache, der Erziehung und Kultur
garantieren würde, so wie es in der Gründungserklärung des Staates festgelegt ist.
Viel
Zeit ist vergangen und viele Erben Kahanes sind nachgekommen – nicht nur unter
einer habgierigen und brutalen Menge, sondern auch unter den „ … gewählten
Vertretern“ der Knesset und Regierung.
Die letztere ist eifrig dabei, offensichtlich rassistische Gesetze
vorzubereiten und bewaffnete Polizei zu schicken, damit sie von Palästinensern initiierte internationale
kulturelle Ereignisse* vereitelt, weil das Regime glaubt, dass die Araber
Israels, also die einheimischen Palästinenser, es nicht wert seien, Menschen
genannt zu werden. Gemäß der Schreiber dieser Gesetze dürfen die Araber die Menschenrechte sicher nicht beanspruchen,
und schon gar kein kulturelles und intellektuelles Leben haben und natürlich
auch keinen Besitz, kein Haus und Land, weil vor Tausenden von Jahren Gott
dieses Land dem Abraham und seinen
Nachkommen versprochen hat.
Das
ist bedauerlich und skandalös. Was Lord Rothschild vorausgesagt hat, das hat
sich in unserer Zeit erfüllt. In unsern schlimmsten Träumen und in den
härtesten Zeiten, als wir um die Errichtung des Staates kämpften, hätten wir
uns nicht vorstellen können, dass jene, die sich Zeev Jabotinskys Anhänge nannten, solchen Terror und Furcht hier
verbreiten, indem sie so wahnsinnige
rassistische Gesetzgebung anwenden. Niemals stellten wir uns vor, dass sie sich
die Zerstörung des Rechtssystems vornehmen, um jede Möglichkeit zu
verhindern, dass soziale Gerechtigkeit
und humane Einstellung zu erreichen.
Dies ist in einer demokratischen Gesellschaft
etwas Wesentliches gegenüber jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind, egal
welcher Herkunft, Rasse, Religion oder welches Geschlechts er oder sie ist.
Seit
42 Jahren haben wir Land gestohlen, besetzt, das uns nicht gehört und Menschen
unterdrückt. Um in unserm Land frei zu sein,
müssen wir wie raubende Kossacken werden,
Bäumen zerstören, Feldern verbrennen,
Frauen, alte und sehr junge
Leute schikanieren. „Wir haben dieses Land, wir haben es….“ lautet ein Lied,
womit gemeint ist: „wir haben die Macht, wir haben sie, wir haben das Geld, wir
haben es und uns ist alles erlaubt: eine ganze Bevölkerung auszuhungern, sie
gefangen zu halten, sie zu vernichten mit Luftschlägen, mit Streubomben und
Weißem Phosphor. Weil wir die Herren des Landes sind und Gott uns auserwählt
hat, es zu beherrschen. Was für eine Schande.
„Ein
einzigartiges Volk,“ schrieb David Ben Gurion. Leider.
Statt uns einen jüdischen demokratischen
Staat zu geben, liefern sie uns einen jüdischen Staat, der von religiösem
Fanatismus kontrolliert wird, einer der die Reinheit der Rasse erhalten will. Sie haben uns eine Demokratie
im primitivsten Sinne vermacht – nicht die Bewahrung demokratischer Werte,
sondern die Herrschaft des Volkes, der Bevölkerung, die dabei ist, Israel in eine totalitäre Ethnokratie zu
verwandeln.
Ein
Hurra für Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Außenminister Avigdor Lieberman -
sie zerstören alles, was wir aufbauten , wovon
wir träumten und wofür wir kämpften.
(*
eine internationale und palästinensische Literaturwoche in Ost-Jerusalem, die
von der isr. Polizei gestört wurde. ER)
(dt.
und geringfügig gekürzt Ellen Rohlfs)