Israel
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Die Geschichte beginnt nicht mit den
Qassams
Amira Hass, Haaretz,
14.1.09
Die
Geschichte beginnt nicht mit den Qassamraketen. Aber
für uns, die Israelis beginnt die Geschichte immer dann, wenn die Palästinenser
uns verletzen und dann ist der Schmerz völlig aus dem Zusammenhang gerissen.
Wir denken, wenn wir den Palästinensern viel größeren Schmerz verursachen, dann
werden sie eine Lektion lernen. Manche nennen dies einen „Erfolg“.
Trotz allem
bleibt die „Lektion“ für die meisten Israelis abstrakt. Die israelischen Medien
geben Informationen auf sehr niedrigem
Niveau, Diät für ihre Konsumenten mit
Wahrheit auf niedrigem Niveau …Sie sind bescheiden und rühmen sich nicht
unserer Leistungen: die getöteten Kinder und die Leichen, die unter den Ruinen
verwesen, die Verwundeten, die zu Tode verbluten, weil unsere Soldaten auf die
Sanitäter schießen, die kleinen Mädchen, deren Beine wegen schrecklicher Wunden von neuer Munition
amputiert werden mussten, von erschütterten Vätern, die bittere Tränen weinen,
die Wohnviertel, die vernichtet wurden, die schrecklichen von weißem Phosphor verursachten Brände, und der
Mini-Transfer – Zehntausende Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben und
sind noch immer vertrieben und nun zusammengedrängt in anderen Wohnvierteln,
die immer kleiner werden und die ständig bombardiert und beschossen werden.
Seit die
palästinensische Behörde errichtet wurde, hat die PR-Maschinerie die Gefahr der
militärischen Bedrohung übertrieben, die die Palästinenser für uns darstellen.
Als sie von Steinen zu Gewehren wechselten und von Molotow-Cocktails zu den
Bomben auf Beinen, vom Sprengstoff am
Straßenrand zu den Qassams und von den Qassams zu den Grads und von der PLO zur Hamas sagten wir
mit einem Siegesschrei „Sagten wir es nicht; sie sind Antisemiten.“ Und deshalb
haben wir das Recht , auf einen Rachefeldzug zugehen.
Was
ermöglicht Israel solch einen militärischen Rachefeldzug – ich konnte das
richtige Wort dafür nicht in meinem Wörterbuch finden ( ich
auch nicht ER)- es war die immer
strengere Isolierung des Gazastreifens. Die Isolierung machte die Bewohner des
Gazastreifens zu immer abstrakteren Objekten, ohne Namen und Adressen, außer
den Adressen der bewaffneten Männern – und ohne Geschichte außer den Daten die
vom Shin Bet-Sicherheitsdienst bestimmt wurden.
Die
Belagerung von Gaza begann nicht erst, als die Hamas die Kontrolle über die
Sicherheitsorgane übernahm oder als Gilad Shalit gefangen genommen wurde oder als die Hamas in
demokratischen Wahlen gewählt wurden. Die Belagerung begann 1991 – vor den
Selbstmordattentaten. Und seitdem ist es nur immer raffinierter geworden und
erreichte 2005 ihren Höhepunkt.
Die israelische
PR-Maschinerie stellte den Abzug der Siedler glücklich als das Ende der
Besatzung dar - mit unverschämter
Missachtung der Tatsachen. Die Isolierung und die Absperrung wurden als
militärische Notwendigkeiten dargestellt. Aber wir sind ja große Jungen und
Mädchen und wir wissen, dass „militärische Notwendigkeiten“ und ständige Lügen
dem Staat dienen. Es war Israels Ziel, die Zwei-Staaten-Lösung zu verhindern.
Die Welt aber hatte dies erhofft,
nachdem 1990 der Kalte Krieg beendet war. Das wäre keine perfekte Lösung
gewesen – aber die Palästinenser wären dafür bereit gewesen.
Gaza ist
keine Militärmacht, die seinen winzigen, so friedensliebenden Nachbar angreift.
Gaza ist ein Gebiet, das Israel 1967 mit
der Westbank besetzt hat. Seine Bewohner sind ein Teil des palästinensischen
Volkes, das 1948 sein Land, seine Heimat
verloren hat.
1993 hätte
Israel eine einmalige goldene
Gelegenheit gehabt, um der Welt zu beweisen, dass das, was die Leute über uns
sagen, nicht wahr ist: dass Israel nicht dem Wesen nach ein kolonialistischer
Staat ist. Dass die Vertreibung eines Volkes von seinem Land, die Vertreibung
der Menschen aus ihren Häusern und der Raub von palästinensischem Land, um dort
Juden anzusiedeln, nicht die Basis und Essenz unserer Existenz sind.
In den
90ern hatte Israel eine Chance zu beweisen, dass 1948 nicht sein Paradigma ist.
Aber es versäumte diese Gelegenheit. Stattdessen vervollkommnete es seine
Techniken des Landraubs und der Vertreibung der Menschen aus ihren Häusern und
zwang die Palästinenser in isolierte Enklaven. Und jetzt, während dieser
dunklen Tage beweist Israel, dass 1948 nicht zu Ende
war. (Was Ilan Pappe auch schon lange
sagt ER)
(dt. Ellen
Rohlfs)