Israel Palästina Nahost Konflikt
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Verwendet(e) Israel illegale Waffen
bei seiner Gaza-Offensive?
Amira
Hass, Haaretz, 16.1.09
Die Erde
bebte unter unsern Füßen, Wolken von erstickendem Rauch, Explosionen wie bei
einem Feuerwerk, Bomben, die in alles
verbrennende Flammen zerbarsten und nicht mit Wasser zu löschen sind, Wolken
wie Pilze aus rosa Rauch, Gas, das einem die Luft wegnimmt, scheußliche
Verbrennungen auf der Haut, ungewöhnlich verstümmelte lebende und tote Körper.
All dies
wird von Bomben verursacht, die Israel über den Einwohnern des Gazastreifens
abwirft - nach Berichten und Zeugenaussagen von dort. Seit dem ersten Tag der
israelischen Luftangriffe gaben die
Leute dort genau dieselben Beschreibungen über Nebenwirkungen der Bombardements
und behaupteten, Israel benütze Waffen und Munition, die sie in den
vergangenen 8 Jahren nicht gesehen
haben.
Außerdem
berichteten die Ärzte in den
Krankenhäusern des Gazastreifens von
Arten schwerer Verletzungen. Dies
erklärt die unglaubliche Angst der Bewohner, die sie bei jedem Angriff durchmachen.
Genau aus
diesem Grund ist Marc Garlasco, ein ranghoher Militäranalytiker von Human Rights Watch (HRW) nach Israel gekommen. Sein Auftrag war
es, nachzuprüfen, ob die Waffen, die auf beiden Seiten angewandt wurden, legal
oder illegal sind.
Dem aus
Amerika stammenden Garlasco war es nicht erlaubt
worden, den Gazastreifen zu betreten – wie es bei allen Leuten aus anderen
Menschenrechtsorganisationen und ausländischen Journalisten der Fall war.
Deshalb - so sagte er – sei er noch
nicht in der Lage, die wirklichen Überreste der Granaten u.ä.
zu untersuchen und mit eigenen Augen
Trümmer zu begutachten. So könne er nur raten und in einigen Fällen
Vermutungen anstellen. Aber selbst von
weitem gesehen, hege er keinen Zweifel, dass Israel weiße Phosphorbomben benützt
habe. Das war ihm gleich klar, als er letzte Woche auf dem Hügel stand und über dem Gazastreifen ein paar Stunden
lang das Bombardieren der IDF
beobachtete.
Am
letzten Samstag beeilte sich HRW, einen Aufruf gegenüber Israel zu
veröffentlichen: um die illegale Anwendung des weißen Phosphor im Gazastreifen
zu stoppen. Die Anwendung von weißem Phosphor ist auf dem (unbewohnten)
Schlachtfeld erlaubt, erklärt Garlasco; aber die
Nebenwirkungen auf Menschen und die Umwelt sind schwer und sehr gefährlich. Das
Statement stellt fest, dass das Schadenspotential für Zivilisten wegen Gazas hoher
Bevölkerungsdichte - die höchste in der Welt -
sehr groß sei.
Die
feuerwerkähnlichen Explosionen, der dicke Rauch, das die Luft nehmende Gas und
die Flammen, die nicht mit Wasser zu löschen sind, das eher verstärkend wirkt –
all dies ist charakteristisch für weiße Phosphorbomben, die die IDF anwendet. Garlasco ist davon überzeugt, dass die Entscheidung für
solch massiven Einsatz dieser Bomben – die
von America’s General Dynamics Corporation
hergestellt wurden - aus den Schlüssen stammen, die nach dem Libanonkrieg
gezogen wurden, bei dem die IDF so viele Panzer verloren hat.
„Die
Phosphorbomben verursachen eine dichte Rauchwand, und falls die Hamas
Panzerabwehrraketen hätte, dann würde diese Rauchwand die Anwendung gegen
Panzer verhindern,“ erklärte er . Es gibt zwei Arten,
die Bomben anzuwenden: die erste, sie auf dem Boden aufprallen zu lassen, wobei
eine dichte Rauchwand ein begrenztes Gebiet abdeckt; die zweite Art ist, sie
als Bombe aus der Luft explodieren zu lassen, was 116 Phosphor-Wafers ausschüttet . In dem
Augenblick, in dem die Bombe explodiert
und der Phosphor mit Sauerstoff in Berührung kommt – entzündet er sich. So
kommt es zum „Feuerwerk“ und zu Schwaden von quallenartigem
Rauch. Der Niederschlag bedeckt ein weites Gebiet und die Feuergefahr und die
Verletzungsgefahr für Zivilisten ist enorm. Phosphor verbrennt Glas und
entzündet Papier, Bäume, Holz sofort –
eben alles was trocken ist. Die brennenden Wafers verursachen schreckliche
Verletzungen bei jedem, der damit in Kontakt kommt. Seltsamerweise ist
Tränengas in der Chemischen Waffen-Konvention mit eingeschlossen und ist so
allen Arten von Einschränkungen unterworfen, aber Phosphor nicht.
Unterdessen
liegen in den Krankenhäusern des Gazastreifens Menschen in den Betten – unter
ihnen viele Kinder, deren schwere Verletzungen und Verbrennungen die Mediziner
entsetzt haben.
Noch eine
neue Waffe tat der Bevölkerung des Gazastreifens Gewalt an: die GPS-gelenkte
Mörsergranate – ein System, das mit
Satellitennavigation ausgerüstet ist und in Israel zwischen 2006 und 2007
entwickelt wurde, im Anschluss an den 2. Libanonkrieg. Nach lokalen
Militärquellen sei es diese Art von Mörsergranate
gewesen, die ihr Ziel um 30 m verfehlt hat und irrtümlicherweise eine UN-Schule
getroffen hat; nach einem UN-Bericht, seien 30 Menschen sofort getötet worden
und andere starben später an ihren Verletzungen.
„Es macht
mich wirklich sprachlos,“ sagte Garlasco.
Nach der Fachliteratur kann es nur einen 3m-Irrtum geben und keine 30.“ Es ist
eine Granate, die in einem Bogen auf ein nicht zu sehendes Ziel abgeschossen
wird, erklärt er, mit der Absicht, genau zu sein und zivile Todesfälle so gering wie möglich zu halten.
Garlasco sagt, es sei das erste Mal gewesen,
dass diese Waffe bei einem militärischen Konflikt angewendet wurde: „Die
Palästinenser sagen: oh sie verwenden es gegen uns und experimentieren damit
für die Amerikaner. Experimentieren hat bei den Amerikanern noch eine andere
Bedeutung. Wir denken an Tierversuche – aber es ist ein Test vor Ort..“
Die neue
Granate wurde gemeinsam von der israelischen Rüstungsindustrie und einer
privaten amerikanischen Gesellschaft, Alliant,
entwickelt. Garlasco sagt: „Israel habe eine
Menge aus den Kriegen der Amerikaner in
Afghanistan und dem Irak gelernt, aber besonders aus seinem eigenen Krieg im
Libanon 2006. Die Granate, die nicht auf
der Schule landen sollte, war mit den Kenntnissen entwickelt worden, dass Soldaten
gegen einen Feind kämpfen, der in einem dicht bevölkerten Gebiet kämpft – und
hier wurde sie zum ersten Mal angewandt.“
Eine andere
wichtige Lektion lernte Israel beim Libanonkrieg, dass es sich nicht ganz auf
die USA verlassen kann, die es mit Waffen versorgen. Während des Krieges gingen
der IDF die Splitterbomben aus. Israel bat also dringend um eine Schiffsladung
von 1200 solcher Bomben ( jede enthält 644 „Bömbchen“) .
Die USA weigerten sich, und bei dieser
Gelegenheit wurde Israel klar, dass es sich nicht auf amerikanische Hilfe verlassen kann, sagte
Garlasco.
Deshalb hat
Israel z.B. einen neuen Typ von Gewehr entwickelt, das (Tavor)
Tar-21 („eine unglaubliche Waffe,“ sagte Garlasco, und kann nicht anders, als ein Kompliment machen)
. sie wird jetzt anstelle der in den USA fabrizierten M-16 benützt. Es hat auch
die ferngesteuerte Rakete Delilah
erfunden, aber Garlasco weiß nicht, ob sie im
Gazastreifen benützt wurde. Aber keine Sorge – fügt er hinzu – trotz der
Streubomben und der unabhängigen israelischen Entwicklung bestehen zwischen
Israel und den USA enge Verbindungen. Im Großen und Ganzen stammen die von Israel angewandten Waffen aus den
USA.
„Nicht alle
Waffen sind neu und originell. Die meisten sind tatsächlich amerikanische
Produkte, die während des kalten Krieges entwickelt wurden. Die Artillerie und
Brandbomben in Israels Besitz waren dafür bestimmt, russische Panzer zu
zerstören und nicht palästinensische Häuser,“ bemerkt
er. Die Waffen, die jetzt produziert werden, sind mit dem Wissen entwickelt
worden, dass das Ziel Militante sind, die mitten aus einer zivilen Bevölkerung
operieren. Doch das meiste Töten und Zerstören in Gaza ist die Folge von
altmodischen, billigeren und weniger raffinierten Waffen.
Erst im
letzten September gingen die USA auf Israels Wunsch ein und lieferten 1000
Bomben eines neuen Typs die GBU-39. Sie kamen Anfang Dezember an und die
Bewohner von Rafah waren Zeugen ihrer Anwendung vom ersten
Tag der Luftangriffe auf die Tunnel – ohne zu wissen, was sie waren. (Die Jerusalem Post identifizierte sie als erste als GBU-39) Die Gazaer
waren überrascht, als sie zunächst keine Explosion hörten, nachdem die
israelische Luftwaffe abfeuerte: stattdessen erbebte die Erde unter ihren
Füßen.
Der
Hersteller der GBU-39 ist die Boeing-Corporation. Die kleinen,
leichtgewichtigen und ferngelenkten Bomben haben den Vorteil, dass jedes
Kampfflugzeug eine große Anzahl mit sich führen kann und so die Anzahl der
Angriffe bei jedem Flug vermehren können. Garlasco
sagt, dass diese Bomben sehr genau sind
und tief in die Erde dringen. Es ist auch beabsichtigt, den Kollateralschaden
so gering wie möglich zu halten, weil sie nicht über einem großen Gebiet
explodieren wie andere Bomben. Aber andere Arten von Bomben sind auch benützt
worden und zerstörten Häuser entlang der Grenze mit Ägypten.
Die Gazaer bemerkten, dass es auch Bomben gab, die pilzförmige
Wolken produzierten und zwar in verschiedenen Rottönen. „Hier kann ich nur
spekulieren“, gibt Garlasco zu, „ es sieht so aus,
als würde Israel eine neue Waffe anwenden, die sie bisher nicht angewendet hat:
DIME – der dichte Metallsprengstoff, der aus 25% TNT und 75% Wolfram, einem
Schwermetall besteht. Man mischt die beiden wie Pfeffer so feinkörnig – und
wenn die Bombe den Boden berührt wird sie zu Gas. In weniger als einer Sekunde
verteilt sich der Nebel und explodiert.“
Der Vorteil
von DIME ist, dass es in einem kleinen Gebiet wirkt, 10-20 m und das
Feuer, das es verursacht, brennt nur kurz: wenn es trifft, stirbt, aber keiner in der Nähe wird
verletzt. Das Problem ist, wenn man getroffen wird, wird man in viele Teile
zerrissen, und es bleibt nichts übrig. Tatsächlich sind die durch DIME
verursachten Verletzungen schwerer, als die die von „regulären“ Bomben
verursacht werden.
Ein
Sanitäter im Al-Awda-Krankenhaus in Jabalya-Flüchtlingslager berichtete dem pal. Zentrum für
Menschenrechte, dass etwa 90% der Verletzten, die er während der letzten Wochen
retten konnte, mindestens ein Glied verloren hatten. Ist es DIME, das diese
schweren Verletzungen verursacht hat, von dem das medizinische Team berichtet
hat? Garlasco sagt, da gibt es nur Gerüchte. „Keiner
hat es vorher angewendet gesehen. Es kann sein, dass es diesmal benützt wurde.
Aber da Israel keine Journalisten hineingelassen hatte und keine
Menschenrechtsorganisationen, wachsen die Gerüchte und die Leute sagen, dass
Israel schreckliche Waffen benützt hat.
Vielleicht
ist die Röte eine Folge des Metalls in den Explosivstoffen. Man kann dies aber
erst dann bestätigen, wenn Experten in den Gazastreifen gelassen werden oder
man mit der IDF spricht. Garlasco bemerkt, dass hier
der Unterschied zwischen der israelischen und der US-Armee liegt. Als
Mitarbeiter einer Menschenrechtsorganisation
erhält er täglich E-mails von der US-Luftwaffe mit
detailliertem Bericht über die Bomben, die in Afghanistan und dem Irak
abgeworfen wurden. „Die Israeli würden dies nie tun,“
sagt er,“ sie würden nie über die Waffen reden, die sie anwenden und nie eine
Diskussion in der Gesellschaft erlauben, welche Waffen benützt werden .
Eine andere
neue Waffe, von der er denkt, dass sie in Gebrauch ist, ist das
Spike. Es ist sehr neu, von 2005-2006, eine spezielle Rakete, die sehr
schnell auch die Richtung ändern kann, wenn sich das Ziel bewegt und wegrennt.
Man kann es mit dieser Waffe jagen. Es war in der USA-Flotte gemeinsam mit
Raffael ( der isr. Rüstungsentwicklungsbehörde)
entwickelt worden. Rafael ist der Produzent.
Drohnen sind
übrigens ein vollkommen israelisches Produkt, bemerkt er. Israel ist
auf diesem Gebiet führend, und Amerika hat hier eine Menge gelernt. Das Bombardieren von
den Kriegsschiffen ist auch eine israelische Erfindung. Aber die Kanonen auf
den Schiffen kommen aus Italien, von der Oto Melera-Gesellschaft.
Von seinem
frustrierenden Beobachtungsposten außerhalb des Gazastreifens und auf Grund von Israels „sehr schlechtem
Bericht über die Anwendung der Splitterbomben im Libanon und dem Verkauf
derselben nach Georgien“ sagt Garlasco, er sei sehr
beunruhigt, dass Israel jetzt auch APAM ( Antipersonen/ Antimaterial) –
einen neuen Typ einer Munitions-Ladung für Panzer benützt, die nach dem
Libanonkrieg entwickelt wurde – jede enthält sechs Splitterbomben. Der Panzer
zielt auf ein Ziel, das hinter irgend etwas versteckt
ist. Die Munition explodiert über den Köpfen der Leute – wie z.B. die der Iz
al-Din al Qassam Zellen, wenn sie Qassams
abfeuern.
Garlasco und Human Rights
Watch prüfen auch die andere Seite. Er sagt: „Wir glauben, dass die Grad- und Qassam-Raketen auch illegale Waffen sind, weil sie nicht
genau genug sind, um in dieser Situation verwendet zu werden“ Er fügt hinzu,
dass die Hamas häufigen Gebrauch von Landminen und Sprengstoff macht, die Zivilisten verletzen.
Doch weil weder er noch seine
Experten-Kollegen in den Gazastreifen
hinein gelassen werden, „wissen wir nicht, in welchem Ausmaß es pal. zivile Todesfälle
gibt, weil die Hamas auf Soldaten schießend, aber Zivilisten treffen. Oder ob ihre
Panzerabwehr den israelischen Panzer verfehlt und stattdessen ein Haus trifft.
Wir wissen es nicht.“
2005 traf
sich Garlasco mit einem politischen Vertreter von
Hamas und sagte ihm, dass die Anwendung von Grad-Raketen der 4.Genfer
Konvention widerspricht. Die Antwort, die er von dem Hamasmann
erhielt, war: „Alle Israelis sind Militärs.“ Ich erklärte ihm, dass sein
Verständnis des Völkerrechts falsch sei.“
Es ist erstaunlich, dass die Palästinenser unter diesen Umständen in
Gaza noch Qassams fabrizieren können. Die
Grad-Raketen jedoch sind wirkliche militärische 3m lange Waffen mit einem
bedeutsamen Sprengkopf. Das Problem ist nur, dass sie dafür bestimmt sind, en masse auf einmal abgeschossen zu werden, um ein großes
Gebiet zu treffen … nur eine abzuschießen, ist vom militärischen Standpunkt
fast sinnlos.
Was die
israelische Behauptung betrifft, dass Waffen und Munition in öffentlichen
Gebäuden wie Moscheen versteckt seien, erinnert Garlasco,
dass nur unabhängige Quellen in der Lage seien, diese Behauptung auf seinen
Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Wenn die
in den dicht bevölkerten Stadtteilen
in die Luft gesprengten Moscheen wirklich Verstecke für Munition gewesen
wären, hätte es sekundäre Explosionen geben müssen, die schlimme
Kollateralschäden und tiefe Krater
verursacht hätten.
Es ist
schwierig die israelischen Behauptungen auf Grund von Photos zu analysieren,
sagt er.
Garlasco ist nicht bereit, fraglos die
israelische Behauptung zu akzeptieren, dass sich die Hamas hinter Zivilisten
versteckt und Zivilisten als menschliche Schutzschilde benützt. „Die Israelis sind sehr schnell
damit, dies zu sagen, ohne einen Beweis zu liefern …“ außerdem glaubt er,
Israel zeichnet sich besonders dadurch aus, dass es nicht die Wahrheit sagt:
„Sie sagten, sie hätten im Libanon keine Streubomben angewendet – wir fanden 4
Millionen. Sie geben keine Antwort auf die Frage, ob sie Phosphorbomben
anwenden – und wir standen da und beobachteten es täglich. Sie behaupten, einen
LKW voll mit Grad-Raketen bombardiert zu haben – nach Zeugen, die mit Haaretz sprachen, war es ein Wagen voll mit
Sauerstoffflaschen. Nicht alles, was lang ist , ist
eine Rakete. Wie kann man dem
israelischen Militär noch glauben?“
Der
IDF-Sprecher antwortet: „Die IDF kämpft gegen Terrorelemente und beachtet
streng die Regeln des Völkerrechts. Aus verständlichen militärischen Gründen
wird die IDF nicht im Detail auf Material eingehen, das
in ihrem Besitz ist und das sie anwenden. Es sollte jedoch betont werden. Dass die IDF nur
Methoden und ( Munitions-)Material anwenden, das nach
dem internationalen Recht erlaubt sei .“
(?????? ER)
(dt. Ellen
Rohlfs)