Israel
Palästina Nahost Konflikt Infos
Von Gush-Shalom am 14.1.09, kurz vor Mitternacht:
Auf einer
Pressekonferenz in Jerusalem am Mittwoch veröffentlichte eine Koalition von
neun Menschenrechtsorganisationen einen dramatischen Aufruf an die israelische
Regierung, unmittelbar zu handeln, um weitere Verletzungen des Kriegsrechts in
Gaza zu verhindern und die humanitäre Krise in den besetzten Gebieten zu lindern.
Laufende Verletzungen wurden detailliert dargelegt und klare Forderungen zur
weiteren Vorgehensweise konkret gestellt.
Hier der Text des Aufrufs.
***
Adalah -- The
Legal Center for Arab Minority Rights in Israel | Amnesty
International Israel Section | Bimkom --
Planners for Planning Rights | B'tselem -- The
Israeli Information Center for Human Rights in the
Occupied Territories | Gisha -- Legal Center for Freedom of Movement Hamoked -- Center for
Defence of the Individual | Physicians for Human Rights -- Israel
Public Committee Against Torture in Israel | Yesh
Din -- Volunteers for Human Rights
Unmittelbare eindeutige Gefahr.
Ein israelischer Aufruf zu dringendem
humanitären Handeln in Gaza
14. Januar 2009
An
Prime Minister Ehud Olmert
Defense Minister Ehud Barak
Chief of Staff Lieut. Gen. Gaby Ashkenazi
OC Southern Command Maj. Gen. Yoav Galant
Atty. Gen. Menachem Mazuz
Betr: Warnung vor einer klar vorhandenen Gefahr für das Leben und
Wohlergehen von vielen Hunderttausend Zivilisten.
Seit dem Beginn
der Kampagne in Gaza am 27. Dezember ist der dringende Verdacht schwerer
Verletzungen international übereingekommener Menschenrechte durch militärische
Kräfte aufgetaucht. Nach dem Ende der Kampfhandlungen wird dies zu untersuchen
sein, und die für diese Verletzungen Verantwortlichen werden Rechenschaft
ablegen müssen. Im Moment möchten wir sie dringend auffordern, Ihre
Aufmerksamkeit der klar vorhandenen Gefahr für das Leben und Wohlergehen von
vielen Tausend Zivilisten zu lenken.
Das Ausmaß des
Schadens, den die Zivilbevölkerung erleidet, ist beispiellos. Nach
Zeugenaussagen von Bewohnern des Gazastreifens und Medienberichten macht die
Armee mutwillig Gebrauch von tödlicher Gewalt, und hat so bis zum jetzigen
Zeitpunkt den Tod von Hunderten unbeteiligter Zivilisten verursacht, sowie
Infrastruktur und Besitz in enormem Ausmaß zerstört. Außerdem zerstört Israel
zivile Objekte, die es als "legitime militärische Ziele" definiert,
mit der Begründung, sie seien "Symbole der Regierung".
Mitten in dieser
Situation sind 1,5 Millionen Zivilisten in extremer menschlicher Not gefangen,
deren Grundbedürfnisse durch die von der Armee getroffenen begrenzten Maßnahmen
nicht annähernd befriedigt werden. Diese Notlage wird in der Anlage zu diesem Brief
detailliert beschrieben. Die Hauptpunkte stellen sich wie folgt dar:
1. Die Kampfhandlungen finden im gesamten Gazastreifen statt, dessen
Grenzübergänge geschlossen sind, so dass die Bevölkerung nirgendwo hin
fliehen kann, weder innerhalb des Gazastreifens, noch durch Verlassen der
Region. Viele sind nicht in der Lage, aus der Kampfzone zu entfliehen, um sich
zu schützen. Sie sind gezwungen, in Furcht und Terror zu leben. Die Forderungen
der Armee, sie mögen ihre Häuser evakuieren, um nicht geschädigt zu werden,
entbehren jeder Grundlage. Manche derer, die entkommen sind, leben als
Flüchtlinge ohne Zugang zu Ressourcen.
2. Das Gesundheitssystem ist kollabiert. Die Krankenhäuser
sind nicht in der Lage, Verletzte angemessen zu versorgen, auch können
Patienten nicht in medizinische Versorgungszentren außerhalb des Gazastreifens evakuiert werden. Dies führt
zum Tod von Verletzten, die gerettet werden könnten. Chronisch Kranke bekommen
nicht die für sie nötige Versorgung. Sie erleiden schwere gesundheitliche
Schäden, viel von ihnen sind schon gestorben.
3. Gebiete, die unter
schwerem Beschuss lagen, sind vollkommen
isoliert. Es ist unmöglich, den
Zustand der dort befindlichen Menschen in Erfahrung zu bringen, ob sie
verletzt sind und Versorgung benötigen, ob sie über Nahrung, Wasser und
Medikamente verfügen. Die Armee hindert örtliche und internationale
Rettungsteams am Betreten dieser Orte, gleichzeitig bietet sie selbst keine
Hilfe an, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet ist.
4. Große Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu Strom und
Wasser, in vielen eng besiedelten Gebieten fließt Abwasser in den Straßen.
Diese Kombination verursacht schwerwiegende sanitäre Probleme und vergrößert
die Gefahr des Ausbruchs von Epidemien.
Diese Art des
Kampfes stellt eine deutliche Verletzung des Kriegsrechts dar und nährt den
Verdacht, dessen Untersuchung wir beantragen, den Verdacht des Begehens von
Kriegsverbrechen.
Die Verantwortung
des Staates Israel in dieser Angelegenheit ist klar und ohne Zweifel. Die
vollkommene Kontrolle der Kampfgebiete und der Zufahrtsstraßen durch die Armee
gestattet es Israel nicht, diese Verantwortung an andere Länder abzugeben.
Deshalb rufen wir Sie auf, unmittelbar wie folgt zu handeln:
1. Beenden Sie die
unverhältnismäßige Schädigung von Zivilisten, Beenden Sie den
gezielten Beschuss ziviler Objekte, die keinem militärischen Zweck dienen, auch
dann, wenn sie als "Symbol der Regierung" bezeichnet werden können.
2. Öffnen sie Wege für Zivilisten, um Kampfgebieten zu entfliehen,
bei gleichzeitiger Gewährleistung einer Rückkehr nach Hause nach Ende der
Kampfhandlungen.
3. Sorgen Sie für sofortige angemessene medizinische Versorgung
für Verletzte und Kranke im Gazastreifen, entweder durch ihre Evakuierung
in medizinische Versorgungszentren außerhalb des Gazastreifens oder durch das
Schaffen einer geeigneten Lösung innerhalb des Gazastreifens.
4. Ermöglichen Sie Rettungsmannschaften und medizinischen Teams
den Zugang zu Kampfgebieten, um Verletzte zu evakuieren und Bevölkerung vor
Ort mit dem Nötigsten zu versorgen.
Alternativ hierzu böte sich nur die Ausführung dieser Aufgaben durch die
Armee an.
5. Sorgen Sie für das Funktionieren von Wasser-, Elektrizitäts-
und Abwassersystemen, um die Befriedigung der Grundbedürfnisse der
Bevölkerung zu sichern.
Hochachtungsvoll,
Atty. Fatmeh
El-Ajou Adalah -- The Legal Center for
Arab Minority Rights in Israel
Vered Cohen Barzilay
Amnesty International Israel Section
Dr. Haim Yaakoby Bimkom --
Planners for Planning Rights
Jessica Montell B'tselem
-- The Israeli Information Center for Human Rights in
the Occupied Territories
Atty. Sari Bashi
Gisha -- Legal Center for
Freedom of Movement
Dalia Kerstein Hamoked -- Center for Defence of the Individual
Prof. Zvi Bentwich Physicians for Human Rights -- Israel
Dr. Ishai Menuchin Public Committee Against Torture in
Israel
Atty. Michael Sfard Yesh Din --
Volunteers for Human Rights
Anhang: Der
humanitäre Kollaps im Gazastreifen
Situationsbericht, 14. Januar 2009, (19.
Kampftag)
Überblick:
Mittwoch, den 14. Januar 2009, am 19. Tag der
Militärkampagne im Gazastreifen weiten sich die Dimensionen des humanitären
Kollapses im Gazastreifen aus: Viele Verletzte werden überhaupt nicht
medizinisch versorgt, das Evakuieren von Verletzten in Krankenhäuser wird nicht
ermöglicht, medizinische Teams werden auf dem Weg, Hilfe zu leisten,
angegriffen, und das Gesundheitssystem in Gaza bricht zusammen, besonders in
den Krankenhäusern. Gazas Elektrizitäts-, Wasser- und Abwassersysteme sind
zum Teil zusammengebrochen, die Bevölkerung hat kaum Zugang zu sauberem Wasser,
Abwässer fließen unkontrolliert in dicht besiedelten Gebieten, so dass die
Bevölkerung dem Risiko von Epidemien ausgesetzt wird.
***
Schädigung des Gesundheitssystems und
verhindertes Evakuieren von Verletzten
Uns
sind bisher 15 Fälle von Angriffen auf medizinische Einrichtungen bekannt,
darunter ein Lagers für medizinische
Versorgungsgüter, drei mobile Kliniken, ein Zentrum für seelische Gesundheit,
Wände und Fenster von drei Regierungskrankenhäusern und mehrere
Rettungsfahrzeuge. Es wurde von direkten Angriffen auf das Europäische
Krankenhaus, das Dura-Krankenhaus, eine Einrichtung der UNRWA und die Safha Al Harazin Klinik in
Shuja'iya berichtet.
Schädigung
der Elektrizitäts- , Wasser- und Abwasser- Infrastruktur
Stromkabel,
Wasserpumpen, Abwasser- und Müllverarbeitungsanlagen sind durch Bombardierung
geschädigt worden. Die Kampfhandlungen im Gazastreifen verhindern die meisten
Reparaturarbeiten, da eine Sichheits-Koordination mit
der Armee fehlt. Das gilt auch für den Transport von Brennstoff und Geräten
innerhalb des Gazastreifens. Ohne Elektrizität kann kein Wasser gepumpt werden,
Abwasser nicht entsorgt werden.
In den 14
Monaten vor der Militäroffensive verhinderte Israel die Versorgung des
Gazastreifens mit lebenswichtigen Gütern und leerte ihn so von Brennstoff,
Lebensmitteln, Medikamenten und Ersatzteilen, die jetzt nötig wären, um mit den
Folgen der Kampfhandlungen umzugehen. Sowohl dem Kraftwerk im Gazastreifen als
auch den unterstützenden Notgeneratoren fehlt der nötige Brennstoff,
Ersatzteile und Geräte zur Reparatur oder Wartung fehlen.
Wasser-
und Abwassersysteme
Stromnetz
***
Ein
vorhersagbarer und geplanter humanitärer Zusammenbruch
http://www.phr.org.il/phr/article.asp?articleid=687&catid=55&pcat=-1&lang=ENG
http://www.phr.org.il/phr/files/articlefile_1232009140265.pdf
(dt. Gudrun Weichenhan)
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