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Von Barak bis Trump
Uri
Avnery, 9.Dezember 2017
EHUD BARAK
hat „das Schweigen gebrochen“. Er hat in der New York Times einen Artikel
veröffentlicht, der unsern Ministerpräsidenten mit den aggressivsten Ausdrücken
angreift, mit andern Worten hat er genau dasselbe getan wie die Gruppe
ehemaliger Soldaten, die sich selbst „Breaking the Silence“ nennen und die
angeklagt werden, unsere schmutzige Wäsche im Ausland zu waschen.
Sie decken Kriegsverbrechen auf, von denen sie Zeugen gewesen
oder an denen sie selbst Teilnehmer
waren.
Doch
abgesehen von dem Angriff auf Benjamin Netanjahu, hat Barak den Artikel
dazu benützt, seinen Friedensplan zu veröffentlichen. Als früherer
Stabschef der israelischen Armee und früherer Ministerpräsident ist Barak
offensichtlich dabei, ein Come-back zu planen, und sein Friedensplan ist
ein Teil seiner Bemühungen. Dies scheint irgendwie eine offene Saison für
Friedenspläne in unserer Region zu sein.
Ich
respektiere die Intelligenz von Barak. Vor vielen Jahren, als er noch
vertretender Stabschef war, lud er mich unerwartet zu einem Gespräch ein.
Wir diskutierten über die Militärgeschichte des 17. Jahrhunderts
(Militärgeschichte ist ein altes Hobby von mir). und mir wurde bald klar,
dass er darin ein wirklicher Experte war. Ich freute mich sehr darüber.
An einem
Frühlingsabend im Mai 1999 nahm ich an einer riesigen jubelnden Menschenmenge
auf Tel Avivs Rabin-Platz teil, nachdem Barak die Knesset-Wahlen gewonnen hatte
und Ministerpräsident wurde. Er versprach uns den „Beginn eines neuen Tages“.
Insbesondere versprach er uns, mit den Palästinensern Frieden zu schließen.
Intellektuell ist Barak allen andern Politikern der israelischen Szene
überlegen. Bald danach erschien genau dies, ein Handicap zu sein.
Intelligente Leute neigen dazu, arrogant zu sein. Sie verachten Leute mit
weniger Verstand. Nachdem er wusste, dass er alle Antworten hatte, verlangte
Barak, dass Clinton zu einem Treffen mit Arafat aufrief.
Am
folgenden Tag sprach ich mit Arafat und fand ihn tief verstört. Nichts ist
vorbereitet worden, kein vorheriger Austausch von Ansichten, nichts. Er wollte
nicht zu diesem Treffen gehen, von dem er dachte, dass es fehl schlagen würde:
er konnte aber eine Einladung des
US-Präsidenten nicht ausschlagen.
Das
Resultat war eine Katastrophe.
Barak, selbstsicher wie immer, präsentierte seinen Friedensplan. Dieser war
entgegenkommender als jeder frühere israelische Plan, aber noch immer weit
entfernt vom palästinensischen Minimum. Das Treffen wurde abgebrochen.
Was tut
ein Diplomat unter solchen Umständen? Er verkündet, dass man einen fruchtbaren
Austausch von Ansichten hatte. Dass man noch kein vollkommenes Abkommen erreicht
hat, aber die Verhandlung weitergehen
werden und es wird weitere Treffen geben, bis wir ein Abkommen erreichen.
Barak
sagte dies nicht. Er sagte auch nicht „Tut mir leid, aber ich wusste nichts von
der palästinensischen Ansicht; ich werde
diese ernsthaft studieren.“
Stattdessen kam Barak nach Hause und verkündete, dass Israel die großzügigsten
Bedingungen seit je gestellt habe und dass die Palästinenser alles abgewiesen
hätten und dass die Palästinenser uns ins Meer werfen wollen, dass wir keinen
„Partner für den Frieden haben“.
Wenn
dies von einem rechten Politiker erklärt worden wäre, würde jeder mit den
Schultern gezuckt haben. Da dies
aber vom Führer des Friedenslagers
kam, war es verheerend. Dies wirkt
sich bis auf den heutigen Tag aus.
HIER KOMMT
also Barak, der neue Barak mit einem brandneuen Friedensplan.
Was sagt er? Er schreibt,
das Ziel ist „Trennung“ von den Palästinensern. Nicht Frieden, keine
Zusammenarbeit, nur Trennung. Um sie los werden. „Frieden“ ist jetzt nicht
populär.
Welche
Trennung? Israel wird dann die neuen jüdischen Viertel in Ost-Jerusalem
annektieren und die „Siedlungsblöcke“ -
die Häufung jüdischer Siedlungen jenseits der Grünen Linie aber nahe
dran. Er ist mit „Landtausch“ einverstanden. Und dann kommt die Hauptsache: „die
allgemeine Sicherheits-Verantwortung in der Westbank wird so lange wie nötig in
den Händen der IDF liegen“.
Und die
traurige Schlussfolgerung: „selbst
wenn es nicht möglich ist, den israelisch-palästinensischen Konflikt
in diesem Stadium zu lösen -
und wahrscheinlich ist er es nicht …“
Falls es
einen Palästinenser gibt, der diese Bedingungen akzeptieren würde, würde es mich
überraschen. Doch Barak – kümmerte sich weder damals noch heute um die Ansichten
und Gefühle der Palästinenser.
Genau wie Netanjahu, der wenigstens den Anstand hat, keinen solchen
„Friedensplan“ vorzuschlagen. Und wie Trump.
DONALD TRUMP
ist kein Genie wie Barak, er hat aber auch einen Friedensplan.
Eine
Gruppe von Juden des rechten
Flügels, einschließlich seinem Schwiegersohn (auch er kein Genie), haben an
diesem seit Monaten gearbeitet. Er hat ihn Mahmoud Abbas, Arafats Nachfolger,
dem neuen Saudi Kronprinzen und anderen arabischen Prinzen vorgeschlagen. Er
scheint, einen palästinensischen Staat vorzusehen, der aus mehreren kleinen
isolierten Teilen der Westbank besteht – ohne Jerusalem und ohne eine Armee.
Das ist
reiner Wahnsinn. Kein einziger Palästinenser und kein einziger anderer Araber
würde dies akzeptieren. Was noch
schlimmer ist, jeder, der solch eine Karikatur eines Staates vorschlägt, verrät
größte Ignoranz.
Hier
liegt das wirkliche Problem: es ist
viel schlimmer, als es nicht zu wissen. Es ist eine bodenlose Verachtung der
Palästinenser und der Araber im Allgemeinen, eine grundsätzliche Überzeugung,
dass ihre Gefühle, falls sie welche haben, überhaupt nicht interessieren.
Dies ist ein Überbleibsel aus den
kolonialen Zeiten.
Die
Palästinenser und die Araber im Allgemeinen haben tiefe Gefühle und
Überzeugungen. Sie sind ein stolzes Volk. Sie erinnern sich an Zeiten, als die
Muslime unvergleichlich fortgeschrittener waren als die barbarischen Europäer.
Vom US-Präsidenten und seinem jüdischen Gefolge wie Dreck behandelt zu werden,
verletzt sie tief und kann zu einem Aufstand in unserer Region führen, den kein
arabischer Prinz, der von den US angeworben wurde, kontrollieren kann.
DIES BETRIFFT
besonders Jerusalem. Für Muslime ist dies nicht nur eine Stadt. Es ist ihre
drittheiligste Stätte, der Ort, von dem der Prophet
- Friede sei mit ihm - gen
Himmel aufgefahren ist. Jerusalem
aufzugeben, ist für einen Muslim unvorstellbar.
Die
letzten Entscheidungen von Trump , Jerusalem betreffend, sind
- um es milde auszudrücken – idiotisch. Die Araber sind wütend;
den Israelis ist es egal. Amerikas
arabische Marionetten, Prinzen und alle
sind tief beunruhigt. Wenn
Aufstände ausbrechen, können sie
weggefegt werden.
Und
wofür? Wegen einer Schlagzeile in
den Abendzeitungen?
Es gibt
kein Thema in unserer Region und vielleicht in der Welt – das empfindlicher ist.
Jerusalem ist drei Weltreligionen heilig und mit Heiligkeit kann nicht
diskutiert werden.
In der
Vergangenheit habe ich diesem Projekt
viele Gedanken gewidmet. Ich liebe Jerusalem (Im Gegensatz zum Gründer des
Zionismus, Theodor Herzl, der vom
damaligen Jerusalem angeekelt war
und es in Eile nach einer Nacht verlassen hat). Die frühen Zionisten liebten die
Stadt auch nicht - sie war ein
Symbol für alles, was im Judentum
falsch und widerlich war.
Vor etwa
20 Jahren verfasste ich zusammen mit meinem verstorbenen Freund
Faisal al-Husseini, dem Führer von Jerusalems Arabern und den Nachkommen
ihrer vornehmsten Familie ein Manifest. Hunderte
von Israelis und Palästinensern unterzeichneten es.
Seine
Titelzeile lautete „Unser Jerusalem“. Es begann mit den Worten; „Jerusalem
gehört uns, Israelis und Palästinensern, Muslimen, Christen und Juden.“
Weiter:
„Unser Jerusalem ist ein Mosaik aller
Kulturen, aller Religionen und aller Perioden, die die Stadt bereicherten, vom
frühesten Altertum bis zum heutigen Tag: Kanaaniter, Jebusiter und Israeliten,
Juden und Hellenen, Römer und
Byzantiner, Christen und Muslime, Araber und Mameluken, Osmanen und Briten,
Palästinenser und Israelis.
„Unser
Jerusalem muss vereinigt bleiben, für alle offen sein und allen seinen
Bewohnern gehören, ohne Grenzen und ohne Stacheldraht in seiner Mitte.
Und die
praktische Schlussfolgerung: „Unser Jerusalem muss die Hauptstadt der beiden
Staaten sein, die nebeneinander, Seite an Seite in diesem Land leben werden –
West-Jerusalem, die Hauptstadt des Staates Israel und Ost-Jerusalem, die
Hauptstadt von Palästina.“
Ich
wünschte, ich könnte dieses Manifest an die Tore des Weißen Hauses nageln.
(dt.
Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)