Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Uri Avnery
7. Juni 2014
WIE
WÄHLT ein Fußballclub sein Team?
Der
einfache Weg ist der gewöhnliche: jede Seite hat ihren Manager, der sein Team
auswählt. Kein Problem.
Jetzt
hat die Regierung Israels einen neuen Weg eingeschlagen. Unser Manager hat
unsere beiden Teams, auch das feindliche, ernannt. So hat er hat die Sache
vereinfacht.
Ich
frage mich nur, ob diese Methode nicht verbessert werden
könnte. Zum Beispiel: der Manager jeder
Seite wählt nur das Team der andern Seite; das könnte
sich als interessant herausstellen.
Doch ein
anderer Weg würde für die Wettmafia der sein, beide Teams zu wählen. Dies könnte
den Profit vergrößern – im Geist moderner Marktbeherrschung.
IM ERNST, der Anspruch
Benjamin Netanjahus, er habe ein Recht,
die palästinensische Regierung eigenhändig zu
wählen, ist ziemlich erstaunlich.
Alle
bedeutenden palästinensischen politischen Parteien
sind mit einer neuen Regierungskoalition einverstanden. Dies ist eine
negative Koalition: alle Parteien
stimmen darin überein, ihre eigenen
Mitglieder nicht in der Regierung
zu haben. Die Regierung ist aus
„Technokraten“ zusammengesetzt, die keiner Partei angehören. Ich kenne fast
keinen von ihnen.
Netanjahu sollte glücklich sein. Kein Mitglied der üblen, terroristischen,
antisemitischen Hamas ist dabei.
Aber
dann erfand der produktive Geist
Netanjahus einen neuen Trick.
Es stimmt, kein
Hamas-Mitglied ist in der Regierung. Aber die Regierung wird von der
Hamas unterstützt!
Schrecklich! Unerträglich! Wenn die Hamas jemanden unterstützt, muss dies sicher
ein Selbstmordbomber sein, ein Judenmörder und natürlich ein Antisemit (Obwohl
sie selbst ein Semit ist.)
Also
solch eine Regierung muss boykottiert werden, nicht nur von Israel, sondern von
der ganzen zivilisierten Welt.
Falls
Europa oder gar die US nicht damit einverstanden sind
- ist das ein Haufen von
Antisemiten! nicht wahr?
EINE
ALTE jüdische Frage spricht halb im
Scherz und halb im Ernst aus: „Ist
es gut für die Juden?“
Ob es
das Wetter ist, ein Erdbeben in Alaska oder eine Flut in China. Die Frage erhebt
sich gleichbleibend. Gut oder
schlecht für die Juden?
Ein uns
viel näheres Ereignis wie die
Aufstellung einer palästinensischen Einheitsregierung stellt die Frage weit
dringender. Dies ist keine neue Frage in diesem Kontext. Schon in den frühen
50ern debattierten dies zwei bedeutende Führer: David Ben-Gurion glaubte nicht
an Frieden. Er war sich sicher, dass „die Araber“ uns
in dieser Region nie akzeptieren werden.
Seiner Meinung nach würde der Konflikt noch viele Generationen dauern, wenn
nicht für immer.
Bitte,
bringt mir keine Zitate, um das Gegenteil zu beweisen. Es gibt eine Menge davon.
Die Historiker lieben sie. Aber Zitate von Staatsmännern sind nahezu wertlos.
Sie reflektieren meistens die Bedürfnisse des Autors in der realen Zeit, um ein
vorübergehendes Ziel zu erreichen.
Es sind
die Taten, die zählen, und Ben-Gurions Taten lassen keinen Zweifel. In jedem
Stadium nahm er, was er konnte und
wartete dann auf die nächste Gelegenheit, um mehr zu gewinnen. Keinen Frieden.
Da er
sicher war, die Araber und besonders die Palästinenser würden unsere Feinde auf
immer bleiben, ist die logische Schlussfolgerung, alles Mögliche zu tun, um sie
zu schwächen. Und am besten ist es, sie zu trennen:
Divide et impera!
Ben
Gurion tat alles Mögliche, um die arabische Welt zu spalten. Als Gamal-Abd-al-
Nasser mit seiner panarabischen Botschaft auf der Bildfläche erschien,
sabotierte Ben-Gurion in jedem
Stadium alle seine Bemühungen. Er verschlimmerte den Konflikt mit seinen
Vergeltungsattacken über die Grenze hinaus, und
fiel 1956 in Ägypten ein – in
Absprache mit den zwei gemeinen
Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien.
Sein
intellektueller Gegner war Nahum Goldmann, damals der Präsident der
zionistischen Weltorganisation. Der glaubte an das genaue Gegenteil. Die Araber,
behauptete er, werden uns nur anerkennen, wenn sie vereinigt sind und sich stark
fühlen. Deshalb war jede Spaltung der arabischen Welt
„schlecht für die Juden“.
(Goldmann wünschte übrigens, uns
aus dem kalten Krieg herauszuhalten und Israel zur Schweiz des Nahen Ostens zu
machen). In dieser Hinsicht gab es wenig Unter-schied zwischen Ben-Gurion und
all seinen Nachfolgern. Der Unterschied
zwischen Ben Gurion und Netanjahu ist der wie zwischen einem kleinen
Riesen und einem großen Zwerg.
Eigentlich unnötig zu sagen: ich war ganz für die Goldmann-Linie. Mein Magazin
hieß die ägyptische Revolution von 1952 willkommen, widersetzte sich streng
gegen den Sinai-Krieg und war für die panarabische Linie.
DIE
GRUNDLEGENDE Frage ist natürlich, ob man überhaupt
Frieden haben will: Ist der Frieden „gut für die Juden?“. Ben Gurion hat
offensichtlich nicht so gedacht - Goldmann ja.
Wie war
es mit Yitzhak Rabin?
Ich
glaube, dass Rabin wirklich Frieden wollte, er aber niemals ganz die Idee
akzeptierte, welches die unvermeidliche Grundlage für Friedens ist:
ein palästinensischer Staat neben Israel. Wenn er fähig gewesen wäre,
seinen Weg weiterzugehen, wäre er wahrscheinlich dort angekommen, aber er wurde,
bevor er dort ankam, umgebracht.
Doch war
es Rabin, der die schicksalhafte Entscheidung traf, die Palästinenser zu
spalten. Das Oslo-Abkommen stellte
einstimmig fest, dass die Westbank und der Gaza Streifen eine territoriale
Einheit sind.
Um das
zu verwirklichen, vier „sichere
Passagen“ zwischen den beiden Regionen zu öffnen,
wurden Wegweiser
in drei Sprachen aufgestellt: „nach
Jericho“ „ nach „Gaza“ etc.
Doch keine der vier Passagen wurde jemals geöffnet.
Heute
ist es schwierig, sich daran zu erinnern, dass seit Beginn der Besatzung 1967
bis zum Oslo-Abkommen 1993 die Bewegung zwischen Israel und Palästina
unbehindert war. Palästinenser von Gaza und Hebron konnten ohne Probleme
Haifa besuchen, Israelis konnten
leicht Lebensmittel in Nablus oder Jericho einkaufen. Es klingt unglaublich: das
Oslo-Abkommen setzte diesem
Paradies ein Ende.
Nach
Oslo kam die Trennungsmauer und all die anderen Maßnahmen, die den Gazastreifen
und die Westbank in Open-Air-Gefängnisse verwandelten. Die unvermeidbare
Folge war die Spaltung.
.
ES GIBT
nur wenige Beispiele in der Geschichte von Staaten, der aus zwei oder mehr
getrennten Gebieten besteht. Das auffallendste unserer
Zeit ist Pakistan.
Als
Indien geteilt wurde, lagen große muslimische Gebiete östlich von dem Land, das
dann Indien wurde. Es funktionierte nicht. Es dauerte nur wenige Jahre für die
Ost-Pakistaner, sich über die Vorherrschaft
der West-Pakistaner zu ärgern. Gegenseitiger Hass kam auf. Das östliche
Pakistan brach mit Hilfe Indiens weg und bildete einen eigenen Staat –
Bangladesh.
Zwischen
den beiden pakistanischen Gebieten
war eine sehr weite Entfernung: das massige Indien. Aber zwischen der Westbank
und dem Gazastreifen liegen nur gerade
40 km.
Anfangs
gab es eine Menge Gerede, wie man die Entfernung überbrücken könne.
Buchstäblich. Ehud Barak spielte mit der Idee, eine riesige Brücke zu bauen, und
man sah sich in der Welt nach einem Modell um. Andere dachten über eine
exterritoriale Schnellstraße oder Bahnlinie nach. Nichts wurde ausgeführt.
In der
Zwischenzeit geschah, was geschehen musste. In beiden Gebieten wurden freie
Wahlen abgehalten, beobachtet von Jimmy Carter – und Hamas gewann. Eine
Regierung wurde gebildet. Unter immensem israelischen Druck, Europas und der US
wurde sie boykottiert, und
fiel auseinander.
Der Rest
ist Geschichte. Eine Fatah-Fraktion in Gaza, angeführt von einem
israelisch-amerikanischen Kollaborateur, versuchte, in Gaza einen Putsch
durchzuführen. Die Hamas reagierte
mit einem eigenen Putsch (falls man einen Putsch durchführen kann, nachdem man
eine Wahl gewonnen hat) und wurde die Regierung im Gazastreifen. Fatah übernahm
die Macht in der Westbank. Beide Seiten diffamierten
einander – zum Entzücken Israels und seiner Unterstützer.
Aber die
Geschichte hat ihre eigenen mysteriösen Wege. Nach einigen Kanonen- und
Raketen-Duellen griff Israel den
Gazastreifen an, und nach einer Menge Blutvergießen, griff auch Ägypten ein und
arrangierte ein Abkommen (keine
Waffenpause „Hudna“, was Waffenstillstand
bedeutet, sondern eine „Tahdiya“, was Waffenruhe bedeutet).Beide Seiten waren
glücklich, zusammen zu arbeiten. Hamas unternahm sogar konkrete Schritte, um die
Angriffe der kleineren, extremeren Gaza-Fraktionen
zu beenden; Israel verhandelte auch mit der Hamas über die Rückkehr des
israelischen Soldaten Gilat Shalit.
Es
schien sogar, dass die israelische Armee es vorzieht, mit der kämpferischen
Hamas zu verhandeln als mit der moderateren Fatah, dessen Führer Mahmoud Abbas
von Ariel Sharon als „gerupftes
Küken“ bezeichnet wurde.
PRÄSIDENT JOHNSON sagte einmal, es sei besser, einen
Feind innerhalb des Zeltes zu haben, so
dass er hinaus spucken kann, statt
außerhalb des Zeltes, der dann hineinspucken würde.
Einbeziehen ist besser als ausschließen.
Hamas, die die Verantwortung für eine Palästinensische Einheits-Regierung trägt,
ist besser, als wenn Hamas
sie angreift. Falls man wirklich Frieden machen will mit dem
palästinensischen Volk.
Falls
…..
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert).