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Ein Wort
Uri Avnery,
30.4. 2011
MIT EINEM
Wort: Bravo!
Die Nachrichten über das
Versöhnungsabkommen zwischen der Fatah und der Hamas sind gut für Frieden. Wenn
die letzten Schwierigkeiten ausgebügelt sind und ein volles Abkommen von
den beiden Führern unterzeichnet ist, wird es für die Palästinenser – und für
uns - ein Riesenschritt nach vorne sein.
Es ist sinnlos, nur mit
einer Hälfte des Volkes Frieden zu schließen. Mit dem ganzen palästinensischen
Volk Frieden zu schließen, mag schwieriger sein, aber es wird unendlich viel
sinnvoller sein.
Deshalb: Bravo!
Binyamin Netanyahu sagt
auch Bravo. Da die Regierung Israels die Hamas zur terroristischen Organisation
erklärt hat, mit der es keinerlei Verhandlungen geben wird, kann Netanyahu jetzt
jedem Gerede über Friedensverhandlungen mit der palästinensischen Behörde ein
Ende setzen. Was, Frieden mit einer palästinensischen Regierung, die Terroristen
einschließt? Niemals. Schluss mit der Diskussion.
Zwei Bravos, aber was für
ein Unterschied !?
DIE ISRAELISCHE Debatte
über arabische Einheit geht weit zurück. Dies begann schon in den frühen 50ern,
als die Idee der pan-arabischen Einheit ihren Kopf hob. Gamal Abd-al-Nasser
hisste dieses Banner in Ägypten, und die pan-arabische Baath-Bewegung wurde in
verschiedenen Ländern eine Kraft (lange bevor sie zu lokalen Mafias im Irak und
in Syrien degenerierte.)
Nahum Goldmann, der
Präsident der zionistischen Weltorganisation, behauptete, dass die pan-arabische
Einheit für Israel gut sei. Er glaubte, Frieden für die Existenz Israels sei
notwendig und dass nur alle arabischen Staaten zusammen den Mut hätten, Frieden
zu schließen.
David Ben-Gurion, Israels
Ministerpräsident, dachte, dass Frieden für Israel schlecht sei, wenigstens bis
der Zionismus all seine ( öffentlich nicht definierten) Ziele erreicht habe. In
einem Kriegszustand war Einheit unter den Arabern eine Gefahr und musste unter
allen Umständen verhindert werden.
Goldmann, der glänzendste
Feigling, den ich je kannte, hatte nicht den Mut, seiner Überzeugung zu folgen.
Ben-Gurion war weit weniger glänzend, aber viel entschlossener.
Er siegte.
NUN HABEN wir noch einmal
dasselbe Problem.
Netanyahu und seine Bande
von Friedenssaboteuren will die palästinensische Einheit unter allen Umständen
verhindern. Sie wollen keinen Frieden, weil der Frieden Israel daran hindert,
die zionistischen Ziele zu erreichen, wie sie sich diese vorstellen: einen
jüdischen Staat in ganz Palästina mindestens vom Meer bis zum Jordan .Der
Konflikt wird noch eine lange, lange Zeit andauern und je geteilter der Feind
ist, um so besser.
Tatsächlich war das
Auftauchen der Hamas von diesen Überlegungen beeinflusst. die israelischen
Besatzungsbehörden ermutigten bewusst die islamische Bewegung, die später zur
Hamas wurde, als ein Gegengewicht zur säkular, nationalistischen Fatah, die
damals als der Hauptfeind angesehen wurde.
Später hat die israelische
Regierung bewusst die Teilung zwischen der Westbank und dem Gazastreifen
gepflegt, in dem sie das Oslo-Abkommen verletzte und sich weigerte, die vier
„sicheren Passagen“ zwischen den beiden Territorien nach dem Abkommen zu
liefern. Nicht eine einzige wurde für einen einzigen Tag geöffnet. Die
geographische Trennung zog die politische nach sich.
Als die Hamas im Januar
2006 zur Überraschung aller - einschließlich der eigenen - die palästinensischen
Wahlen gewann, erklärte die israelische Regierung, sie wolle keinen Umgang mit
einer palästinensischen Regierung haben, in der die Hamas vertreten sei. Sie
befahl - es gibt kein anderes Wort dafür - den USA und den EU-Regierungen, ihrem
Beispiel zu folgen. So wurde die palästinensische Einheitsregierung gestürzt.
Der nächste Schritt war die
israelisch-amerikanische Bemühung, einen starken Mann ihrer Wahl als Diktator im
Gazastreifen zum Bollwerk der Hamas einzusetzen. Der auserwählte Held war
Muhammad Dahlan, ein lokaler Häuptling. Es war keine gute Wahl – der israelische
Sicherheitschef enthüllte vor kurzem, dass Dahlan in seinen Armen schluchzend
zusammenbrach. Nach kurzer Schlacht übernahm die Hamas die Kontrolle des
Gazastreifens.
EINE SCHMERZHAFTE Teilung
in einer Befreiungsbewegung ist keine Ausnahme. Es ist fast die Regel.
Die irische revolutionäre
Bewegung war dafür ein hervorragendes Beispiel. In unserm Land hatten wir den
Kampf zwischen der Hagana und dem Irgun, der zuweilen gewalttätig und sehr
hässlich wurde. Es war Menachem Begin, der damalige Irgun-Kommandeur, der einen
richtiggehenden Bürgerkrieg verhinderte.
Das palästinensische Volk
mit all den Risiken gegen es, kann sich solch ein Desaster nicht leisten. Die
Teilung hat intensiven gegenseitigen Hass zwischen Kameraden gesät, die zusammen
Zeiten in israelischen Gefängnissen verbrachten. Die Hamas klagte die
palästinensische Behörde an – nicht immer zu unrecht – sie arbeite mit der
israelischen Regierung gegen sie und drängte die Israelis und Ägypter, die
brutale Blockade gegen den Gazastreifen zu verschärfen, ja sogar einen Handel zu
verhindern, um den israelischen Kriegsgefangenen Gilad Shalit zu entlassen, und
so die Entlassung von Hamasaktivisten und ihre Rückkehr in die Westbank zu
blockieren. Viele Hamasaktivisten leiden in palästinensischen Gefängnissen, und
einer Menge Fatah-Aktivisten in den Gefängnissen im Gazastreifen geht es nicht
besser.
Doch Fatah und Hamas sind
Minderheiten in Palästina. Die große Masse der Palästinenser wünscht
verzweifelt Einheit und einen gemeinsame Kampf, um die Besatzung zu
beenden.
Wenn das endgültige
Versöhnungsabkommen von Mahmoud Abbas und Khalid Meshaal unterzeichnet sein
wird, werden die Palästinenser überall jubeln.
BINYAMIN NETANYAHU jubelt
jetzt schon. Die Tinte auf dem vorbereiteten Abkommen, das in Kairo initiiert
wurde, ist noch nicht trocken, als
Netanyahu eine feierliche Rede im Fernsehen hielt – so etwas wie eine Rede an
die Nation nach einem historischen Ereignis.
„Ihr müsst wählen zwischen
uns und der Hamas,“ sagte er der palästinensischen Behörde.
Das sollte nicht so
schwierig sein: auf der einen Seite ist ein brutales Besatzungsregime, auf der
andern Seite die palästinensischen Brüder mit einer anderen Ideologie.
Aber diese dumme Drohung
war nicht der Hauptpunkt der Aussage. Was Netanyahu uns sagte, war, dass es
keine Verhandlungen mit einer palästinensischen Behörde geben werde, die in
irgendeiner Weise mit der „terroristischen Hamas“ verbunden ist.
Die ganze Sache ist eine
große Erleichterung für Netanyahu. Er ist von den neuen republikanischen
Herren des US-Kongresses eingeladen worden, im nächsten Monat einen
Vortrag im US-Kongress zu halten – und hat nichts zu sagen. Noch hat er der UN
irgend etwas anzubieten, die im Begriff ist, im kommenden September den Staat
Palästina anzuerkennen. Jetzt hat er etwas: Frieden ist unmöglich, alle
Palästinenser sind Terroristen, die uns ins Meer werfen wollen. Also: kein
Frieden, keine Anerkennung, rein gar nichts.
WENN JEMAND Frieden
wünscht, sollte die Botschaft natürlich völlig anders aussehen.
Die Hamas ist ein Teil der
palästinensischen Realität. Gewiss, sie ist extremistisch, aber wie uns die
Briten viele Male gelehrt haben, ist es besser, mit Extremisten Frieden zu
schließen. Wenn man mit Moderaten
Frieden schließt, muss man sich weiter mit den Extremisten herumärgern. Wenn man
Frieden mit den Extremisten schließt, ist das Geschäft abgeschlossen.
Tatsächlich ist die Hamas
nicht ganz so extrem, wie sie sich selbst darstellt. Sie hat viele Male erklärt,
dass sie ein Friedensabkommen akzeptiert, das sich auf die Grenzen von vor1967
gründet und von Mahmoud Abbas signiert wird, wenn es in einem Referendum vom
Volk ratifiziert wurde oder wenn das Parlament abgestimmt hat. Die
palästinensische Behörde zu akzeptieren bedeutet, das Osloabkommen zu
akzeptieren, auf dem die Palästinensische Behörde gründet, einschließlich der
gegenseitigen Anerkennung Israels und der PLO. Im Islam – wie in anderen
Religionen – ist Gottes Wort
endgültig. Aber es kann jeder Situation gemäß „ausgelegt“ werden. Wir Juden
wissen das ja.
Was hat beide Seiten
flexibler gemacht? Beide haben ihren Schirmherrn verloren – die Fatah ihren
ägyptischen Beschützer Husni Mubarak und die Hamas ihren syrischen Schirmherr
Bashir al-Assad, auf den man sich jetzt nicht mehr verlassen kann. Dies brachte
beide Seiten dazu, sich der Realität zu stellen, die Palästinenser standen
allein. Sie müssen sich einigen.
Für friedensorientierte
Israelis wird es eine große Erleichterung sein, mit einem vereinigten
palästinensischen Volk in einem geeinten palästinensischen Gebiet zu verhandeln.
Israel könnte hier eine Menge tun: endlich eine exterritoriale Passage zwischen
der Westbank und dem Gazastreifen öffnen, der dummen und grausamen Blockade des
Gazastreifens ein Ende bereiten, (die nach dem Ausscheiden des ägyptischen
Kollaborateurs noch idiotischer geworden ist), lasst die Gazaer ihren Hafen,
Flughafen und ihre Grenzen öffnen. Israel muss die Tatsache akzeptieren, dass
religiöse Elemente jetzt ein Teil der politischen Szene in der ganzen arabischen
Welt sind. Sie werden institutionalisiert und wahrscheinlich viel „moderater“.
Das ist ein Teil der neuen Realität der arabischen Welt.
Die Entstehung der
palästinensischen Einheit sollte von Israel als auch den europäischen Staaten
und den USA willkommen geheißen werden. Sie sollten bereit sein, den Staat
Palästina innerhalb der Grenzen von 1967 anzuerkennen. Sie sollten zum Abhalten
von freien und demokratischen palästinensischen Wahlen ermutigen und ihre
Resultate akzeptieren, egal wie sie ausfallen.
Der Wind des arabischen
Frühlings weht auch nach Palästina. Bravo!
(Aus dem Englischen: Ellen
Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)