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Uri
Avnery, 16. Januar 2016
IN JEDER
Liste von Israels bedeutendsten Frauen würde Ilana Dayan an prominenter Stelle
stehen.
Dayan
(Keine Verbindung zum verstorbenen General mit dem Augenverband) ist
die Redakteurin von einem
der repräsentativsten Fernsehprogramme. Während das israelische
Fernsehen im Allgemeinen langsam in einen Morast stupider
„Realitäts“-Unterhaltung sinkt, steht ihr Programm
mit Namen „Uvdah“
(„Tatsache“) wie ein Leuchtturm von
verantwortlichem, investigativem Journalismus, und zwar von der Ar, von der mein
einst wöchentliches Nachrichten Magazin bekannt war.
Im
Allgemeinen ist Dayan immer als sanfte „Linke“ angesehen worden – da
kompromisslose Kritik der zur Zeit Regierenden gewöhnlich mit der Linken
identifiziert wird.
Jetzt
wird sie angeklagt, der extremen fast faschistischen Rechten zu dienen.
Schockierend!
In der
wilden Debatte, die folgte, zitierte Dayan mich zur Unterstützung.
40 Jahre lang trug mein Magazin in seinem Impressum den Slogan „Ohne
Furcht, ohne Vorurteil.“ Dayan behauptete, dass sie entsprechend dieses
Mottos handeln würde.
Dies
zwingt mich, mich in diese Diskussion einzumischen – gegen mein besseres Urteil.
DER HINTERGRUND
dieser Affäre betrifft genau die Gründe des israelisch-palästinensischen
Konfliktes.
Seit dem
Sechs-Tage-Krieg von 1967 hat Israel
unter anderen Gebieten das Gebiet, das von den Arabern „die Westbank“/
Westufer des Jordan, und von der israelischen Regierung und von Israelis des
rechten Flügels „Judäa und Samaria“, ihre biblische Bezeichnung, genannt wird,
erobert.
Fast
seit Beginn der Besatzung hat sich die israelische Rechte sehr darum bemüht,
„das Land zu besiedeln“ - jüdische
Siedlungen und Städte, Dörfer und kleine Außenposten im ganzen Gebiet.
Wem
gehört das Land offiziell, auf dem die Siedlungen gebaut werden?
Vieles
davon war „Regierungsland“. Dies
geht zurück bis ins Ottomanische
Reich. Allgemeine Landreserven, die keinem individuellen Bauer gehörten, sondern
dem ganzen Dorf, waren auf den Namen des Sultan
registriert. Unter der britischen „Regierung von Palästina“ wurde es
„Regierungsland“. Als die israelische Armee das Land besetzte, legte die
israelische Regierung ihre Hand
auf all diesen Besitz. Das bedeutet, dass dieses Land jetzt nur von
jüdischen Siedlern benützt wird.
Andere
Teile des Landes wurden einfach von der Militärregierung „ aus
Sicherheitsgründen“ oder für
„öffentliche Zwecke“ enteignet und dann den Siedlern übergeben.
Viele
dieser Siedlungen sind offenkundig illegal, sogar nach dem israelischen Gesetz,
das in diesen Gebieten vorherrscht. Aber das
Gesetz wird sehr selten angewandt. Die israelische Militärregierung, die
Armee und die Polizei unterstützen ganz offen die Siedlungen, schützen sie
und verbinden sie mit dem Stromnetz. Die Gerichte kümmern sich sehr
selten um sie.
Doch was
geschieht mit Siedlungen, die auf privatem arabischem Land stehen?
Ah, hier liegt der Hase im Pfeffer. Alle möglichen und unmöglichen Tricks
sind angewandt worden, um sie zu übernehmen. Unter ihnen
ist die Anwendung von falschen Dokumenten, falschen Unterschriften, oft
von toten Besitzern. Aber die gewöhnlichste Methode ist der Gebrauch arabischer
Vermittler.
FÜR DAS
palästinensische Volk ist dies ein existentieller Kampf. Die israelische Rechte,
die jetzt die Regierung dominiert, verbirgt ihre Vision eines Landes, frei von
palästinensischen Arabern nicht (im Deutschen „araberrein“). Die Vision des
ganzen Landes von Juden besiedelt -
mit sonst niemand -
hat starke Anziehung, besonders in religiösen Kreisen.
Die
Siedler und ihre Verbündeten haben
ein ganzes Netzwerk für legalen Land-Erwerb geschaffen.
Sie nähern sich einem arabischen Besitzer und bieten ihm eine riesige
Summe für sein Land an. Das Geld kommt von
jüdischen Milliardären der USA oder aus geheimen Regierungsfonds. Der
arabische Besitzer ist sehr versucht. Er will es verkaufen und dann mit dem Geld
wegrennen. Aber er fürchtet seine Nachbarn und fanatische Palästinenser.
Von da
kommen die arabischen Vermittler. Sie handeln als Agenten der Siedler und kaufen
das gewünschte Land in einer Weise, die den Käufer befähigt, vorzugeben, dass
er seinen Besitz an andere Araber verkaufe.
Für die
palästinensische Gemeinde sind diese Vermittler schlimmer als Verräter.
Sie gefährden die bloße Existenz des palästinensischen Volkes. Sie
entfachen intensive Wut.
HIER ISTES,
wo die TV-Reportage von Ilana Dayan beginnt.
Es
konzentriert sich auf einen israelischen Friedensaktivisten mit Namen Ezra Nawi,
ein irakisch-jüdischer Name. Er ist sehr aktiv in der Gegend von Hebron in der
südlichen Westbank. Seit Jahrzehnten kenne ich
seinen Namen.
Mein
Eindruck ist immer gewesen, dass
Nawi eine Art Einzelgänger ist; selbstlos hilft er den Palästinensern, verbunden
mit einigen der vielen aktiven israelischen Friedensorganisationen, besonders
mit Ta’ayush.
Hebron
ist ein Zentrum der fanatischsten jüdischen Siedler. Es war hier, wo der Siedler
und Massenmörder Baruch Goldstein 29 betende
Araber in der Moschee massakrierte. Von wütenden Überlebenden wurde er auch
getötet. Er wird jetzt von den Siedlern wie ein Heiliger verehrt.
Diese
Siedler sind mit einem langen Kampf engagiert,
um alle Araber aus den umliegenden
Dörfern zu vertreiben. Sie zerstören ihre Häuser, sägen ihre Fruchtbäume ab,
füllen ihre Brunnen mit Dreck. Ezra Nawi
arbeitet unermüdlich, um den Arabern zum Durchhalten zu helfen
AUF DER
Seite der Siedler gibt es mehrere jüdisch faschistische Organisationen (pardon,
keine andere Bezeichnung trifft den Fall) die großzügig von amerikanisch-
jüdischen Milliardären finanziert
werden.
Wie es
jetzt scheint, haben diese Organisationen ein Spionage Netzwerk aufgebaut, um
israelische Friedens- und Menschenrechtsgruppen zu infiltrieren. Einem ihrer
Agenten gelang es das Vertrauen des unverdächtigen Nawi zu gewinnen, der in
einem Augenblick der Selbstverherrlichung angab, die Namen
von arabischen Landverkäufern den palästinensischen Sicherheitskräften
preisgab, die sie wegen Verrats exekutierten.
Die
faschistische Organisation brachte die Information rüber zu Ilana Dayan, die
dies zum Haupt-Thema ihres wöchentlichen Fernsehprogrammes
machte. Nawi eilte zum Flughafen, wurde aber von der Polizei aus dem
Flugzeug geholt.
Hier
sind wir also.
Bei der
wütenden Debatte, die jetzt in den Medien tobte, wird Dayan von den Linken wie
Gideon Levy angeklagt, sie sei eine Verräterin geworden und diene nun den
Faschisten. Dayan antwortete mit einem wütenden Artikel, in dem sie mein Motto
zitiert. Es sei nicht ihre Sache, behauptete sie, sich zu fragen, ob ihre
Enthüllungen der Linken oder der Rechten diene. Ihr Job sei es nur, sicher zu
gehen, dass sie wahr sind.
Sie
behauptete auch, es sei nicht ihr Geschäft, die Motive der Leute zu erkunden,
die die Information liefern. Auch hier stimme ich mit ihr überein. Eine wichtige
Information kann zuweilen von ganz
unangenehmen Quellen ausgehen.
Das
öffentliche Wohl mag seine Veröffentlichung trotzdem verlangen.
Ich bin
unter allen Umständen gegen Todesstrafe. Ich bin auch gegen Folter.
Doch habe ich nie irgendeinen Beweis gesehen, dass die palästinensischen
Sicherheitsdienste bei arabischen Landvermittlern dies ausgeführt haben, auch
wenn einige harsch verhört worden seien.
Einen
komischen Gesichtspunkt gibt es auch. Nawi wird angeklagt, Kontakte mit
ausländischen Agenten zu haben, ein Verbrechen, das Spionage gleichkommt. Welche
ausländischen Agenten? Der Sicherheitsdienst der palästinensischen Behörde unter
dem Kommando von Mahmoud Abbas?
Doch nur vor ein paar Tagen teilte der israelische
Sicherheitsdienst mit, dass die beiden Sicherheitsdienste – der
israelische und der palästinensische – eng zusammen arbeiten, um arabischen
„Terrorismus“ zu verhindern; Auf diese Weise wurden viele
israelische Leben gerettet. Wann also sind palästinensische Dienste
Feinde und Kontakt mit ihm ein solch ernstes Verbrechen?
Eine
andere Frage betrifft die Offenlegung, dass extreme
Organisationen des rechten Flügels von ausländischen
(jüdisch-amerikanischen) Spendern finanziert,
weitverbreitete geheime Spionagetätigkeit gegen israelische Aktivisten
durchführen. Wie kommt es, dass der Shin Bet nichts davon weiß – oder falls er
davon weiß, warum hält er es geheim?
Eine
Sache ist sicher: Israelische Politik wird von Tag zu Tag hässlicher. Die Kluft
zwischen links und rechts wird zu
einem Abgrund des Hasses. Der rechte Flügel benützt Methoden, die mich an 1933
in Deutschland erinnern.
(Aus dem
Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert.)