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Napoleons Kanonen
Uri Avnery, 4.März 2017
NAPOLEON KAM
in eine deutsche Stadt und wurde nicht mit der traditionellen Artillerie.Salven
begrüßt.
Wütend zitierte er den Major zu sich und verlangte eine Erklärung.
Der Deutsche produzierte eine lange Papierrolle und sagte: „Ich habe eine Liste
von 99 Gründen. Grund 1 : Wir haben keine Kanonen“.
„Das ist genug!“ unterbrach ihn Napoleon. „Sie können nach Hause gehen!“
ICH ERINNERTE
mich an diese Geschichte vor zwei Wochen, als ich Jitzhaq Herzogs 10
Punkte—Friedensplan las.
Herzog, der Führer der Labour-Partei , ist eine ehrenhafte und intelligente
Person. Alle die über ihn schlimme Dinge geschrieben haben, als es schien, er
würde zu Netanjahus Koalition kriechen, sind durch die kürzliche Enthüllung
der Aqaba-Friedens-Initiative widerlegt worden.
Die Herrscher von Ägypten, Jordanien und Israel hatten sich im Geheimen
getroffen und baten Herzog, sich der Koalition von Netanjahu anzuschließen, um
den Frieden möglich zu machen. Herzog wurde von Netanjahu getäuscht und stimmte
zu. Er verhielt sich auch unter dem Sturm von verächtlichen Reaktionen
still. Das zeigt, dass er anständig und verantwortlich war.
Zweifellos könnte er ein guter Ministerpräsident für Irland sein, wo sein
Großvater Oberrabbiner gewesen war oder sogar in der Schweiz. Aber nicht in
Israel.
Israel benötigt jetzt einen starken Führer, mit viel Charisma und einem tiefen
Verständnis für den historischen Konflikt. Nicht einen Herzog.
KOMMEN WIR
zurück zu Napoleon.
Vor zwei Wochen veröffentlichte Herzog stolz seinen Friedensplan, der aus 10
Punkten bestand.
Punkt 1 ist eine obligate Wiederholung des zwei-Staaten-Prinzips. Es ist Punkt
zwei, der der Knackpunkt der Sache ist. Er sagt, dass die Verhandlungen für
Frieden erst in zehn Jahren beginnen werden.
Hier ist es, wo Napoleon gesagt haben würde: „Das ist genug, gehen Sie nach
Hause!“
Die Idee, dass Friedensverhandlungen 10 Jahre lang aufgeschoben werden können
ist absurd. Ein Volk unter einer brutalen Besatzung wird nicht zehn Jahre lang
still sitzen. Während dieser Zeit verpflichtet der Plan die Palästinenser (Punkt
6) gegen „Terrorismus und Volksverhetzung“ zu handeln. Keine Erwähnung von
Israels Gewalt und Volksverhetzung.
Nach zehn Jahren wird unter der Bedingung, dass während dieser Jahre keine
Gewalt in der Region ausgeübt wird, würden
Verhandlungen anfangen.
In unserer Region sind 10 Jahre eine Ewigkeit. Mehrere Kriege wüten gerade
jetzt in der Region. Da die Besatzung weitergeht, kann jeden Moment eine
Intifada in Palästina ausbrechen
Während dieser 10 Jahre wird der jüdische Siedlungsbau in den besetzten
Gebieten lustig weitergehen. Aber nur in den „Siedlungsblöcken“. Diese
imaginären Blöcke sind niemals definiert worden und Herzog definiert sie auch
nicht. Es gibt keine Landkarten dieser Blöcke. Es gibt auch kein Abkommen über
die Zahl dieser Blöcke und ganz sicherlich auch keine über ihre Grenzen.
Für einen Araber sind „Siedlungsblöcke“ nur ein Kunstgriff, weiter Siedlungen
zu bauen, während man vorgibt keine zu bauen. Wie ein Araber gesagt hat: „Wir
verhandeln über eine Pizza und in der Zwischenzeit esst ihr die Pizza auf“:
Da gibt es Behauptungen, dass das ganze Gebiet östlich von Jerusalem zu einem
Siedlungsblock gehört und bald von Israel annektiert werden soll. Dies würde den
zukünftigen Staat Palästina fast in zwei Teile schneiden mit nur wenigen
Kilometern Wüste bei Jericho, die sie miteinander verbinden.
AH JERUSALEM!
Dies gibt es nicht in Herzogs Plan. Das mag komisch erscheinen, aber ist es
nicht. Es bedeutet, dass der Herzog-Plan sich keine Veränderung mit dem Status
„Vereinigtes Jerusalem, die ewige Hauptstadt Israels”, vorstellen kann.
Hier kommt Napoleon noch einmal. Ein Plan, der keine Lösung für Jerusalem
einschließt, ist eine Stadt ohne Kanonen.
Jeder, der selbst die leiseste Ahnung von arabischer und muslimischer
Sensibilität hat, weiß, dass kein Araber und Muslim in der Welt damit
einverstanden sein wird, einen Frieden zu machen, in dem Ost-Jerusalem und das
Heiligtum in nicht-muslimischen Händen sein werden. Es kann verschiedene
Lösungen für Jerusalem geben – Teilung, Gemeinsame Herrschaft und andere –
aber ein Plan, der keinen Vorschlag für eine Lösung hat, ist wertlos. Die zeigt
eine miserable Ignoranz der arabischen Welt.
Was erscheint auf seinem Plan auch nicht? Die Flüchtlinge.
Im 1948er-Krieg floh mehr als die Hälfte des palästinensischen Volkes oder wurde
vertrieben. (In einem kürzlichen Artikel habe ich versucht, zu beschreiben, was
tatsächlich geschah.) Viele dieser Flüchtlinge und deren Nachkommen leben jetzt
in der Westbank und im Gaza-Streifen. Viele andere leben in den benachbarten
arabischen Staaten und in aller Welt.
Kein Araber kann ein Friedensabkommen unterzeichnen, das nicht wenigstens eine
symbolische Lösung bietet.
Bis jetzt ist man mehr oder weniger still überein gekommen, dass es zu einer
"gerechten und übereingekommenen Lösung” kommen muss – ich vermute – z. B. die
Rückkehr einer begrenzten Anzahl, und eine großzügige Entschädigung, um die
Ansiedlung von allen anderen außerhalb von Israel zu finanzieren.
Aber für viele Israelis würde die Rückkehr eines einzigen Flüchtlings eine
tödliche Gefahr für Israel als einem „jüdischen und demokratischen“ Staat
bedeuten.
Das Problem überhaupt nicht erwähnen – außer einem nebulösen „Kernproblem“ –
ist wohl unklug.
DA GIBT
es noch ein anderes Problem, das nicht erwähnt wurde.
Der Plan verlangt Einigkeit unter den Palästinensern in der Westbank und Gaza
als eine Bedingung für den Frieden. Gut. Aber betrifft uns das?
Aber sicher tut es dies.
Im Oslo-Abkommen verpflichtete sich Israel vier „sichere Passagen“ zwischen
der Westbank und dem Gazastreifen zu öffnen, eine Strecke von etwa 40km durch
israelisches Gebiet. Es ließ den Charakter dieser Passagen offen –
exterritoriale Straßen, eine Eisenbahn-Linie oder was auch immer. Tatsächlich
wurde nie eine Passage eröffnet, auch wenn Straßenschilder schon gesetzt waren,
die später wieder weggenommen wurden. Dies war und ist ein flagranter Bruch
des Abkommens.
Das unvermeidbare Ergebnis (siehe Pakistan) ist das Auseinander-brechen von zwei
Entitäten: Die Westbank unter der PLO und dem Gazastreifen unter der Hamas. Die
israelische Regierung scheint mit dieser Situation glücklich zu sein.
Wiedervereinigung verlangt die Öffnung der Passagen. Kein Wort darüber in
Herzogs Plan
Alles zusammen, der Plan sieht wie ein Schweizer Käse aus: mehr Löcher als
Substanz.
ICH HABE
in meinem Leben an der Formulierung von sehr vielen Friedensplänen teilgenommen.
Im September 1958 veröffentlichten ich und meine Freunde das „Hebräische
Manifest“, ein Dokument von 82 Punkten, einschließlich eines umfassenden
Friedensplanes. So kann ich behaupten, eine Art Experte beim
Friedensplan-machen zu sein (was sich leider vom Frieden-machen unterscheidet
Herzogs Plan hat nichts mit Frieden-machen zu tun. Es wird nicht
beabsichtigt, arabische Herzen zu gewinnen. Es ist eine marode verbale
Angelegenheit, dafür bestimmt, jüdisch israelische Wähler anzusprechen.
Allen intelligenten Israelis ist jetzt klar, dass wir vor einer schicksalhaften
Wahl stehen: entweder zwei Staaten oder ein Apartheid-Staat oder ein einziger
Staat mit arabischer Mehrheit. Die meisten Israelis wünschen keinen von diesen
drei.
Jede,r der Israel zu führen wünscht, muss eine Lösung bieten.
Das ist also Herzogs Lösung. Sie ist
alleine für jüdisch-israelische Augen bestimmt. Araber sind nicht angesprochen.
Als solcher ist er nicht besser oder schlechter als viele andere ”Friedenspläne"..
Es ist nur noch eine weitere Übung in Vergeblichkeit.
(dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)