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Uri Avnery, 14.2.2015
WER HERSCHT in Israel?
Natürlich der Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu.
Falsch.
Der wirkliche
Herrscher Israels ist ein Sheldon Adelson, 81, amerikanischer Jude, König der
Casinos, der als einer der zehn reichsten Personen klassifiziert wurde, der 37,2
Milliarden Dollar bei der letzten Zählung wert war. Doch wer zählt?
Außerdem
besitzt er außer seinen Spielcasinos in Las Vegas, Pennsylvania, Macao und
Singapur die US-Republikanische Partei und seit kurzem auch beide Häuser des
US-Kongresses.
Ihm gehört
auch Benjamin Netanjahu.
ADELSONS
VERBINDUNG mit Israel ist persönlich. In eine zufällig getroffene israelische
Frau verliebte er sich.
Miriam
Farbstein wurde in Haifa geboren, besuchte ein angesehenes Gymnasium, leistete
ihren Armeedienst im israelischen Institut, das sich mit bakteriologischer
Kriegsführung befasst und ist eine vielseitige Wissenschaftlerin. Nachdem einer
ihrer Söhne (aus erster Ehe) an einer Überdosis gestorben war, widmete sie ihr
Leben dem Kampf gegen Drogen, besonders gegen Cannabis.
Beide Adelsons
sind fanatische Unterstützer Israels. Nicht irgendeines Israels, sondern eines
rechten, supermacistischen, arroganten, gewalttätigen, expansionistischen, auf
Annexion bedachtes, nicht kompromissbereiten, kolonialistischen Israels.
In „Bibi“
Netanjahu fanden sie ihren Mann. Durch Netanjahu hoffen sie, Israel als ihr
privates Lehnsgut zu beherrschen.
Um dies
abzusichern, taten sie etwas Außerordentliches: sie gründeten eine israelische
Zeitung, die nur dazu dient, die Interessen Benjamin Netanjahus zu fördern.
Nicht den Likud, nicht eine spezielle Politik, nur Netanjahu persönlich.
Vor Jahren
erfand ich ein hebräisches Wort für Zeitungen, die umsonst verteilt werden.
„Hinamon“ , das grob als
„Gratiszeitung“ übersetzt werden kann und das zu verunglimpfen beabsichtigt.
Aber nicht im Traum dachte ich an ein Monster wie „Israel Hayom“ („Israel
heute“) – eine Zeitung mit unbegrenzten Finanzmitteln, die täglich umsonst auf
den Straßen und in Einkaufszentren überall im ganzen Land von Hunderten,
vielleicht von Tausenden bezahlter junger Leute verteilt wird.
Israelis mögen
gern etwas umsonst bekommen. „Israel heute“ („Hayom“) ist jetzt die
Tageszeitung, die die weiteste Verbreitung in Israel hat. Sie gräbt
den Lesern und die Reklameeinkommen von
seinem einzigen Konkurrenten – Yedioth Aharanot („Letzte Nachrichten“)
die
diesen Titel bis jetzt inne hatte, das Wasser ab.
Yedioth
reagierte wütend. Sie wurde ein grimmiger Feind von Netanjahu. Jossi Werter, ein
Kommentator der Mitte-Links Haaretz-Zeitung (die eine weit geringere Verbreitung
hat, glaubt sogar, dass die jetzige Wahl darauf hinausläuft, dass nichts weiter
als ein Wettstreit zwischen den beiden
Zeitungen entsteht.
Dies ist weit
übertrieben. Nach dem politischen und sozialen Inhalt zu urteilen, gibt es
wenig, das die beiden von einander unterscheidet. Beide sind superpatriotisch,
kriegstreibend und vom rechten Flügel. Das ist das journalistische Rezept,das
die Massen in aller Welt anzieht.
Yedioth gehört
der Familie Moses, einem geschäftstüchtigen Clan. Der gegenwärtige Verleger in
der dritten Generation ist Arnon („Noni“) Moses, der die Öffentlichkeit meidende
Boss eines großen wirtschaftlichen Empires
auf dem die Zeitung basiert. Die Zeitung dient seinen
Geschäftsinteressen, aber er hat keine speziellen politischen Interessen.
Adelson ist
einzigartig.
IN ISRAEL ist
das Wettgeschäft verboten. und in
geheimen Spielhöllen führt die Polizei Razzien durch. In unserer Jugend wurde
uns beigebracht, Casino-Herrscher seien schlechte Menschen, fast wie
Waffenhändler. Sie nehmen das Geld von armen
Abhängigen, treiben sie in Verzweiflung und manchmal auch in den
Selbstmord siehe Dostojewsky.
Israelis lesen
„Israel Hayom“ (etwas, das es umsonst
gibt), aber sie lieben den Mann und seine Methoden durchaus nicht. Einige
Mitglieder der Knesset waren deshalb ermutigt, einen Gesetzesentwurf vorzulegen,
in dem kostenlose Zeitungen verboten werden sollten.
Netanjahu und
der Likud taten alles, um diesen Gesetzesentwurf zu blockieren. Aber bei der
Vorabstimmung (notwendig für Gesetzesentwürfe von
privaten Mitgliedern) wurden sie in
bewundernswerter Weise geschlagen. Sogar Mitglieder von Netanjahus regierender
Koalition stimmten dafür. Die Kameras fingen Netanjahu ein, als er in die Halle
des Knesset-Plenums rannte, um auf
seinen Platz zu kommen, bevor das Abstimmen begann.
Das
Abstimmungsergebnis war 43 zu 23. Fast die Hälfte der Likud-Mitglieder war
abwesend. Der Außenminister Avigdor Liebermann und seine Partei stimmten für die
Gesetzesvorlage. Auch die Minister Ja‘ir Lapid und Zipi Livni.
Von der
Vorabstimmung bis zur endgültigen Annahme muss solch ein Gesetzesentwurf mehrere
Stadien durchlaufen. Eine Menge Zeit bleibt, um ihn in einem der Komitees zu
begraben. Aber Netanjahu war wütend. Ein paar Tage nach der Abstimmung entließ
er Lapid und Livni aus der Regierung und verursachte so den Bruch der
Regierungs-Koalition, und die Knesset löste sich auf.
Warum machte
Netanjahu mitten in seiner dritten Amtsperiode solch eine Dummheit. Da gibt es
nur eine logische Erklärung: Ihm wurde von Adelson befohlen, dies zu tun, um die
Annahme des Gesetzes zu verhindern.
Wenn dem so
ist, dann ist Adelson jetzt unser Gesetzgeber. Vielleicht ist er auch unser
Haupt-Regierungsmacher.
GELD SPIELT
eine zunehmende Rolle in der Politik. Wahlpropaganda wird im Fernsehen gemacht,
das sehr teuer ist. In Israel wie in den USA fließen legale und illegale Fonds
in den Wahlkampf, direkt oder indirekt. Korruption wird von den Gerichten
begünstigt oder geduldet. Die sehr Reichen (euphemistisch sind sie in Amerika
als die „Wealthies“, die sehr Reichen bekannt) üben ungebührlichen Einfluss aus.
Bei den
letzten US-Präsidentenwahlen schüttete Adelson Unmengen von Dollars in den
Wettkampf. Er unterstützte Newt Gingrich und dann Mitt Romney mit großen
Geldsummen. Vergeblich. Vielleicht mögen die Amerikaner es nicht, von
Casino-Kapitänen regiert werden.
Was die
nächste US-Präsidenten-Wahl betrifft, hat Adelson früh angefangen. Er hat zu
seinem Las Vegas-Spiel-Casino-Hauptquartier alle führenden republikanischen
Kandidaten eingeladen, um sie in ihrer Loyalität zu ihm – und zu Netanjahu
streng zu verhören. Keiner wagte es, die Einladung abzulehnen. Würde ein
römischer Senator die Vorladung eines Cäsar ablehnen?
In Israel sind
solche Rituale überflüssig. Die Adelsons – Miri und Sheldon – wissen, wer ihr
Mann ist.
Die Israel
Hayom-Zeitung ist natürlich eine große Propagandamaschine, total der Wieder-Wahl
von Netanjahu gewidmet. Alles ist ganz legal. Wer kann in einer Demokratie einer
Zeitung sagen, wen sie unterstützen soll? Wir sind eine Demokratie – um Himmels
Willen!
ES SCHEINT,
für ein Land ungewöhnlich zu sein, einem Ausländer, der nie im Lande lebte, zu
erlauben, solch enorme Macht über seine Zukunft, ja über seine Existenz zu
haben.
Dazu ist der
Zionismus nötig Dem zionistischen
Glauben nach, ist Israel der Staat der Juden, und zwar aller Juden. Jeder Jude
in der Welt gehört zu Israel, selbst dann, wenn er vorübergehend irgendwo anders
lebt. Vor ein paar Tagen behauptete Netanjahu öffentlich, nicht nur den Staat
Israel zu vertreten, sondern das ganze „jüdische Volk“. Es ist nicht nötig, die
Juden zu fragen.
Dem
entsprechend ist Adelson nicht wirklich Ausländer. Er ist einer von uns. Er kann
zwar nicht in Israel wählen, obwohl seine Frau es wahrscheinlich könnte. Aber
viele Leute, einschließlich seiner selbst, glauben, dass er, da er Jude ist, ein
absolutes Recht hat, sich in unsere Angelegenheiten einzumischen und unser Leben
zu beherrschen.
Zum Beispiel:
die Ernennung unseres Botschafters in den US. Ron
Dermer ist Amerikaner, geboren in Miami, aktiv in republikanischer Politik. Um
einen amerikanischen Funktionär der republikanischen Partei als Botschafter
Israels in Washington, wo ein
Präsident der demokratischen Partei herrscht, zu ernennen, mag seltsam
erscheinen. Nicht so seltsam falls Netanjahu nach den
Befehlen von Sheldon Adelson handelt.
Es war
Adelson, der das Hexengebräu, bereitete, das jetzt Israels Lebensrettungsseil
nach Washington gefährdet. Sein Handlanger Dermer überredete die Republikaner im
Kongress – alle abhängig von Adelsons Großzügigkeit oder es hoffentlich zu
werden - Netanjahu einzuladen, um vor beiden Häusern eine Rede gegen Obama zu
halten.
Während diese
Intrige in Vorbereitung war, traf Dermer John Kerry, aber sagte ihm nichts von
Netanjahus Kommen. Netanjahu informierte auch Präsident Obama nicht, der
wutschnaubend verkündete, er werde den Ministerpräsidenten nicht treffen.
Vom Standpunkt
wirklicher israelischer Interessen ist es reiner Wahnsinn, den Präsidenten der
Vereinigten Staaten Amerikas zu provozieren, der Amerikas Waffenlieferungen nach
Israel und das amerikanische Veto in den UN kontrolliert. Aber vom Standpunkt
Adelsons, der 2016 einen
republikanischen Präsidenten wünscht, macht es Sinn. Er hat schon damit gedroht,
unbegrenzte Summen Geldes zu investieren, um die Wiederwahl eines Demokraten zu
verhindern, und jeden Senator oder Vertreter abzusetzen, der nicht zu Netanjahus
Rede kommt.
Wir sind nahe
dran, einen Krieg zwischen der Regierung Israels und dem Präsidenten der US zu
eröffnen.
Ist da jemand,
der mit unsrer Zukunft Roulette spielt?
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)