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Uri
Avnery, 6. Februar 2016
WIR HABEN
also noch einen Antisemiten. Mazal Tov („Gutes Glück“) wie wir auf
Hebräisch sagen.
Sein
Name ist Ban Ki-moon, und er ist der Generalsekretär der UN . Tatsächlich der
höchste internationale Offizielle, eine Art Welt-Ministerpräsident.
Er hat
gewagt, die israelische Regierung zu kritisieren und auch die Palästinensische
Behörde, sie würden den Friedensprozess sabotieren und dadurch einen
israelisch-palästinensischen Frieden fast unmöglich machen. Er betonte, dass es
einen weltweiten Konsens über die „Zwei-Staaten-Lösung“ gäbe, was die einzige
Möglichkeit wäre.
Die
Formulierung klang neutral, aber Ban macht es ganz klar, dass fast die ganze
Schuld auf der Seite Israels liege. Seit die Palästinenser unter einer
feindseligen Besatzung leben, können sie nicht viel tun, weder auf die eine noch
auf die andere Weise.
Jeder,
der Israel für irgendetwas die Schuld gibt, ist natürlich ein eklatanter
Antisemit, der letzte in einer langen Reihe – angefangen
mit Pharao, König von Ägypten, vor ein
paar Tausend Jahren.
ICH KRITISIERE
Ban nicht, höchstens dafür, dass er
zu sanft gesprochen hat. Vielleicht ist das der koreanische Stil. Falls ich
- Gott bewahre – an seiner Stelle gewesen wäre,
wäre meine Formulierung sehr viel schärfer gewesen sein.
Im
Gegensatz zu Erscheinung gibt es keinen großen Unterschied zwischen Ban und
Bibi, soweit es die Vorhersage betrifft. Vor ein paar Wochen verkündigte
Benjamin Netanjahu, dass wir „auf
immer mit dem Schwert leben werden“ – eine biblischer Satz, der auf die Warnung
von Avner, König Sauls General zurückgeht, der zu König Davids General Yoav
ausrief: „Soll das Schwert ohne Ende fressen?“. (Ich liebte Avner immer und nahm
seinen Namen an.)
Aber was
gut für einen Patrioten wie Netanyahu ist, ist nicht gut für einen Judenhasser
wie Ban. Also zur Hölle mit ihm!
NETANJAHU MAG
Bans Äußerung, dass die „Zwei-Staaten-Lösung“ jetzt der Konsens der
ganzen Welt sei, nicht geliebt haben. Die Welt außer Netanjahu und seine
Kohorte.
Das war
nicht immer so. Ganz im Gegenteil.
Der
Teilungsplan, der zuerst von der britisch königlichen Kommission angenommen
wurde, der nach der arabischen
Revolte 1936 (von den Juden „Die
Ereignisse“ genannt) vereinbart wurde und in dem
viele Araber, Juden und britische Soldaten starben. Nach diesem Plan
wurde den Juden nur ein kleiner Teil von Palästina zugeteilt, ein schmaler
Streifen am Meer entlang, aber es war das erste Mal in der modernen Geschichte,
dass ein jüdischer Staat anvisiert wurde. Die Idee verursachte eine große
Spaltung in der jüdischen Gemeinde in Palästina („Yishuv“ genannt. Aber der
Ausbruch des 2. Weltkrieges setzte dem Plan ein Ende.
Nach dem
Krieg und dem Holocaust gab es ein weltweites Suchen nach einer dauerhaften
Lösung. Die Generalversammlung der neuen Vereinten Nationen entschied sich für
eine Teilung Palästinas in zwei Staaten, einen jüdischen und einen arabischen.
Die jüdische Führung akzeptierte dies förmlich, aber mit der geheimen Absicht,
das Gebiet bei der nächsten Gelegenheit zu vergrößern.
Die
Gelegenheit kam bald danach. Die Araber wiesen die Teilung zurück und begannen
einen Krieg, in dem wir viel mehr Land eroberten und unser junger Staat
annektierte dies.
Mit dem
Ende des Krieges, Anfang 1949 sah die Situation folgendermaßen aus:
der vergrößerte jüdische Staat, jetzt Israel genannt, besetzte 78 % des
Landes einschließlich West-Jerusalem; der Emir von Transjordanien behielt das
Westufer/ (die West Bank) des Jordan mit Ost-Jerusalem und änderte seinen Titel
in König von Jordanien; der König von Ägypten behielt den Gazastreifen.
Palästina war von der Karte verschwunden.
ALS ICH
(wegen meiner Verletzungen) aus der Armee entlassen wurde, war ich davon
überzeugt, dass diese Situation zu einem
permanenten Konflikt führen würde. Während des Krieges hatte ich viele
arabische Dörfer und Städte gesehen, von denen die Bewohner geflohen waren oder
vertrieben worden sind und war davon überzeugt, dass es ein palästinensisches
Volk gibt - im Gegensatz zu israelischen
Behauptungen und weltweiter Meinung – und dass es nie Frieden geben wird, wenn
diesem Volk ein eigener Nationalstaat verweigert wird.
Noch
trug ich die Uniform, schaute mich aber nach Partnern um, mit denen ich
diese Überzeugung teilen konnte. Ich fand einen jungen muslimischen
arabischen Architekten in Haifa und einen jungen drusischen Scheich. (Die Drusen
sind Araber, die sich vom Islam getrennt haben und vor vielen Jahrhunderten eine
neue Religion gründeten.)
Wir drei
trafen uns mehrere Male in der Wohnung des Architekten, aber fanden kein
allgemeines Echo. Die Regierung und die allgemeine Meinung in Israel
zogen den Status Quo vor. Die Existenz eines palästinensischen Volkes
wurde eifrig verleugnet. Jordanien
wurde de facto ein Verbündeter von Israel – wie es im Geheimen schon vorher war.
Falls
jemand in den frühen 50er-Jahren eine
internationale allgemeine
Meinungsumfrage gemacht hätte, so frag
ich mich, ob er 100 Leute in der Welt würde gefunden haben, die ernsthaft einen
palästinensischen Staat gewollt hätten. Einige arabische
Staaten machten gegenüber dieser Idee Lippenbekenntnisse, aber keiner
nahm es ernst.
Mein
Magazin Haolam Hazeh und später die Partei, die ich gründete, die denselben
Namen hatte, waren die einzigen Organisationen in der Welt, die diesen Kampf
weiterführten. Golda Meir sagte das berühmte Wort, dass „es so etwas wie ein
palästinensisches Volk nicht gibt“ (und weniger bekannt ist: „Ich bin bereit,
auf die Barrikaden zu klettern, um Uri Avnery aus der Knesset zu werfen“.
Diese
totale Zurückweisung der Rechte und die reine Existenz des palästinensischen
Volkes wurden sogar durch den Sechs-Tage-Krieg 1967 noch gestärkt, als Israel
sich den Rest von Palästina aneignete. Die herrschende Doktrin war die
„Jordanische Option“ – die Idee, dass falls und wenn Israel Teile der West Bank
zurückgibt, man sie König Hussein geben würde.
Dieser
Konsens erstreckte sich von David Ben Gurion bis Levy Eschkol, von Yitzhak Rabin
bis Shimon Peres. Die Idee dahinter war nicht nur die geerbte Leugnung der
Existenz des palästinensischen Volkes, sondern auch die verrückte Überzeugung,
dass der König Jerusalem aufgeben würde, da seine Hauptstadt Amman war. Nur ein
völliger Dummkopf könnte geglaubt haben, dass der haschemitische König, ein
direkter Nachkomme des Propheten, die dritt-heiligste Stadt des Islam an
Ungläubige geben könnte.
Die
pro-sowjetisch israelisch kommunistische Partei war auch für die jordanische
Option, die mich dazu brachte, in
der Knesset einen Scherz zu machen, dass sie wahrscheinlich die einzige
kommunistische monarchistische Partei in der Welt wäre. Dies endete 1969,
als Leonid Brezhnev plötzlich den Kurs änderte und
die „zwei Staaten für zwei Volker“-Formel
akzeptierte. Die israelischen Kommunisten
folgten fast bevor die Worte
ausgesprochen waren.
Die
Likud-Partei natürlich war nie
bereit, nur einen qm von Erez Israel aufzugeben. Offiziell
beansprucht es das Ostufer des Jordanflusses auch. Nur ein
Erzlügner wie Netanjahu konnte öffentlich der Welt gegenüber seine
Akzeptanz der „Zwei-Staaten-Lösung“ behaupten. Kein Likud Mitglied nahm ihn
ernst.
Wenn der
höchste Diplomat der Welt sagt, dass es einen weltweiten Konsens für die
Zwei-Staaten-Lösung gibt, habe ich das Recht, mich einen Augenblick lang der
Genugtuung zu erfreuen. Und des Optimismus‘.
„OPTIMISTISCH“
IST der Titel meiner Memoiren, deren zweiter Teil in dieser Woche herauskam
(Leider nur auf Hebräisch. Ich habe noch keinen Verleger gefunden, der es in
andern Sprachen herausgibt.
Als der
erste Teil erschien, dachten die Leute, der Titel sei verrückt. Jetzt sagen sie,
er sei wahnwitzig.
Optimistisch? Heute? Wenn das israelische Friedenslager schwer verzweifelt ist?
Wenn der hier gewachsene Faschismus seinen Kopf hebt und die Regierung
zum nationalen Selbstmord führt?
Ich habe
mehrfach zu erklären versucht,
woher dieser irrationale Optimismus kommt: aus
genetischen Wurzeln, Lebenserfahrung, das Wissen, dass Pessimisten gar
nichts tun, dass es die Optimisten sind, die versuchen, eine Veränderung zu
bewirken.
Antonio
Gramscis Motto zitiert: „Pessimismus des Intellekts, Optimismus des Willens.
BAN IST
nicht der einzige Antisemit, der kürzlich demaskiert wurde. Ein anderer ist
Laurent Fabius, Außenminister von Frankreich.
Wie
kommt das? Fabius hat vor kurzem
die Idee der Zusammenkunft einer
internationalen Konferenz für einen israelisch-palästinensischen Frieden
(natürlich in Paris) gehabt. Er erklärte im Voraus, wenn diese Idee nicht
akzeptiert wird, wird Frankreich den palästinensischen Staat anerkennen, und die
Tore Europas auch für andere öffnen.
Dies
erhebt eine semantische Frage. Nach zionistischer Redeweise kann nur ein
Nicht-Jude ein Antisemit sein. Ein
Jude, der dasselbe sagt, ist ein „jüdischer Selbsthasser“.
Fabius
gehört zu einer jüdischen Familie, die zum Katholizismus konvertiert ist. Nach
jüdisch religiösen Gesetz (die Halacha)
bleibt ein Jude, der gesündigt hat, ein Jude.
Konvertieren ist eine Sünde. Ist
Fabius also ein Nichtjude und deshalb ein Antisemit oder ein jüdischer
Sünder, ein Selbsthasser?
Wie
sollen wir ihn exakt verfluchen?
(Aus dem
Englischen : Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)