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Der Triumpf des Sisyphus
Uri Avnery
8. Oktober 2016
DAVID BEN GURION
wurde nicht bei den Großen der Nation auf dem nationalen Friedhof in Jerusalem
beerdigt, sondern neben des Grabes seiner Frau in Sdeh-Boker, der Negev
Siedlung, die er liebte.
Simon Peres, sein Schüler und Nachfolger wurde nicht neben dem Grab seiner Frau
in Ben Shemen, dem Platz, den sie liebte, beerdigt. Sondern bei den Großen der
Nation.
Das ist der ganze Unterschied.
ICH NAHM
nicht an dem Gedöns teil, das die Beerdigung begleitete. Alles in allem war es
ziemlich lächerlich. Jeder, der einmal seine Hand geschüttelt hat oder mit ihm
ein paar Worte wechselte, fühlte sich verpflichtet, etwas über ihn in aller
Länge, zu schreiben und tiefe Ansichten auszudrücken. Das meiste war reiner
Unsinn
Ich bin gern im TV. Aber diesmal weigerte ich mich. Dutzende Einladungen zum TV,
dem Radio und sonst noch was. Ich wünschte nur, nicht mich dem Chor dort
anzuschließen.
Abgesehen von andern Dingen, gab es dort auch das Paradox: Die Hunderte von
Lobreden, einschließlich Dutzender, die aus dem Ausland kamen, um den Mann des
Friedens zu loben, Doch das ganze Ereignis war Propaganda für die
Netanjahu-Regierung, die Regierung der Besatzung.
Die Sintflut von Artikeln über den Entschlafenen erinnerte mich an die alte,
griechische Geschichte über einen Haufen blinder Männer, die an einem Elefanten
vorbeikamen „der Elefant ist wie ein Rohr“ berichtete der eine, der seinen
Rüssel hielt. Der Elefant ist rund und scharf,“ sagte ein anderer, der die
Stoßzähne hielt. „Er ist wie ein Teppich,“ sagte der eine, der das Ohr hielt“
u.s.w.
Shimon Peres hatte viele Facetten. Nur alle zusammen machen den richtigen Mann,
der nicht von einem der Lobredner gesehen wurde. Fast alle sagten und schrieben
Quatsch.
Und alle ignorierten den wirklichen Elefanten, der in der Mitte des Raumes
stand: die Besatzung.
ALS ER einen Schlaganfall bekam, schrieb ich einen Artikel. Ich habe mich
entschlossen, diesen von neu zu schreiben, mit mehreren Zusätzen, von denen ich
denke, dass sie wichtig sind oder wenigstens interessant. Es tut mir leid, dass
er ein bisschen lang wurde.
Shimon Peres war ein Genie. Ein genialer Poseur.
Sein ganzes Leben lang hat er an seinen öffentlichen Person gearbeitet. Fast
alle Lobrednern ging es um dieses Image dieser Person. Der wirkliche Mann wurde
beerdigt. Möge seine Seele in Frieden ruhen. Der imaginierte Mann wird noch
generationen lang im Gedächtnis bleiben..
AN DER Oberfläche gab es ein paar Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir. Er war nur
39 Tage älter als ich. Er kam einige Monate später als ich in dieses Land, als
wir beide 10 Jahre alt waren. Ich wurde nach Nahalal, einem genossenschaftlichen
Dorf, geschickt. Er nach Bet Shemen, einem landwirtschaftlichen Dorf für
Jugendliche. Man könnte sagen, dass wir beide Optimisten und dass wir beide
aktiv in unserm Leben gewesen sind.
Hier endet unsere Ähnlichkeit.
ICH KAM aus Deutschland, wo wir eine wohlhabende Familie waren. In Palästina
verloren wir sehr schnell all unser Geld. Ich wuchs in äußerster Armut auf. Er
kam aus Polen. Seine Familie war auch in Palästina wohlhabend. Ich behielt einen
deutschen Akzent. Er behielt einen starken polnischen. Die meisten Leute
dachten, es wäre ein jiddischer Akzent – aber er leugnete dies vehement. In
jener Zeit wurde die jiddische Sprache in diesem Lande gehasst und verachtet.
Schon in seiner Kindheit gab es etwas, das den Ärger seiner Klassenkameraden
in der jüdischen Schule dieser kleinen polnischen Stadt auf sich zog. Oft
wurde er von ihnen verprügelt. Sein jüngerer Bruder Gigi pflegte ihn zu
verteidigen. Er erinnerte sich später, das Shimon ihn fragte: „Warum hassen sie
mich so?“
Dies war vielleicht der Ursprung seiner lebenslangen Sehnsucht nach Liebe vom
Volk, nach ihrer Bewunderung und Verehrung.
In Ben Shemen war sein Name noch Persky. Einer seiner Lehrer schlug vor, dass
er einen hebräischen Namen annimmt, wie es fast alle von uns taten. Er schlug
Ben Amotz vor, den Namen des Propheten Jesaya, aber dieser Name war schon von
einen anderen Schüler adoptiert. so schlug der Lehrer Peres vor, der Name eines
großen Raubvogels. Eine andere Geschichte lautet, dass Shimon bei einem Ausflug
einen Geier sah und seinen Namen adoptierte.
WIR TRAFEN uns das erste Mal, als wir 30 waren. Er war schon der
Generaldirektor des Ministeriums für Verteidigung, und ich war der Herausgeber
eines Magazins, über das sich das Land aufregte.
Er lud mich ins Ministerium ein, um mich zu bitten einen gewissen investigativen
Artikel nicht zu veröffentlichen (über die Versenkung eines illegalen
Flüchtlingsschiffes im Hafen von Haifa durch die Haganah vor der Gründung
Israels). Unser Treffen war eine Geschichte der gegenseitigen Abneigung auf den
ersten Blick. Er mochte mich nicht. Ich mochte ihn auch nicht.
Meine Abneigung war schon vor unsern Treffen präpariert. Im Krieg von 1948 (dem
Unabhängigkeitskrieg) war ich ein Zugführer. Alle Frontsoldaten dieses Krieges
verachteten Mitglieder unserer Altersgruppe, die nicht dienten und in Saus und
Braus lebten, während unsere Kameraden um uns herum fielen. Einer von diesen,
der nicht Militärdienst machte, war Peres. Er wurde von David Ben Gurion ins
Ausland. geschickt, um Waffen zu kaufen. Ein wichtiger Job – aber einer der 60
Jahre alt war, hätte dies auch tun können.
Diese Tatsache schwebte lange Zeit über Peres Kopf. Dies erklärt, warum
Mitglieder unserer Altersgruppe ihn verachteten und Yitzhak Rabin, Yigal Alon
und ihre Kameraden liebten. Haim Hefer, der Dichter der Elite-Palmach Einheit
schrieb ein Lied über ihn: „ Wie kam die Wanze so hoch?“.
SHIMON PERES war von Kindheit an ein richtiger Politiker, ein wahrer Politiker,
ein Politiker und sonst nichts. Kein anderes Interesse, keine Hobbies.
Das begann schon in Ben Shemen. Peres war dort ein „Außenseiter“. Dort wo ein
neuer Immigrant, der anders war, als die von der Sonne gebräunten, athletischen
einheimischen Jungen. Sein unattraktives Gesicht und der starke Akzent halfen
nicht weiter. Doch die attraktive Sonia, die Tochter des Lehrmeister, der
Schreiner war, wurde seine Frau.
Er sehnte sich danach von ganzem Herzen „einer von der Bande“ zu sein. Darum
schloss er sich der Arbeitenden Jugend an, die Jugendorganisation der
allmächtigen Histdruth-Gewerkschaft und wurde dort aktiv mit all seiner riesigen
Energie, die er schon hatte. Da die lokalen Jungen keine politische Aktivität
liebten, stieg Peres in die höheren Ränge auf und wurde schnell ein Ausbilder.
Seine erste Gelegenheit kam, nachdem er seine Studien in Ben Shemen beendet
hatte und sich einem Kibbutz der Labor-Partei (Mapai) anschloss, die die
jüdische Gemeinschaft mit eiserner Hand beherrschte. Die Partei spaltete sich
und so tat es auch die Jugendorganisation. Fast alle Jugendleiter schlossen sich
der „Fraktion B“ an, der Oppositionsgruppe. Peres war fast allein in der
bleibenden Mehrheitsfraktion. So zog er die Aufmerksamkeit der Parteiführer auf
sich und besonders von Levy Eshkol.
Es war eine brillante politische Taktik. Seine früheren Kameraden verachteten
ihn, aber er war jetzt in Kontakt mit der Spitze der Parteiführung. Eshkol
brachte ihn zur Aufmerksamkeit von Ben Gurion und als der 1948er-Krieg ausbrach,
sandte ihn der Führer in die USA, um Waffen zu kaufen.
In dem Tohuwabohu von Lobreden wurde Peres „der Letzte der Gründer Israels“. Das
ist kompletter Unsinn. Der Staat wurde von den Soldaten von 1948 gegründet, von
den Gefallenen, den Verletzten und ihren Kameraden. Nicht in einem Büro in Tel
Aviv, sondern auf dem Schlachtfeldern von Negba und Latrun. Ben Gurion und die
Politiker bildeten den Staat, und nicht zum Besten. Peres war nur ein
Junior-Assistent.
BEN GURION prägte seine politische Auffassung dem neuen Staat auf und es kann
gesagt werden, dass der Staat heute weiter fortfährtauf den Schienen, die von
ihm gelegt wurden. Peres war einer seiner wichtigsten Helfer.
Ben Gurion glaubte nicht an Frieden. Seine Ansichten gründeten sich auf die
Vermutung, dass die Araber keinen Frieden mit dem jüdischen Staat machen
würden, der gegründet war auf dem Land, das ihr Land gewesen war. Es würde nie
Frieden geben, wenigsten nicht für viele zukünftige Generationen, wenn
überhaupt. Deshalb benötigt der neue Staat eine starke westliche Macht hat als
Verbündeten. Logik diktierte, dass solch ein Verbündeter nur von den Rängen der
imperialistischen Mächten kommen könnte, die sich vor dem wachsenden arabischen
Nationalismus fürchten. Es war ein Teufelskreis: (1) um sich vor den Arabern zu
verteidigen, benötige Israel einen kolonialistischen anti-arabischen
Verbündeten. (2) Solch eine Verbindung würde nur den arabischen Hass gegen
Israel schüren. (3) Und so weiter, bis zum heutigen Tag.
Der erste voraussichtliche Verbündete war Großbritannien, die Mutter der
„Balfour-Erklärung“. Aber dies kam zu nichts: die Briten zogen die Umarmung des
neuen arabischen Nationalismus vor. Aber im richtigen Augenblick erschien ein
anderer Verbündeter auf die politische Bühne: Frankreich.
Dis Franzosen hatten ein ausgedehntes Empire in Afrika. Algerien, offiziell ein
Departement von Frankreich, rebellierte 1954. Beide Seiten kämpften mit
äußerster Brutalität..
Außerstande zu glauben, dass ihre Algerier sich gegen sie erheben könnten,
warfen die Franzosen alle Schuld auf den neuen Führer, der in Kairo an die Macht
gekommen war, Gamal Abd-al-Nasser. Aber kein Land war bereit, ihnen bei ihrem
„schmutzigen Krieg" zu helfen. Außer einem: Israel.
Ben Gurion, der schon ziemlich alt war, fürchtete sich vor dem neuen
pan-arabischen Führer, Abd-al-Nasser, der die arabische Welt vereinigen wollte.
Jung, energisch, gut aussehend und charismatisch, war „Nasser“, ein
mitreißender Redner, nicht wie die alte arabische Prominenz, an die Ben-Gurion
gewöhnt war. Als also „Nasser“ die algerischen Freiheitskämpfer unterstützte und
die Franzosen ihre Hand nach Israel ausstreckten, griff Ben Gurion eifrig nach
ihr.
Es war wieder der alte Teufelskreis: (1) Israel unterstützte die französische
Unterdrückung gegen die Araber,(2) Arabischer Hass gegen Israel wuchs ,(3)
Israel benötigte die kolonialen Unterdrücker sogar noch mehr.
Vergeblich warnte ich vor diesem schicksalshaften Prozess. Als Abd-al-Nasser an
die Macht kam, zeigte er Bereitschaft, mit Israel zu reden. Er lud einen Freund
von mir, einen hochrangigen , früheren Armee-Offizier ein , den er im 48er Krieg
getroffen hatte, zu einem geheimen Beruf nach Kairo ein. Der Außenminister
Mosche Sharett verbot ihm, dorthin zu gehen. Ich glaube, dass hier eine
historische Gelegenheit verpasst wurde. Israel tat genau das Gegenteil.
Ben Gurions Abgesandter nach Frankreich
war Shimon Peres. Der junge Mann sprach schlechtes Französisch und trug einen
blauen, schlecht sitzenden Anzug und wurde ein bekanntes Gesicht in Paris. Mit
seiner Hilfe erreichte der Prozess eine Höhe, von der man nicht zu träumen
wagte. Zum Beispiel machte, als die UN einen Vorschlag debattierte, die
Gefängnisbedingungen des gefangenen algerischen Führer Ahmed Ben Bella zu
verbessern, die einzige Stimme in der UN, die dagegen stimmte, war Israels
Stimme. (Die Franzosen selbst boykottierten diese Sitzung).
Die unheilige Allianz erreichte seinen Höhepunkt 1956 im Suez—Krieg, in dem
Frankreich, England und Israel gemeinsam gegen Ägypten kämpften.
In jener Zeit organisierte ich den „israelischen Rat für ein freies Algerien“.
Ich traf mich mit Mitgliedern der „Provisorischen Algerischen Regierung“, die
wünschte uns zu überzeugen, dass die algerischen Juden nach der Unabhängigkeit
in ihrer Heimat bleiben sollten.
Die Franzosen riefen Charles de Gaulle wieder an die Macht, und er verstand,
dass er dem hoffnungslosen Krieg ein Ende setzen musste. Peres lobte weiter die
französisch-Israelische Verbindung, die er verkündigte, gründete sich nicht auf
bloße Interessen, sondern auf tiefe allgemeine Werte. Ich veröffentlichte diese
Rede, Satz um Satz, mit einer Widerlegung von jedem. Ich sah voraus, dass wenn
der algerische Krieg vorbei ist, Frankreich Israel wie eine heiße Kartoffel
fallen lassen und seine Verbindungen mit der arabischen Welt wieder aufnehmen
würde. Und dies ist natürlich genau das, was geschah. (Israel adoptierte
stattdessen die USA.)
Bevor Frankreich Algerien verließ, bauten die französischen Siedler dort eine
Untergrund-Bewegung, die OAS, gegen die Freiheitskämpfer und gegen de Gaulle. Zu
jener Zeit wurde ein Schiff voller Waffen mitten im Mittelmeer entdeckt. Man
fand heraus, dass das Schiff auf seinem Weg zu den algerischen Siedlern war.
Jeder verdächtigte Peres. Die Außenministerin Golda Meir, die Peres sowieso
hasste, war wütend. In jener Zeit lieferte das Verteidigungsministerium von
Peres Waffen an viele der schmutzigsten Diktaturen auf der Erde.
Eine der Früchte des Suez-Abendteuer war der Atom -Meiler in Dimona. In Israel
wurde eine unauslöschliche Legende von Peres erzählt, dem „Vater der Bombe“. In
Wirklichkeit war der Reaktor ein Teil von Frankreichs Preis für den
unschätzbaren Dienst, den Israel während des Suez-Krieges gegenüber Frankreich
tat. Notwendiges Material wurde an vielen Orten durch Diebstahl und Betrug
erhalten.
Alles in Allem wurde Israel durch seine Verwicklung mit Frankreich geschadet.
Die Kluft zwischen ihm und der arabischen Welt wurde zu einem Abgrund.
(Anders als die meisten meiner Freunde im israelischen Friedenslager, äußerte
ich mich nicht gegen Israels nukleare Bewaffnung. Die Bombe konnte den Israelis
ein Gefühl l der Sicherheit geben, das als Dach für die Friedenbemühungen
dienen konnte. Ich habe Peres nie für seinen Anteil an dieser Sache
angegriffen.)
DIE KARIERE von Peres erinnert an die Legende von Sisyphus, den Held der alten
griechischen Mythen, der von den Göttern verurteilt war, einen schweren Fels auf
die Spitze eines Berges zu bringen; aber jedes Mal, wenn er sich seinem Ziel
näherte, entschlüpfte der Stein seinen Händen und rollte wieder abwärts .
Nach dem Sinai-Krieg erhob sich Peres Glück zu neuen Höhen. „Der Architekt der
Beziehungen zu Frankreich“, „ der Mann , der den Atommeiler erhielt", wurde zum
vertretenden Minister der Verteidigung und war auf seinem Weg ein bedeutendes
Mitglied des Kabinetts zu werden, als alles herunter krachte. Ben Gurion war
entschlossen, eine hässliche Sabotage-Affaire in Ägypten aufzudecken und wurde
von seinen Kollegen herausgeworfen. Er bestand darauf, eine neue Partei zu
gründen, die Rafi genannt wurde. Peres, zu seinem eigenen Missfallen wurde
gezwungen, sich ihr anzuschließen, und zum gleichen Missfallen tat dies Moshe
Dayan. Ben Gurion beherrschte ihr Leben.
Ben Gurion war nicht aktiv. Dayan tat, wie gewöhnlich, nichts. Es fiel auf
Peres, eine Kampagne zu beginnen. Mit seiner üblichen unermüdlichen Energie
pflügte er das Land; aber bei den Wahlen der Partei gewann er mit all seinen
brillanten Stars nur 10 Sitze in der Knesset mit 120 Sitzen und ging in die
unfähige Opposition. Der Felsen von Peres rollte wieder zurück nach unten.
Und dann kam die Erlösung – fast. Abd-al Nasser sandte seine Armee in den Sinai;
in Israel brach eine Panik aus. Die Rafi-Partei schloss sich der Notregierung
an. Peres erwartete, zum Minister der Verteidigung ernannt zu werden, aber im
letzten Augenblick erhielt der charismatische Dayan den gewünschten Job. Israel
gewann einen gewaltigen Sieg: in 6Tagen, und der Mann mit der schwarzen
Augenbinde wurde ein in aller Welt Gefeierter. Armer Peres musste sich mit einem
kleineren Ministerium zufrieden geben. Der Fels rollte wieder zurück.
Rafi schloss sich der Labor-Partei an. Als ich Peres in der Knesset traf, fragte
ich ihn, wie er sich fühlt. „Ich will mit einem Scherz antworten“, antwortete
er. „Ein Mann heiratet, und seine Kollegen fragen ihn nach seiner Frau. Es ist
eine Frage des Geschmacks, antwortete der Mann, sie ist nicht mein Geschmack.“
Sechs Jahre lang langweilte sich Peres, während Dayan sich in der Bewunderung
der Männer der Welt und besonders der Frauen sonnte. Und dann drehte sich das
Glück wieder. An Yom Kippur überquerten die Ägypter den Suez-Kanal und
erlangten einen erstaunlichen Anfangssieg. Dayan brach auseinander wie ein
irdisches Idol. Nach einiger Zeit wurden Golda Meir und Dayan gezwungen, ihr Amt
abzugeben.
Wer folgte Golda als Ministerpräsident? Peres war der offensichtliche Kandidat.
Er war nicht in die Fehler verwickelt, die zum Krieg führten. Er war ein
Verteidigungs- Experte. Er war jung und versprechend. Der Fels näherte sich der
Bergspitze, als wieder etwas Unglaubliches passierte.
Wie aus dem Nichts erschien Yitzhak Rabin, der einheimische Junge, der Sieger
des Sechs-Tage-Kriegs. Er schnappte die Krone unter der Nase von Peres weg. Aber
er war gezwungen, Peres, den er nicht liebte, zum Verteidigungminister zu
ernennen. Der Fels war wieder auf halbem Weg.
Die folgenden Jahre wurden für Rabin zur Hölle. Der Verteidigungsminister hatte
nur ein Ziel in seinem Leben: den Ministerpräsidenten zu untergraben. Es wurde
zu seiner voll Zeit Beschäftigung.
Die Animosität zwischen den beiden, die mit dem 1948er Krieg begann, wurde ein
vollständiger Hass. Rabin erfreute sich an allen Fehlern von Peres. Zum
Beispiel: als Verteidigungsminister: Peres war verantwortlich für die besetzten
Gebiete. Eines Tages befahl er Wahlen für die Gemeinden, weil er sicher war,
dass alte, harmlose Figuren gewählt würden. Stattdessen wählten die
Palästinenser junge pro-PLO-Aktivisten. Als ich zufällig Rabin am nächsten Tag
besuchte, feierte er.
Hauptsächlich, um Rabin zu ärgern, tat Peres etwas von historischer Bedeutung:
er schuf die ersten israelischen Siedlungen in der Mitte der besetzten Westbank
und begann einen Prozess, der jetzt Israels Zukunft bedroht. Bis dahin wurden
Siedlungen nur an den Rändern der Westbank gebaut. Kein Wunder, dass die
Siedler bei der Beerdigung ihn singend lobten.
Es geschah nicht durch Zufall. Schon am Morgen der Besatzung, als ich für
eine sofortige Errichtung eines palästinensischen Staates aufrief, war Peres
einer neuen Organisation nahe, die sich „Ganz Eretz Israel“ nannte und die die
Annexion von allen von Israel besetzten Gebieten fordert.
Der wütende Rabin gab ihm einen Spitznamen, der seitdem an ihm geklebt hat: „der
unermüdliche Intrigant.“
1976 wurde beschlossen, eine sehr gefährliche Operation auf dem Entebber
Flughafenfeld in Uganda zu unternehmen, um eine Anzahl von Geißeln
einschließlich hunderte von gefangenen Israelis zu befreien. Sofort begann ein
Kampf in Israel um die Lorbeeren. Peres beanspruchte den Erfolg für sich, da der
gewagte Plan in seinem Ministerium ausgearbeitet wurde. Rabins Bewunderer
bestanden darauf, dass er die Entscheidung getroffen hatte und offen die
Verantwortung übernommen hatte.
Dies wirft übrigens ein Licht auf eine andere bedeutende Tatsache: Peres
funktionierte am Besten, wenn er die Nummer 2 war . Er war Nummer
Ein Jahr später musste Rabin zu frühen Wahlen aufrufen, weil Kampf-Flugzeuge,
die von den US geliefert, in Israel an einem Freitag ankamen, zu spät für die
Ehrengäste nach Hause zu kommen ohne den Shabbat zu entheiligen. Die religiösen
Fraktionen rebellierten. Rabin führte natürlich die Partei-Liste an.
Dann geschah etwas. Es schien, dass nach Verlassen seines Jobs als Botschafter
in den US , bevor er Ministerpräsident wurde, Rabin in Amerika ein Konto
hinterlassen hat – etwas, was in jener Zeit ungesetzlich war. Rabins Frau wurde
angeklagt, Rabin nahm die Schuld auf sich selbst und trat zurück. Peres wurde
die Nummer 1 auf der Parteiliste und endlich war der Fels nahe an der
Bergspitze.
Am Abend nach der Wahl feierte Peres schon seinen Sieg, als etwas Unglaubliches
geschah. Menachem Begin, von vielen als Faschist angesehen, hatte gewonnen.
Der Fels rollt, wieder abwärts.
AM ABEND des 1982 -Libanon-Krieges (Während dem ich mich mit Yasser Arafat
traf) gingen die Oppositions-Führer Peres und Rabin , um Begin zu besuchen und
ihn aufzurufen , in den Libanon zu einzufallen .
Der Krieg endete mit dem Massaker von Sabra und Shatila und Begin fiel in eine
tiefe Depression. Er trat ab und wurde
gefolgt von einem anderen früheren Terroristen, Yitzhak Shamir. Eine Art von
Interregnum folgte, als keiner der beiden großen Parteien alleine regieren
konnte. Ein zwei-köpfiges Rotationschema entwickelte sich. Auf einer seiner
Dienstperioden als Ministerpräsident gewann Peres unangefochtene Lorbeeren als
der Mann, der Israels drei-stellige Inflation überwand und den Neuen Schekel
einführte, der noch heute unsere Währung ist.
Der Fels rollte wieder nach unten, als etwas sehr Hässliches geschah. Vier
arabische Jugendliche kidnappten einen Bus voller Leute und fuhren ihn nach
Süden. Der Bus wurde gestürmt. Die Regierung behauptete, dass alle vier währen
des Kampfes getötet wurden; aber ich
veröffentlichte ein Foto, das zeigte dass noch zwei von ihnen nach der
Gefangennahme am Leben waren. Es machte deutlich, dass sie kaltblütig vom
Geheimdienst umgebracht wurden.
Mitten während der Affäre folgte Peres Shamir, wie im Voraus bestimmt wurde.
Peres vermittelte ein Pardon für all die Mörder, einschließlich dem Chef des
Shin Bet.
Rabin kehrte zur Macht zurück , dieses Mal mit Peres als Außenminister. An einem
Tag bat mich Peres, er wolle mich sehen - ein ungewöhlicher Vorfall, da die
Feindschaft zwischen uns schon ein Teil einer Folklore war.
Peres lehrte mich über die Notwendigkeit, mit der PLO Frieden zu machen. Da dies
viele Jahre lang das Ziel meines Lebens war, während er unerbittlich dagegen
war, konnte ich konnte mich kaum beherrschen nicht zu lachen. Er erzählte mir
dann im Vertrauen über die Oslo-Verhandlungen und fragte mich, ob ich nicht
meinen Einfluss bei Rabin anwenden könne, um auch ihn zu überzeugen.
Peres hatte sicherlich Anteil an dem Abkommen, aber es war Rabin, der die
momentale Entscheidung traf – und mit seinem Leben bezahlte.
In meiner Vorstellung sehe ich den Mörder am Fuß der Treppe warten mit seiner
geladenen Pistole. Er ließ Peres ein paar Meter von ihn
vorbeigehen und wartete auf Rabin, der
ein paar Minuten später kam.
Das Nobelpreis-Komitee entschied vorher, den Friedenspreis an Arafat und Rabin
zu geben. Peres Bewunderer in aller Welt verursachten ein Skandal bis das
Komitee Peres mit auf die Liste stellte. Gerechtigkeit verlangte, dass Preis
auch an Mahmoud Abbas zu verleihen, der das Abkommen mit Peres unterzeichnet
hatte. Aber die Statuten erlaubten nur drei Preisträger. Also bekam Abbas auch
keinen Nobelpreis Er protestierte nicht.
Nach Rabins Tod wurde Peres vorübergehend Ministerpräsident. Wenn er sofort zu
den Wahlen aufgerufen hätte, würde er durch einen Landslite gewonnen haben.
Aber Peres wollte nicht über die coattails eines Toten reiten. Er wollte für
sein eigenen Verdienste gewinnen, Er verschob die Wahlen um ein paar Monate. Das
war die große Gelegenheit seines Lebens. Schließlich und endlich traf er die
Entscheidungen. Es war eine Katastrophe.
Zuerst gab er Order, um den „Ingeneur“, ein gefeierter palästinensischer
Kämpfer („Terrorist“). Zu töten. Als Konsequenz wurden im ganzen Land Busse in
die Luft gejagt, Dann überfiel er den Libanon, eine Operation, die mit einem
schrecklichen (versehentlichem) Massaker in Kafr Kana endete.
In den anschließenden Wahlen, verlor er an Benjamin Netanjahu.
(Um noch meinen Scherz los zu werden: „Wenn eine Wahl verloren gehen kann, dann
verliert Peres sie. „Wenn eine Wahl nicht verloren gehen kann, wird Peres sie
trotzdem verlieren“
ICH HASSTE Peres nie. Ich glaube, dass er mich nicht hasste. Die Feindseligkeit
war zwischen uns rein politisch.
Von Zeit zu Zeit begegneten wir einander. Einmal feierte der Dirigent Zubin
Mehta und seine neue Frau lud meine Frau und mich in seine Wohnung. Als wir
ankamen, war ich erstaunt, zu entdecken, dass außer uns nur Shimon Peres und
seine Frau Sonia dort waren. Es war ein interessanter Abend. Peres stellte sich
als ein amüsanter Gesprächspartner, voller sardonischem Humor. Er beschrieb
ausführlich ein Treffen des Kabinetts mit Henry Kissinger und das Verhalten der
Minister, einen nach dem anderen. Ein Minister verbrachte das Treffen mit dem
Säubern seiner Fingernägel, ein anderer aß die ganze Zeit usw,
Eine der Legenden, die er mit grosser Bemühung vervreitete, war
dass er ein eifriger Leser war: er las
alle bedeutenden Bücher, sobald sie erschienen sind. Die New York Times lobte
ihn nach seinem Tod als den "politischen Philosophen". Die Wahrheit ist, dass er
überhaupt keine Bücher las. Einer seiner nahen Assistenten Boaz Appelboim
verriet, dass sein Job war, die Bücher zu lesen und für Peres eine kurze
Zusammenfassung zu machen mit einem Zitat oder zwei, die Peres erlaubten,
während der Konversation Bemerkungen zu machen. Dies ließ einen tiefen Eindruck
zurück.
Dies wird von einer einfachen Beobachtung bestätigt. Wenn eine Person Bücher
liest, so äußert sich das auf die eine oder andere Weise. Nichts davon konnte in
in den unzähligen Reden von Peres entdeckt werden.
(Tatsächlich hatte kein aktiver Politiker Zeit zum Lesen. Ben Gurion gab auch
vor, ein Mann des Buches zu sein, ein Bibel-Kommentator und ein Erneuerer der
hebräischen Sprache. Er erzählte uns, dass er Spanisch gelernt habe, für den
einzigen Zweck, Don Quixote im Original zu lesen. Aber Ben Gurion war auch ein
Politiker – ein politisches Genie, aber nicht mehr als dies.
Eine der wirklichen Talente von Peres war seine Fähigkeit, kluge Phrasen zu
bilden. Es gibt Hunderte von ihnen von „der Neue Nahe Osten“, die keinerlei
Substanz hatte, bis zum „schweinischen Kapitalismus“, eine Phrase, die ihn
nicht daran hinderte, sich mit den Reichen der Welt zu verbrüdern.
BEI ALL seinen Wahl-Kampagnen, wurde Peres verflucht und missbraucht. Leute
bewarfen ihn mit faulen Tomaten. Einmal beklagte er sich über „ein Meer von
obszönen Östlichen Gesten“ – die ihn sogar noch unbeliebter von den Östlichen
Bürgern machte.
Während dieser Zeit tat Peres etwas Weises: Er unterzog sich einer
Plastikoperation. Danach sah er bemerkenswert besser aus.
Die Endblamage kam, als Peres vor einer Wahl des Präsidenten des Staates stand.
Der Präsident, eine zeremoniöse Figur, von jeder wirklichen Macht beraubt, wird
von der Knesset gewählt. Doch Peres verlor, und ein Likud Partei Funktionär mit
Namen Mosche Katzav wurde gewählt. Das schien eine letzte Beleidigung zu sein.
Aber dann geschah wieder das Unglaubliche. Moshe Katzav wurde verhaftet und der
Vergewaltigung angeklagt. Bei der folgenden Wahl wählte die Knesset Peres, was
wie eine kollektiefe Reue aussah.
Der Fels hatte die Spitze des Berges erreicht. Mit seiner gewöhnlichen
unermüdlichen Energie, hat Sisyphus schließlich gewonnen. Der lebenslange
Politiker, der niemals eine Wahl gewann, war jetzt neuer Präsident – und über
Nacht wurde er populär, der Liebling der Massen. Es war wie ein Wunder.
Er pflegte seine neue weltweite
Berühmtheit, die für die Netanjahu-Regierung und ihre Politik der Besatzung und
Unterdrückung als Feigenblatt diehnte, während er als der Mann des Friedens im
Ausland verehrt wurde.
Peres hatte mehrere Jahre, um sich an der neuen Liebe des Volkes zu erfreuen,
sein lebenslanges Ziel.. Und dann kam der Schlaganfall.
Seine Beerdigung wurde ein erstklassiges nationales und internationales
Ereignis. Peres wurde als einer der größten Männer der Welt gekrönt, als letzter
Mann des Friedens, als einer der Gründer des Staates Israel, als ein großer
Denker, er könnte ein Charakter einer Shakespeare Gestalt sein.
Sisyphus wurde beerdigt. Und der Fels bleibt auf der Bergspitze.
(dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
Der Triumpf des Sisyphus
Uri Avnery, 8.Oktober 2016
DAVID BEN GURION
wurde nicht bei den Großen der Nation auf dem nationalen Friedhof in Jerusalem
beerdigt, sondern neben des Grabes seiner Frau in Sdeh-Boker, der Negev
Siedlung, die er liebte.
Simon Peres, sein Schüler und Nachfolger wurde nicht neben dem Grab seiner Frau
in Ben Shemen, dem Platz, den sie liebte, beerdigt. Sondern bei den Großen der
Nation.
Das ist der ganze Unterschied.
ICH NAHM
nicht an dem Gedöns teil, das die Beerdigung begleitete. Alles in allem war es
ziemlich lächerlich. Jeder, der einmal seine Hand geschüttelt hat oder mit ihm
ein paar Worte wechselte, fühlte sich verpflichtet, etwas über ihn in aller
Länge, zu schreiben und tiefe Ansichten auszudrücken. Das meiste war reiner
Unsinn
Ich bin gern im TV. Aber diesmal weigerte ich mich. Dutzende Einladungen zum TV,
dem Radio und sonst noch was. Ich wünschte nur, nicht mich dem Chor dort
anzuschließen.
Abgesehen von andern Dingen, gab es dort auch das Paradox: Die Hunderte von
Lobreden, einschließlich Dutzender, die aus dem Ausland kamen, um den Mann des
Friedens zu loben, Doch das ganze Ereignis war Propaganda für die
Netanjahu-Regierung, die Regierung der Besatzung.
Die Sintflut von Artikeln über den Entschlafenen erinnerte mich an die alte,
griechische Geschichte über einen Haufen blinder Männer, die an einem Elefanten
vorbeikamen „der Elefant ist wie ein Rohr“ berichtete der eine, der seinen
Rüssel hielt. Der Elefant ist rund und scharf,“ sagte ein anderer, der die
Stoßzähne hielt. „Er ist wie ein Teppich,“ sagte der eine, der das Ohr hielt“
u.s.w.
Shimon Peres hatte viele Facetten. Nur alle zusammen machen den richtigen Mann,
der nicht von einem der Lobredner gesehen wurde. Fast alle sagten und schrieben
Quatsch.
Und alle ignorierten den wirklichen Elefanten, der in der Mitte des Raumes
stand: die Besatzung.
ALS ER einen Schlaganfall bekam, schrieb ich einen Artikel. Ich habe mich
entschlossen, diesen von neu zu schreiben, mit mehreren Zusätzen, von denen ich
denke, dass sie wichtig sind oder wenigstens interessant. Es tut mir leid, dass
er ein bisschen lang wurde.
Shimon Peres war ein Genie. Ein genialer Poseur.
Sein ganzes Leben lang hat er an seinen öffentlichen Person gearbeitet. Fast
alle Lobrednern ging es um dieses Image dieser Person. Der wirkliche Mann wurde
beerdigt. Möge seine Seele in Frieden ruhen. Der imaginierte Mann wird noch
generationen lang im Gedächtnis bleiben..
AN DER Oberfläche gab es ein paar Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir. Er war nur
39 Tage älter als ich. Er kam einige Monate später als ich in dieses Land, als
wir beide 10 Jahre alt waren. Ich wurde nach Nahalal, einem genossenschaftlichen
Dorf, geschickt. Er nach Bet Shemen, einem landwirtschaftlichen Dorf für
Jugendliche. Man könnte sagen, dass wir beide Optimisten und dass wir beide
aktiv in unserm Leben gewesen sind.
Hier endet unsere Ähnlichkeit.
ICH KAM aus Deutschland, wo wir eine wohlhabende Familie waren. In Palästina
verloren wir sehr schnell all unser Geld. Ich wuchs in äußerster Armut auf. Er
kam aus Polen. Seine Familie war auch in Palästina wohlhabend. Ich behielt einen
deutschen Akzent. Er behielt einen starken polnischen. Die meisten Leute
dachten, es wäre ein jiddischer Akzent – aber er leugnete dies vehement. In
jener Zeit wurde die jiddische Sprache in diesem Lande gehasst und verachtet.
Schon in seiner Kindheit gab es etwas, das den Ärger seiner Klassenkameraden
in der jüdischen Schule dieser kleinen polnischen Stadt auf sich zog. Oft
wurde er von ihnen verprügelt. Sein jüngerer Bruder Gigi pflegte ihn zu
verteidigen. Er erinnerte sich später, das Shimon ihn fragte: „Warum hassen sie
mich so?“
Dies war vielleicht der Ursprung seiner lebenslangen Sehnsucht nach Liebe vom
Volk, nach ihrer Bewunderung und Verehrung.
In Ben Shemen war sein Name noch Persky. Einer seiner Lehrer schlug vor, dass
er einen hebräischen Namen annimmt, wie es fast alle von uns taten. Er schlug
Ben Amotz vor, den Namen des Propheten Jesaya, aber dieser Name war schon von
einen anderen Schüler adoptiert. so schlug der Lehrer Peres vor, der Name eines
großen Raubvogels. Eine andere Geschichte lautet, dass Shimon bei einem Ausflug
einen Geier sah und seinen Namen adoptierte.
WIR TRAFEN uns das erste Mal, als wir 30 waren. Er war schon der
Generaldirektor des Ministeriums für Verteidigung, und ich war der Herausgeber
eines Magazins, über das sich das Land aufregte.
Er lud mich ins Ministerium ein, um mich zu bitten einen gewissen investigativen
Artikel nicht zu veröffentlichen (über die Versenkung eines illegalen
Flüchtlingsschiffes im Hafen von Haifa durch die Haganah vor der Gründung
Israels). Unser Treffen war eine Geschichte der gegenseitigen Abneigung auf den
ersten Blick. Er mochte mich nicht. Ich mochte ihn auch nicht.
Meine Abneigung war schon vor unsern Treffen präpariert. Im Krieg von 1948 (dem
Unabhängigkeitskrieg) war ich ein Zugführer. Alle Frontsoldaten dieses Krieges
verachteten Mitglieder unserer Altersgruppe, die nicht dienten und in Saus und
Braus lebten, während unsere Kameraden um uns herum fielen. Einer von diesen,
der nicht Militärdienst machte, war Peres. Er wurde von David Ben Gurion ins
Ausland. geschickt, um Waffen zu kaufen. Ein wichtiger Job – aber einer der 60
Jahre alt war, hätte dies auch tun können.
Diese Tatsache schwebte lange Zeit über Peres Kopf. Dies erklärt, warum
Mitglieder unserer Altersgruppe ihn verachteten und Yitzhak Rabin, Yigal Alon
und ihre Kameraden liebten. Haim Hefer, der Dichter der Elite-Palmach Einheit
schrieb ein Lied über ihn: „ Wie kam die Wanze so hoch?“.
SHIMON PERES war von Kindheit an ein richtiger Politiker, ein wahrer Politiker,
ein Politiker und sonst nichts. Kein anderes Interesse, keine Hobbies.
Das begann schon in Ben Shemen. Peres war dort ein „Außenseiter“. Dort wo ein
neuer Immigrant, der anders war, als die von der Sonne gebräunten, athletischen
einheimischen Jungen. Sein unattraktives Gesicht und der starke Akzent halfen
nicht weiter. Doch die attraktive Sonia, die Tochter des Lehrmeister, der
Schreiner war, wurde seine Frau.
Er sehnte sich danach von ganzem Herzen „einer von der Bande“ zu sein. Darum
schloss er sich der Arbeitenden Jugend an, die Jugendorganisation der
allmächtigen Histdruth-Gewerkschaft und wurde dort aktiv mit all seiner riesigen
Energie, die er schon hatte. Da die lokalen Jungen keine politische Aktivität
liebten, stieg Peres in die höheren Ränge auf und wurde schnell ein Ausbilder.
Seine erste Gelegenheit kam, nachdem er seine Studien in Ben Shemen beendet
hatte und sich einem Kibbutz der Labor-Partei (Mapai) anschloss, die die
jüdische Gemeinschaft mit eiserner Hand beherrschte. Die Partei spaltete sich
und so tat es auch die Jugendorganisation. Fast alle Jugendleiter schlossen sich
der „Fraktion B“ an, der Oppositionsgruppe. Peres war fast allein in der
bleibenden Mehrheitsfraktion. So zog er die Aufmerksamkeit der Parteiführer auf
sich und besonders von Levy Eshkol.
Es war eine brillante politische Taktik. Seine früheren Kameraden verachteten
ihn, aber er war jetzt in Kontakt mit der Spitze der Parteiführung. Eshkol
brachte ihn zur Aufmerksamkeit von Ben Gurion und als der 1948er-Krieg ausbrach,
sandte ihn der Führer in die USA, um Waffen zu kaufen.
In dem Tohuwabohu von Lobreden wurde Peres „der Letzte der Gründer Israels“. Das
ist kompletter Unsinn. Der Staat wurde von den Soldaten von 1948 gegründet, von
den Gefallenen, den Verletzten und ihren Kameraden. Nicht in einem Büro in Tel
Aviv, sondern auf dem Schlachtfeldern von Negba und Latrun. Ben Gurion und die
Politiker bildeten den Staat, und nicht zum Besten. Peres war nur ein
Junior-Assistent.
BEN GURION prägte seine politische Auffassung dem neuen Staat auf und es kann
gesagt werden, dass der Staat heute weiter fortfährtauf den Schienen, die von
ihm gelegt wurden. Peres war einer seiner wichtigsten Helfer.
Ben Gurion glaubte nicht an Frieden. Seine Ansichten gründeten sich auf die
Vermutung, dass die Araber keinen Frieden mit dem jüdischen Staat machen
würden, der gegründet war auf dem Land, das ihr Land gewesen war. Es würde nie
Frieden geben, wenigsten nicht für viele zukünftige Generationen, wenn
überhaupt. Deshalb benötigt der neue Staat eine starke westliche Macht hat als
Verbündeten. Logik diktierte, dass solch ein Verbündeter nur von den Rängen der
imperialistischen Mächten kommen könnte, die sich vor dem wachsenden arabischen
Nationalismus fürchten. Es war ein Teufelskreis: (1) um sich vor den Arabern zu
verteidigen, benötige Israel einen kolonialistischen anti-arabischen
Verbündeten. (2) Solch eine Verbindung würde nur den arabischen Hass gegen
Israel schüren. (3) Und so weiter, bis zum heutigen Tag.
Der erste voraussichtliche Verbündete war Großbritannien, die Mutter der
„Balfour-Erklärung“. Aber dies kam zu nichts: die Briten zogen die Umarmung des
neuen arabischen Nationalismus vor. Aber im richtigen Augenblick erschien ein
anderer Verbündeter auf die politische Bühne: Frankreich.
Dis Franzosen hatten ein ausgedehntes Empire in Afrika. Algerien, offiziell ein
Departement von Frankreich, rebellierte 1954. Beide Seiten kämpften mit
äußerster Brutalität..
Außerstande zu glauben, dass ihre Algerier sich gegen sie erheben könnten,
warfen die Franzosen alle Schuld auf den neuen Führer, der in Kairo an die Macht
gekommen war, Gamal Abd-al-Nasser. Aber kein Land war bereit, ihnen bei ihrem
„schmutzigen Krieg" zu helfen. Außer einem: Israel.
Ben Gurion, der schon ziemlich alt war, fürchtete sich vor dem neuen
pan-arabischen Führer, Abd-al-Nasser, der die arabische Welt vereinigen wollte.
Jung, energisch, gut aussehend und charismatisch, war „Nasser“, ein
mitreißender Redner, nicht wie die alte arabische Prominenz, an die Ben-Gurion
gewöhnt war. Als also „Nasser“ die algerischen Freiheitskämpfer unterstützte und
die Franzosen ihre Hand nach Israel ausstreckten, griff Ben Gurion eifrig nach
ihr.
Es war wieder der alte Teufelskreis: (1) Israel unterstützte die französische
Unterdrückung gegen die Araber,(2) Arabischer Hass gegen Israel wuchs ,(3)
Israel benötigte die kolonialen Unterdrücker sogar noch mehr.
Vergeblich warnte ich vor diesem schicksalshaften Prozess. Als Abd-al-Nasser an
die Macht kam, zeigte er Bereitschaft, mit Israel zu reden. Er lud einen Freund
von mir, einen hochrangigen , früheren Armee-Offizier ein , den er im 48er Krieg
getroffen hatte, zu einem geheimen Beruf nach Kairo ein. Der Außenminister
Mosche Sharett verbot ihm, dorthin zu gehen. Ich glaube, dass hier eine
historische Gelegenheit verpasst wurde. Israel tat genau das Gegenteil.
Ben Gurions Abgesandter nach Frankreich
war Shimon Peres. Der junge Mann sprach schlechtes Französisch und trug einen
blauen, schlecht sitzenden Anzug und wurde ein bekanntes Gesicht in Paris. Mit
seiner Hilfe erreichte der Prozess eine Höhe, von der man nicht zu träumen
wagte. Zum Beispiel machte, als die UN einen Vorschlag debattierte, die
Gefängnisbedingungen des gefangenen algerischen Führer Ahmed Ben Bella zu
verbessern, die einzige Stimme in der UN, die dagegen stimmte, war Israels
Stimme. (Die Franzosen selbst boykottierten diese Sitzung).
Die unheilige Allianz erreichte seinen Höhepunkt 1956 im Suez—Krieg, in dem
Frankreich, England und Israel gemeinsam gegen Ägypten kämpften.
In jener Zeit organisierte ich den „israelischen Rat für ein freies Algerien“.
Ich traf mich mit Mitgliedern der „Provisorischen Algerischen Regierung“, die
wünschte uns zu überzeugen, dass die algerischen Juden nach der Unabhängigkeit
in ihrer Heimat bleiben sollten.
Die Franzosen riefen Charles de Gaulle wieder an die Macht, und er verstand,
dass er dem hoffnungslosen Krieg ein Ende setzen musste. Peres lobte weiter die
französisch-Israelische Verbindung, die er verkündigte, gründete sich nicht auf
bloße Interessen, sondern auf tiefe allgemeine Werte. Ich veröffentlichte diese
Rede, Satz um Satz, mit einer Widerlegung von jedem. Ich sah voraus, dass wenn
der algerische Krieg vorbei ist, Frankreich Israel wie eine heiße Kartoffel
fallen lassen und seine Verbindungen mit der arabischen Welt wieder aufnehmen
würde. Und dies ist natürlich genau das, was geschah. (Israel adoptierte
stattdessen die USA.)
Bevor Frankreich Algerien verließ, bauten die französischen Siedler dort eine
Untergrund-Bewegung, die OAS, gegen die Freiheitskämpfer und gegen de Gaulle. Zu
jener Zeit wurde ein Schiff voller Waffen mitten im Mittelmeer entdeckt. Man
fand heraus, dass das Schiff auf seinem Weg zu den algerischen Siedlern war.
Jeder verdächtigte Peres. Die Außenministerin Golda Meir, die Peres sowieso
hasste, war wütend. In jener Zeit lieferte das Verteidigungsministerium von
Peres Waffen an viele der schmutzigsten Diktaturen auf der Erde.
Eine der Früchte des Suez-Abendteuer war der Atom -Meiler in Dimona. In Israel
wurde eine unauslöschliche Legende von Peres erzählt, dem „Vater der Bombe“. In
Wirklichkeit war der Reaktor ein Teil von Frankreichs Preis für den
unschätzbaren Dienst, den Israel während des Suez-Krieges gegenüber Frankreich
tat. Notwendiges Material wurde an vielen Orten durch Diebstahl und Betrug
erhalten.
Alles in Allem wurde Israel durch seine Verwicklung mit Frankreich geschadet.
Die Kluft zwischen ihm und der arabischen Welt wurde zu einem Abgrund.
(Anders als die meisten meiner Freunde im israelischen Friedenslager, äußerte
ich mich nicht gegen Israels nukleare Bewaffnung. Die Bombe konnte den Israelis
ein Gefühl l der Sicherheit geben, das als Dach für die Friedenbemühungen
dienen konnte. Ich habe Peres nie für seinen Anteil an dieser Sache
angegriffen.)
DIE KARIERE von Peres erinnert an die Legende von Sisyphus, den Held der alten
griechischen Mythen, der von den Göttern verurteilt war, einen schweren Fels auf
die Spitze eines Berges zu bringen; aber jedes Mal, wenn er sich seinem Ziel
näherte, entschlüpfte der Stein seinen Händen und rollte wieder abwärts .
Nach dem Sinai-Krieg erhob sich Peres Glück zu neuen Höhen. „Der Architekt der
Beziehungen zu Frankreich“, „ der Mann , der den Atommeiler erhielt", wurde zum
vertretenden Minister der Verteidigung und war auf seinem Weg ein bedeutendes
Mitglied des Kabinetts zu werden, als alles herunter krachte. Ben Gurion war
entschlossen, eine hässliche Sabotage-Affaire in Ägypten aufzudecken und wurde
von seinen Kollegen herausgeworfen. Er bestand darauf, eine neue Partei zu
gründen, die Rafi genannt wurde. Peres, zu seinem eigenen Missfallen wurde
gezwungen, sich ihr anzuschließen, und zum gleichen Missfallen tat dies Moshe
Dayan. Ben Gurion beherrschte ihr Leben.
Ben Gurion war nicht aktiv. Dayan tat, wie gewöhnlich, nichts. Es fiel auf
Peres, eine Kampagne zu beginnen. Mit seiner üblichen unermüdlichen Energie
pflügte er das Land; aber bei den Wahlen der Partei gewann er mit all seinen
brillanten Stars nur 10 Sitze in der Knesset mit 120 Sitzen und ging in die
unfähige Opposition. Der Felsen von Peres rollte wieder zurück nach unten.
Und dann kam die Erlösung – fast. Abd-al Nasser sandte seine Armee in den Sinai;
in Israel brach eine Panik aus. Die Rafi-Partei schloss sich der Notregierung
an. Peres erwartete, zum Minister der Verteidigung ernannt zu werden, aber im
letzten Augenblick erhielt der charismatische Dayan den gewünschten Job. Israel
gewann einen gewaltigen Sieg: in 6Tagen, und der Mann mit der schwarzen
Augenbinde wurde ein in aller Welt Gefeierter. Armer Peres musste sich mit einem
kleineren Ministerium zufrieden geben. Der Fels rollte wieder zurück.
Rafi schloss sich der Labor-Partei an. Als ich Peres in der Knesset traf, fragte
ich ihn, wie er sich fühlt. „Ich will mit einem Scherz antworten“, antwortete
er. „Ein Mann heiratet, und seine Kollegen fragen ihn nach seiner Frau. Es ist
eine Frage des Geschmacks, antwortete der Mann, sie ist nicht mein Geschmack.“
Sechs Jahre lang langweilte sich Peres, während Dayan sich in der Bewunderung
der Männer der Welt und besonders der Frauen sonnte. Und dann drehte sich das
Glück wieder. An Yom Kippur überquerten die Ägypter den Suez-Kanal und
erlangten einen erstaunlichen Anfangssieg. Dayan brach auseinander wie ein
irdisches Idol. Nach einiger Zeit wurden Golda Meir und Dayan gezwungen, ihr Amt
abzugeben.
Wer folgte Golda als Ministerpräsident? Peres war der offensichtliche Kandidat.
Er war nicht in die Fehler verwickelt, die zum Krieg führten. Er war ein
Verteidigungs- Experte. Er war jung und versprechend. Der Fels näherte sich der
Bergspitze, als wieder etwas Unglaubliches passierte.
Wie aus dem Nichts erschien Yitzhak Rabin, der einheimische Junge, der Sieger
des Sechs-Tage-Kriegs. Er schnappte die Krone unter der Nase von Peres weg. Aber
er war gezwungen, Peres, den er nicht liebte, zum Verteidigungminister zu
ernennen. Der Fels war wieder auf halbem Weg.
Die folgenden Jahre wurden für Rabin zur Hölle. Der Verteidigungsminister hatte
nur ein Ziel in seinem Leben: den Ministerpräsidenten zu untergraben. Es wurde
zu seiner voll Zeit Beschäftigung.
Die Animosität zwischen den beiden, die mit dem 1948er Krieg begann, wurde ein
vollständiger Hass. Rabin erfreute sich an allen Fehlern von Peres. Zum
Beispiel: als Verteidigungsminister: Peres war verantwortlich für die besetzten
Gebiete. Eines Tages befahl er Wahlen für die Gemeinden, weil er sicher war,
dass alte, harmlose Figuren gewählt würden. Stattdessen wählten die
Palästinenser junge pro-PLO-Aktivisten. Als ich zufällig Rabin am nächsten Tag
besuchte, feierte er.
Hauptsächlich, um Rabin zu ärgern, tat Peres etwas von historischer Bedeutung:
er schuf die ersten israelischen Siedlungen in der Mitte der besetzten Westbank
und begann einen Prozess, der jetzt Israels Zukunft bedroht. Bis dahin wurden
Siedlungen nur an den Rändern der Westbank gebaut. Kein Wunder, dass die
Siedler bei der Beerdigung ihn singend lobten.
Es geschah nicht durch Zufall. Schon am Morgen der Besatzung, als ich für
eine sofortige Errichtung eines palästinensischen Staates aufrief, war Peres
einer neuen Organisation nahe, die sich „Ganz Eretz Israel“ nannte und die die
Annexion von allen von Israel besetzten Gebieten fordert.
Der wütende Rabin gab ihm einen Spitznamen, der seitdem an ihm geklebt hat: „der
unermüdliche Intrigant.“
1976 wurde beschlossen, eine sehr gefährliche Operation auf dem Entebber
Flughafenfeld in Uganda zu unternehmen, um eine Anzahl von Geißeln
einschließlich hunderte von gefangenen Israelis zu befreien. Sofort begann ein
Kampf in Israel um die Lorbeeren. Peres beanspruchte den Erfolg für sich, da der
gewagte Plan in seinem Ministerium ausgearbeitet wurde. Rabins Bewunderer
bestanden darauf, dass er die Entscheidung getroffen hatte und offen die
Verantwortung übernommen hatte.
Dies wirft übrigens ein Licht auf eine andere bedeutende Tatsache: Peres
funktionierte am Besten, wenn er die Nummer 2 war . Er war Nummer
Ein Jahr später musste Rabin zu frühen Wahlen aufrufen, weil Kampf-Flugzeuge,
die von den US geliefert, in Israel an einem Freitag ankamen, zu spät für die
Ehrengäste nach Hause zu kommen ohne den Shabbat zu entheiligen. Die religiösen
Fraktionen rebellierten. Rabin führte natürlich die Partei-Liste an.
Dann geschah etwas. Es schien, dass nach Verlassen seines Jobs als Botschafter
in den US , bevor er Ministerpräsident wurde, Rabin in Amerika ein Konto
hinterlassen hat – etwas, was in jener Zeit ungesetzlich war. Rabins Frau wurde
angeklagt, Rabin nahm die Schuld auf sich selbst und trat zurück. Peres wurde
die Nummer 1 auf der Parteiliste und endlich war der Fels nahe an der
Bergspitze.
Am Abend nach der Wahl feierte Peres schon seinen Sieg, als etwas Unglaubliches
geschah. Menachem Begin, von vielen als Faschist angesehen, hatte gewonnen.
Der Fels rollt, wieder abwärts.
AM ABEND des 1982 -Libanon-Krieges (Während dem ich mich mit Yasser Arafat
traf) gingen die Oppositions-Führer Peres und Rabin , um Begin zu besuchen und
ihn aufzurufen , in den Libanon zu einzufallen .
Der Krieg endete mit dem Massaker von Sabra und Shatila und Begin fiel in eine
tiefe Depression. Er trat ab und wurde
gefolgt von einem anderen früheren Terroristen, Yitzhak Shamir. Eine Art von
Interregnum folgte, als keiner der beiden großen Parteien alleine regieren
konnte. Ein zwei-köpfiges Rotationschema entwickelte sich. Auf einer seiner
Dienstperioden als Ministerpräsident gewann Peres unangefochtene Lorbeeren als
der Mann, der Israels drei-stellige Inflation überwand und den Neuen Schekel
einführte, der noch heute unsere Währung ist.
Der Fels rollte wieder nach unten, als etwas sehr Hässliches geschah. Vier
arabische Jugendliche kidnappten einen Bus voller Leute und fuhren ihn nach
Süden. Der Bus wurde gestürmt. Die Regierung behauptete, dass alle vier währen
des Kampfes getötet wurden; aber ich
veröffentlichte ein Foto, das zeigte dass noch zwei von ihnen nach der
Gefangennahme am Leben waren. Es machte deutlich, dass sie kaltblütig vom
Geheimdienst umgebracht wurden.
Mitten während der Affäre folgte Peres Shamir, wie im Voraus bestimmt wurde.
Peres vermittelte ein Pardon für all die Mörder, einschließlich dem Chef des
Shin Bet.
Rabin kehrte zur Macht zurück , dieses Mal mit Peres als Außenminister. An einem
Tag bat mich Peres, er wolle mich sehen - ein ungewöhlicher Vorfall, da die
Feindschaft zwischen uns schon ein Teil einer Folklore war.
Peres lehrte mich über die Notwendigkeit, mit der PLO Frieden zu machen. Da dies
viele Jahre lang das Ziel meines Lebens war, während er unerbittlich dagegen
war, konnte ich konnte mich kaum beherrschen nicht zu lachen. Er erzählte mir
dann im Vertrauen über die Oslo-Verhandlungen und fragte mich, ob ich nicht
meinen Einfluss bei Rabin anwenden könne, um auch ihn zu überzeugen.
Peres hatte sicherlich Anteil an dem Abkommen, aber es war Rabin, der die
momentale Entscheidung traf – und mit seinem Leben bezahlte.
In meiner Vorstellung sehe ich den Mörder am Fuß der Treppe warten mit seiner
geladenen Pistole. Er ließ Peres ein paar Meter von ihn
vorbeigehen und wartete auf Rabin, der
ein paar Minuten später kam.
Das Nobelpreis-Komitee entschied vorher, den Friedenspreis an Arafat und Rabin
zu geben. Peres Bewunderer in aller Welt verursachten ein Skandal bis das
Komitee Peres mit auf die Liste stellte. Gerechtigkeit verlangte, dass Preis
auch an Mahmoud Abbas zu verleihen, der das Abkommen mit Peres unterzeichnet
hatte. Aber die Statuten erlaubten nur drei Preisträger. Also bekam Abbas auch
keinen Nobelpreis Er protestierte nicht.
Nach Rabins Tod wurde Peres vorübergehend Ministerpräsident. Wenn er sofort zu
den Wahlen aufgerufen hätte, würde er durch einen Landslite gewonnen haben.
Aber Peres wollte nicht über die coattails eines Toten reiten. Er wollte für
sein eigenen Verdienste gewinnen, Er verschob die Wahlen um ein paar Monate. Das
war die große Gelegenheit seines Lebens. Schließlich und endlich traf er die
Entscheidungen. Es war eine Katastrophe.
Zuerst gab er Order, um den „Ingeneur“, ein gefeierter palästinensischer
Kämpfer („Terrorist“). Zu töten. Als Konsequenz wurden im ganzen Land Busse in
die Luft gejagt, Dann überfiel er den Libanon, eine Operation, die mit einem
schrecklichen (versehentlichem) Massaker in Kafr Kana endete.
In den anschließenden Wahlen, verlor er an Benjamin Netanjahu.
(Um noch meinen Scherz los zu werden: „Wenn eine Wahl verloren gehen kann, dann
verliert Peres sie. „Wenn eine Wahl nicht verloren gehen kann, wird Peres sie
trotzdem verlieren“
ICH HASSTE Peres nie. Ich glaube, dass er mich nicht hasste. Die Feindseligkeit
war zwischen uns rein politisch.
Von Zeit zu Zeit begegneten wir einander. Einmal feierte der Dirigent Zubin
Mehta und seine neue Frau lud meine Frau und mich in seine Wohnung. Als wir
ankamen, war ich erstaunt, zu entdecken, dass außer uns nur Shimon Peres und
seine Frau Sonia dort waren. Es war ein interessanter Abend. Peres stellte sich
als ein amüsanter Gesprächspartner, voller sardonischem Humor. Er beschrieb
ausführlich ein Treffen des Kabinetts mit Henry Kissinger und das Verhalten der
Minister, einen nach dem anderen. Ein Minister verbrachte das Treffen mit dem
Säubern seiner Fingernägel, ein anderer aß die ganze Zeit usw,
Eine der Legenden, die er mit grosser Bemühung vervreitete, war
dass er ein eifriger Leser war: er las
alle bedeutenden Bücher, sobald sie erschienen sind. Die New York Times lobte
ihn nach seinem Tod als den "politischen Philosophen". Die Wahrheit ist, dass er
überhaupt keine Bücher las. Einer seiner nahen Assistenten Boaz Appelboim
verriet, dass sein Job war, die Bücher zu lesen und für Peres eine kurze
Zusammenfassung zu machen mit einem Zitat oder zwei, die Peres erlaubten,
während der Konversation Bemerkungen zu machen. Dies ließ einen tiefen Eindruck
zurück.
Dies wird von einer einfachen Beobachtung bestätigt. Wenn eine Person Bücher
liest, so äußert sich das auf die eine oder andere Weise. Nichts davon konnte in
in den unzähligen Reden von Peres entdeckt werden.
(Tatsächlich hatte kein aktiver Politiker Zeit zum Lesen. Ben Gurion gab auch
vor, ein Mann des Buches zu sein, ein Bibel-Kommentator und ein Erneuerer der
hebräischen Sprache. Er erzählte uns, dass er Spanisch gelernt habe, für den
einzigen Zweck, Don Quixote im Original zu lesen. Aber Ben Gurion war auch ein
Politiker – ein politisches Genie, aber nicht mehr als dies.
Eine der wirklichen Talente von Peres war seine Fähigkeit, kluge Phrasen zu
bilden. Es gibt Hunderte von ihnen von „der Neue Nahe Osten“, die keinerlei
Substanz hatte, bis zum „schweinischen Kapitalismus“, eine Phrase, die ihn
nicht daran hinderte, sich mit den Reichen der Welt zu verbrüdern.
BEI ALL seinen Wahl-Kampagnen, wurde Peres verflucht und missbraucht. Leute
bewarfen ihn mit faulen Tomaten. Einmal beklagte er sich über „ein Meer von
obszönen Östlichen Gesten“ – die ihn sogar noch unbeliebter von den Östlichen
Bürgern machte.
Während dieser Zeit tat Peres etwas Weises: Er unterzog sich einer
Plastikoperation. Danach sah er bemerkenswert besser aus.
Die Endblamage kam, als Peres vor einer Wahl des Präsidenten des Staates stand.
Der Präsident, eine zeremoniöse Figur, von jeder wirklichen Macht beraubt, wird
von der Knesset gewählt. Doch Peres verlor, und ein Likud Partei Funktionär mit
Namen Mosche Katzav wurde gewählt. Das schien eine letzte Beleidigung zu sein.
Aber dann geschah wieder das Unglaubliche. Moshe Katzav wurde verhaftet und der
Vergewaltigung angeklagt. Bei der folgenden Wahl wählte die Knesset Peres, was
wie eine kollektiefe Reue aussah.
Der Fels hatte die Spitze des Berges erreicht. Mit seiner gewöhnlichen
unermüdlichen Energie, hat Sisyphus schließlich gewonnen. Der lebenslange
Politiker, der niemals eine Wahl gewann, war jetzt neuer Präsident – und über
Nacht wurde er populär, der Liebling der Massen. Es war wie ein Wunder.
Er pflegte seine neue weltweite
Berühmtheit, die für die Netanjahu-Regierung und ihre Politik der Besatzung und
Unterdrückung als Feigenblatt diehnte, während er als der Mann des Friedens im
Ausland verehrt wurde.
Peres hatte mehrere Jahre, um sich an der neuen Liebe des Volkes zu erfreuen,
sein lebenslanges Ziel.. Und dann kam der Schlaganfall.
Seine Beerdigung wurde ein erstklassiges nationales und internationales
Ereignis. Peres wurde als einer der größten Männer der Welt gekrönt, als letzter
Mann des Friedens, als einer der Gründer des Staates Israel, als ein großer
Denker, er könnte ein Charakter einer Shakespeare Gestalt sein.
Sisyphus wurde beerdigt. Und der Fels bleibt auf der Bergspitze.
(dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)