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Die anti-semitischen Zionisten

Uri  Avnery,

 31. Dezember 2016

WAS MICH wirklich erstaunte, war der Applaus.

Die Vertreterr der ganzen Welt saßen da am runden Tisch und applaudierten  ihrem eigenen Werk, der Resolution, die sie gerade einstimmig angenommen haben. Der Sicherheitsrat ist wie die Knesset nicht daran gewöhnt zu applaudieren oder an irgendeinen  anderen  spontanen Ausbruch. Doch sie klatschten  mit ihren Händen wie Kinder, die gerade ihr Weihnachtsgeschenk erhalten haben.

(Es war tatsächlich ein Tag vor Weihnachten und der erste Tag von Chanukka, ein Zufall, der zufällig von Zeit zu Zeit passiert, weil die Christen den Kalender nach der Sonne richten, die Juden  noch immer einen modifizierten  Mondkalender haben.)

Die Vertreter waren unerhört glücklich. Sie hatten  gerade etwas erreicht,  dem sie seit vielen Jahren ausgewichen sind: die Verurteilung eines eklatanten Bruches des internationalen Gesetzes durch die Regierung von Israel.

Aufeinanderfolgende Präsidenten der US waren ihre anachronistische Veto-Macht gewöhnt, die die UN daran hinderte, ihre Pflicht zu tun. Jetzt wagte Präsident Barak Obama  am Ende  seiner Präsidentschaft die Regierung von Benjamin Netanjahu, eine Person, die er aus ganzem Herzen  verachtete, herauszufordern.

Und  so kann nach Jahren der Frustration die höchste internationale Körperschaft eine Resolution zu Israel annehmen, die seinen Überzeugungen entspricht.  Kein Wunder, dass sie sich  wie Schulkinder benehmen, die in die Ferien entlassen werden.  Ferien die sich  leider  als sehr kurz beweisen können.

ANSCHEINEND WAR die Freude übertrieben. Die Resolution hat fast keine praktische .Bedeutung;. sie hat  keine Zähne. Netanjahu konnte seine alten orientalischen Sprichwörter benützen: „ Die  Hunde bellen und die Karavane zieht weiter“-

Aber Netanjahus unmittelbare Reaktion war sehr anders.  Er handelte wie ein  verwundetes Tier:  er drehte durch, rannte herum, biss jeden, der ihm zu nahe kam.

Einige seiner Reaktionen grenzte ans Lächerliche.  Er hätte die Resolution schlecht machen  können  und  Spaß daraus machen, wie es andere  israelische Führer  vor ihm viele Ma gemacht haben. Stattdessen kündigt er seine Botschafter  aus Senegal und Neu-Seeland (traditionell freundliche Nationen) streicht Besuche  von ausländischen  Staatsmännern, ruft ausländische Botschafter  für einen Rüffel am Weihnachtstag,  warf mit Beleidigungen um sich und beleidigte  besonders Präsident Obama.

Dies war offensichtlich eine dumme Sache.   Der  Präsident hat noch 21 Tage im Amt. 21 lange Tage, um Netanjahu zu verletzen. Er könnte zum Beispiel die Passage einer endgültigen UN-Resolution erlauben, um den Staat Palästina  als volles Mitglied  der UN anzuerkennen. Das kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.  Im Augenblick ist das ganze offizielle Israel in einem panischen Zustand aus Angst vor einem solchen Schritt.

Wenn Netanjahu Machiavelli gelesen hätte, würde er gewusst haben, dass man keinen Löwen herausfordern darf, wenn man nicht in der Lage ist, ihn zu töten. Besonders – würde ich hinzufügen – wenn man diesen Löwen schon oft beleidigt hat. Ja selbst Löwen werden manchmal wütend.

Aber Netanjahus Verhalten kann nicht so dumm sein, wie es aussieht. Tatsächlich kann es sogar klug sein. Das hängt von  seinem Ziel ab.

Als  diplomatische Strategie ist sie katastrophal. Doch  als eine. Strategie, um Wahlen zu gewinnen, ist sie  ziemlich sensibel. Hier ist der große Held, der neue König  David,  der für sein Volk kämpft, der sich gegen die ganze Welt stellt. Gibt es noch jemanden in Israel, der sich mit ihm vergleicht?

 

IN DEN schlimmen  alten Tagen von Golda Meir  sang die israelische Armee-Band  ein lustiges Lied, das mit den Worten begann: „Die ganze Welt ist gegen uns / aber wir scheren uns nicht darum…“Die  Armee-Band tanzte zu der Melodie.

Aus  irgendeinem Grund empfinden Juden mit einer weltweiten Verurteilung  Zufriedenheit. Es bestätigt, was wir die ganze Zeit wussten: dass alle Nationen der Welt uns hassen. Es zeigt,  wie  speziell und überlegen  wir sind.  Es hat nichts mit unserm eigenen Verhalten zu tun, Gott  bewahre! Es ist  nur reiner Antisemitismus.

Netanjahu ist  mehr Golda als Golda. Die alte Dame schaut nun voller Neid vom Himmel ( oder von sonst wo) auf ihn.

 

ZIONISMUS WAR dafür gedacht, Israel von diesen alten jüdischen  Komplexen zu befreien.  Wir wollten wie eine normale Nation werden, Israelis anstelle von „Exil“-Juden, von andern Nationen bewundert.  Es scheint so, als sei es uns nicht  ganz gelungen.

Aber da gibt es eine große Hoffnung. Tatsächlich eine riesige Hoffnung. Sie hat einen Namen; Donald Trump.

Er hat schon  gezwitschert, dass wenn er die Macht übernimmt, sich alles, was die  UN betrifft ändern würde.

Aber  wird dies so?  Weiß irgendjemand  - einschließlich mir -  wirklich, was er vor hat? Kann Netanjahu ganz sicher sein?

Es stimmt, dass er einen fanatischen jüdisch-amerikanischen ultra-rechten Zionisten als  Botschafter nach Tel Aviv (oder nach Jerusalem) schicken will.  Eine so extreme Person vom rechten Flügel, dass Netanjahu im Vergleich wie ein Linker aussieht.

Aber zur selben Zeit hat Trump als seinen nächsten  Assistenten einen weißen Rassisten mit vollen antisemitischen Zeugnissen ernannt.

Vielleicht hängt dies – wie einige glauben - ganz von Trumps Stimmung ab. Wer weiß, in welcher Stimmung er an dem Morgen der ersten bedeutenden  UN- Abstimmung über Israel sein wird? Wird er  Trump der Zionist sein oder Trump der Anti-Semit?

TATSÄCHLICH  KANN er beides sein. Wirklich, kein Problem.

Das  erklärte Ziel des Zionismus‘ ist, alle Juden der Welt  im jüdischen Staat zu sammeln. Das erklärte Ziel  der Antisemiten ist, die Juden aus all ihren Ländern  zu vertreiben. Beide Seiten wünschen  also dasselbe. Kein  Konflikt.

Theodor Herzl, der Gründungsvater des Zionismus, erkannte dies von Anfang an an. Er ging  ins zaristische Russland, das von Antisemiten  regiert wurde und bot ihnen ein Geschäft an: wir nehmen die Juden aus euren Händen,  ihr helft uns,  sie zu überzeugen, dass sie auswandern. Das war am Höhepunkt der mörderischen Pogrome.  Aber die Juden, die Russland verließen,  gingen en masse nach Amerika, sehr wenige  kamen ins ottomanisch beherrschte Land Palästina.

Dies war kein einzigartiges Kapitel. Während der zionistischen Geschichte wurden viele Versuche  gemacht, die Antisemiten zu gewinnen, bei der Erfüllung des zionistischen Projektes  zu helfen.

Noch bevor die zionistische Bewegung geboren wurde, predigten amerikanische und britische Evangelisten von der Einsammlung der jüdischen Exilanten in das Heilige Land. Herzl mag von ihnen inspiriert worden sein. Doch diese Botschaft der Erlösung der Juden hatte eine geheime Klausel. Die Rückkehr der Juden nach Palästina würde das zweite Kommen des Christus erlauben.  Aber dann  würden die Juden zum Christentum konvertieren. Diejenigen die sich weigern, würden vernichtet werden.

IM JAHR 1939, als die Nazi-Gefahr offensichtlich wurde, rief der extreme zionistische Führer Vladimir (Ze’ev) Jabotinsky seine Anhänger in Polen zu einem Treffen. Die Anführer des Irgun-Untergrunds in Palästina  waren dabei. Einer von ihnen war Abraham Stern, dessen Kriegsname Yair war.

Das Treffen entschied, sich den antisemitischen Kommandeuren der polnischen Armee zu nähern und ihnen einen Deal anzubieten: Ihr bewaffnet und trainiert polnische Juden, und wir werden Palästina befreien und  die polnischen Juden nach dort transportieren. Die Offiziere waren damit einverstanden und Trainingslager wurden in Polen aufgebaut. Der 2. Weltkrieg machte dem Plan ein Ende.

Mit dem Ausbruch des Krieges ordnete Jabotinsky, (ein wahrer Anglophil trotz allem)  dem Irgun an, alle Aktionen  zu stoppen und mit den Briten zusammen zu-arbeiten. Stern schlug das Gegenteil vor. Sein Glaube war: unser Feind ist Großbritannien. Der Krieg gibt uns eine Möglichkeit, die Briten hinauszutreiben. Der Feind unseres Feindes ist unser Freund. Adolf Hitler ist zwar ein Anti-Semit, aber jetzt ist er unser potentieller Verbündeter.

Sterns Annäherung verursachte eine Spaltung in dem Irgun. Eine wilde Debatte brach  in allen geheimen Zellen aus. Als 16jähriges Mitglied nahm ich daran teil. Als ein Flüchtling aus dem Nazi-Deutschland lehnte ich Sterns Thesis ab.

Stern gründete seine eigene Gruppe (die später Lehi, genannt wurde; es sind die hebräischen Initialen von „Kämpfer für die Freiheit Israels“, auch als die „Sternbande“ bekannt.) Er sandte einen Emissär in die neutrale Türkei, wo er dem  deutschen Botschafter einen Brief für „ Herrn Hitler“ aushändigte und Zusammenarbeit anbot. Der Führer antwortete nicht. Das war natürlich vor dem Holocaust.

Stern wurde von den Briten gefangen genommen und „auf der Flucht erschossen". .Als der Krieg endete und das sowjetische Russland der Feind der Briten und des Westens wurde, näherten sich Sterns Erben Stalin und boten Zusammenarbeit an. Stalin, dessen Antisemitismus zu jener Zeit ausgeprägter hervortrat, ignorierte das Angebot.

Während des Krieges hatte Adolf Eichmann, der SS-Offizier, einer der Architekten des Holocaust, den Auftrag, den Transport der ungarischen Juden nach Auschwitz zu organisieren. In Budapest stellte er den Kontakt mit einer Gruppe Zionisten her, die von Israel Kastner angeführt wurde. Mit ihm machte Eichmann  ein Abkommen aus.  Als eine Geste des guten Willens erlaubte er ihm, ein paar Hundert Juden in die neutrale Schweiz zu senden.

Eichmann sandte ein Mitglied der Gruppe, Joel Brand, nach Istanbul mit einem verrückt aussehenden Angebot der zionistischen Führung in Jerusalem: Falls die Verbündeten den Nazis tausende LKWs lieferten (mitten im Krieg!), würde die Deportation der ungarischen Juden gestoppt werden.

Im Gegensatz zu seinen Instruktionen überquerte Brand die Grenze ins  britisch besetzte Syrien und wurde dort von den Briten verhaftet. Die Deportation der ungarischen  Juden – zehn Tausend am Tag – ging weiter.

Was war die Absicht der Nazis bei dieser bizarren Affäre?  Meine eigene Theorie ist die, dass Heinrich Himmler schon entschieden  hatte, Hitler zu entmachten und einen Separatfrieden mit den westlichen Verbündeten zu machen.  Eichmann war bei seinem Plan behilflich, Kontakt mit den Verbündeten zu schaffen. Als ein waschechter  Anti-Semit, war Himmler auch davon überzeugt, die Juden würden die Welt kontrollieren.

Einige Zeit nach dem Krieg schrieb Eichmann in israelischer Gefangenschaft seine Memoiren. Er stellte fest, er glaube, die Zionisten wären das „biologisch positive“ Element der jüdischen Rasse.

Mahmood Abbas, der übrigens ein Student der Moskauer Universität war, schrieb  eine Doktorarbeit über die Zusammenarbeit mit den Nazi-Zionisten.

Kann TRUMPS  Assistent jetzt die wilden Zionisten und die wilden Anti-Semiten zur selben Zeit einschließen.

Natürlich können sie das.

In der vergangenen Woche verurteilte unser ultra-rechter Verteidigungs-Minister, Avigdor Lieberman, den  französischen Plan, in ein paar Tagen in Paris eine Konferenz über einen israelisch-palästinensischen Frieden einzuberufen. Die israelische Regierung fürchtet, dass dort der US-Außenminister John Kerry einen detaillierten praktischen Plan für ein Friedensabkommen überreichen wird, einschließlich  des Aufbaus des Staates Palästina. Dieser Plan würde von der Konferenz angenommen werden und dann vom UN-Sicherheitsrat.

Dies würde Präsident Obamas Abschieds-Schuss sein. Kein Veto.

Vor Wut brennend vergleicht Lieberman dies mit der Dreyfus-Affäre. Vor etwa 120 Jahren wurde ein jüdischer Offizier in der französischen Armee fälschlicher Weise der Spionage für Deutschland  schuldig gesprochen und zur Teufelsinsel in Französisch Guiana gesandt. Er wurde später freigesprochen. Die zionistische Mythologie besagt, dass Theodor Herzl, der damals der Pariser Korrespondent einer Wiener Zeitung war, von dem Ereignis so erschüttert war, dass er von der zionistischen  Idee  inspiriert wurde.

Die bevorstehende Pariser Konferenz, behauptete Lieberman wütend, sei die Dreyfus Affäre noch einmal, nur dieses Mal gegen das ganze jüdische Volk

Doch Donald Trump kümmert sich nicht darum; er und seine anti-semitischen Zionisten werden alles wieder in Ordnung bringen.

(dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert.)