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Uri Avnery, 7. Mai 2016
ANTISEMITEN
bringen mich zum Laschen. Sie sind
so komisch.
Ich weiß, dass viele diese Erklärung ärgerlich finden, wenn nicht gar unmöglich,
wenn man all die schrecklichen Dinge betrachtet, die durch Antisemiten im Laufe
der Jahrhunderte geschehen sind, einschließlich des Holocaust. Aber heutzutage,
ist es gerade nur lächerlich.
Die Dinge, an die sie glauben. Die Dinge, die sie sagen. Lächerlich.
NEHMEN WIR den Ex-Bürgermeister von
London, Ken Livingstone. Die Dinge, die er sagt, sind lächerlich. Selbst für
einen Politiker.
Zum Beispiel sagt er, dass Adolf Hitler ein Zionist gewesen wäre, oder ein
Zionismus-Unterstützer.
Hitler? Ein Zionist?
Adolf Hitler war ein pathologischer Hasser von Juden und allem Jüdischen.
Tatsächlich war sein Antisemitismus so zentral in seinem Glauben, dass dies
alles andere überwand.
Während er schon der militärischn Endniederlage von 1945 gegenüberstand, nahm er
Züge von militärischen Aufgaben weg, um Juden in die Vernichtungslager zu
transportieren.
Einige glauben, dass er den Krieg
(und die Weltherrschaft) wegen seines Antisemitismus‘ verloren hat. Wenn die
jüdischen Wissenschaftler – wie Albert Einstein – in Deutschland als deutsche
Patrioten geblieben wären, hätte Hitler die Atombombe wahrscheinlich vor den
Amerikanern verwirklicht. Das würde die Weltgeschichte verändert haben.
Keiner weiß, woher sein Hass gegen die Juden kam. Er liebte den jüdischen Arzt
seiner heiß geliebten Mutter. Als er seinen Traum pflegte, ein großer Maler zu
werden, hatte er einen jüdischen Freund, den er auch in seiner Wohnung besuchte.
Irgendwann wurde er ein bodenloser Judenhasser. Es gibt viele Theorien, aber
keine wirkliche Antwort. Aber es geschah sehr früh, als er noch in Wien war.
Die Idee, dass diese Person in irgendeiner Phase ein Liebhaber zionistischer
Juden war, ist jenseits jeder absurden Vorstellung.
WIE VIELE
Absurditäten, enthalten diese ein Körnchen Wahrheit.
Vor dem Holocaust wünschten sich die Antisemiten, die Juden aus Europa zu
vertreiben. Das Wesentliche des Zionismus‘ ist, die Juden aus aller Welt nach
Erez Israel (Palästina) zu bringen. Darum hatten diese beiden Bewegungen etwas
gemeinsam.
Theodor Herzl, der Gründer der zionistischen Bewegung, verstand dies von Anfang
an. Er besuchte das antisemische zaristische Russland, um führende Politiker
dort zu überzeugen, ihm zu helfen,
und versprach ihnen, sie von ihren Juden zu befreien.
Im Laufe der Zeit wurden viele solche Bemühungen gemacht. Eine wenig bekannte
wurde am Vorabend des 2. Weltkrieges gemacht, als die zionistische
Untergrundbewegung Irgun vom rechten Flügel (voller Name: Nationale
Militär-Organisation) zu einem Abkommen mit der antisemitischen Führung der
polnischen Armee kam. Militärische Trainingszentren für junge Juden wurden in
Polen errichtet – mit der Idee, sie für eine Invasion von Palästina
vorzubereiten, um einen Judenstaat zu errichten, der die polnischen Juden
aufnehmen würde. Der Krieg hat diese Bemühung vorzeitig abgebrochen.
Zur selben Zeit war der berüchtigte Adolf Eichmann in Wien dabei, „die jüdische
Frage“ zu lösen. Er nahm den Juden all ihren Besitz und erlaubte ihnen zu
emigrieren. Später, fast am Ende des Krieges, machte er den zionistischen
Führern in Budapest das absurde Angebot: falls die Alliierten zehn Tausend LKWs
nach Nazi-Deutschland schicken, würde er die Vernichtung der ungarischen Juden
(zehntausend Juden am Tag) stoppen. Meine Meinung dazu ist, da es in
Wirklichkeit ein Teil einer verdeckten Bemühung von Heinrich Himmler war, mit
den West-Alliierten einen separaten Frieden zu machen.
Nachdem er in Argentinien gekidnapped wurde, schrieb Eichmann in seinem
israelischen Gefängnis eine faszinierende Autobiographie, in der er sagte, dass
er immer die Zionisten, den andern Juden vorzog, weil sie eine positivere
biologische Substanz der Juden darstellten.
Die direkteste Verbindung zwischen Nazis und Zionisten kam sehr früh. Als die
Nazis in Deutschland zu Beginn von 1933 zur Macht kamen, erklärten die
amerikanischen Juden einen Boykott der deutschen Waren. Die Nazis reagierten mit
einem Ein-tagelangen Boykott jüdischer Geschäfte in Deutschland. (Ich erinnere
mich daran, weil mein Vater mich an diesem Tag zu Hause behielt.)
Zur selben Zeit wurde ein offizieller Vertrag zwischen Nazideutschland und der
zionistischen Führung unterzeichnet. Er wurde „Transfer“ (Ha’avara auf
Hebräisch) genannt. Nach ihm war es reichen deutschen Juden erlaubt, einen Teil
ihres Geldes nach Palästina in Form von deutschen Waren zu transferieren. Dies
brach den anti-deutschen Boykott, aber es war ein großer Beitrag für die kleine
jüdische Wirtschaft in Palästina.
Dieses bleibt bis zum heutigen Tag ein umstrittenes historisches Kapitel.
Zionisten vom rechten Flügel verurteilen das Abkommen, obwohl sie selbst von
Führern des linken Flügels, der die zionistische Gesellschaft in Palästina
regierte, „Faschisten“ genannt wurden. Das Abkommen half sicher der
zionistischen Wirtschaft zu überleben, bis der 2. Weltkrieg ausbrach; und die
große britische Armee in Ägypten verzweifelt all die Produkte benötigte, die wir
produzieren konnten.
ALL DIESE
Ereignisse kamen nicht in die Nähe einer Liebesgeschichte zwischen den Zionisten
und den Nazis. Schon allein der Gedanke ist verrückt.
Bis zum 2. Weltkrieg konnte Hitler nur davon träumen, Juden
en masse
zu töten. Es war undenkbar. Er musste damit zufrieden sein, die Juden aus
Deutschland oder aus Europa zu vertreiben, wie es mehrere Male vorher in
Spanien, in England und in vielen anderen Ländern geschah.
Der offensichtliche Bestimmungsort war Palästina, aber Palästina wurde von
Großbritannien beherrscht, das nur wenige Juden ins Land ließ, aus Furcht vor
arabischen Reaktionen. Zu der Zeit gewann eine andere Möglichkeit die
Popularität bei der Nazi-Führung: ein Transport aller Juden nach Madagaskar, das
damals Teil eines französischen Empire war. Daraus wurde nichts.
All dies veränderte sich vollständig, als der Krieg ausbrach. Eine neue Realität
entstand. Mit der Invasion in die
Sowjet-Union durch Nazi-Deutschland (1941) wurde das Leben billig. Die Genfer
Konventionen über eine zivilisierte Kriegsführung wurden über Bord geworfen.
Hundert Tausende und dann Millionen mordeten einander.
Für Hitler war dies eine Gelegenheit, an die er vorher vielleicht nicht zu
denken gewagt hatte. Transferiere die Juden nicht, töte sie. Das war der Beginn
des Holocaust durch Massenerschießungen, Verhungern, Krankheiten und dann die
Gaskammern.
Er brauchte niemanden, der ihn drängte. Vor kurzem verbreitete sich die
Geschichte, dass Hitler vom Großmufti von Jerusalem, Hadj Amin al-Husseini, ein
echter Semit, angetrieben wurde, das ist so lächerlich wie alle anderen
Geschichten.
HITLER HATTE
keinen originellen Geist. Es war nichts wirklich neu in seiner Anschauung.
Antisemitismus ist so alt wie das Christentum. Es war lange Zeit ein integraler
Teil von ihm. und ist es vielleicht noch immer.
Jeshua Ben-Josef, bekannt als Jesus, war ein Jude. Als er wegen Gotteslästerung
gekreuzigt wurde, hielt eine kleine jüdische Gemeinde in Jerusalem an seiner
Lehre fest. Sie wurden vom jüdischen Establishment in Jerusalem verfolgt und
zwischen den beiden Seiten entstand ein fanatischer Hass.
Dies würde eine historische Bagatelle gewesen sein, wenn es nicht etwas
Außerordentliches gegeben hätte. Mit der Hilfe eines anderen jüdischen Rabbi,
Saul, der seinen Namen in Paulus veränderte, wurden die Nachfolger des Jesus
eine Welt-Religion. Die alte Kultur der vielen Götter brach zusammen. Die
abstrakte jüdische Religion zog viele Patrizier an, aber die Massen der Sklaven
und Proletarier waren von der Geschichte des gekreuzigten Sohnes Gottes und
seiner jungfräulichen Mutter entzückt. Das Christentum gewann und mit ihm der
Hass gegen die Juden
Es ist mein Glaube, dass kein christlicher Junge und Mädchen, die in ihrer
Kindheit dieser Furcht-einflößenden Geschichte der Juden ausgesetzt waren, die
nach dem Blut des sanftmütigen Jesus schrien, nie vollständig sich vom Hass
gegen die Juden befreien konnten.
Und tatsächlich ist Judenhass ein Merkmal des Christentums durch die
Jahrhunderte. geworden. Massenvertreibungen, der Mord an Juden durch die
Kreuzritter in Deutschland und Palästina, die spanische Inquisition, die
russischen Pogrome, dem Holocaust und unzähligen
anderen Manifestationen begleiten die jüdische Geschichte. (Trauriger
Weise sind die Juden im modernen Israel nicht immun gegen den Hass gegen die
anderen. )
Ich möchte noch einmal betonen,
dass nichts davon in muslimischen Ländern geschah. Als ich dies vor kurzem
betonte, griffen mich einige
Professoren orientalisch-jüdischen Ursprungs wütend an. Sie brachten etwa ein
halbes Dutzend Beispiele von muslimischen Herrschern, die Juden misshandelten –
ein halbes Dutzend in 1400 Jahren! Es scheint, dass einige Orientalen die
europäischen Juden um ihr Leiden beneideten und wünschten, mit ihnen auch darin
konkurrieren wollten.
Pogrom ist kein arabisches Wort. Es ist russisch.
ZURÜCK ZU
den heutigen Antisemiten.
Man könnte gehofft haben, dass nach dem Holocaust, sie just verschwinden würden.
Aber jetzt sind sie noch einmal hier – in verschiedenen
Erscheinungen.
Es ist nicht so sehr, was sie sagen. Es ist der Ton, der die Musik macht.
Man kann mit ihren Argumenten streiten. Sicher. Es gibt einige unerfreuliche
Fakten. Gewiss. Aber es ist die Musik, die Ausschlag gebend ist. Ah, die Musik.
Man kann anti-Israel sein. Warum nicht? Man kann gegen die Politik der auf
einander folgenden israelischen Regierungen sein. (Wie ich). Man kann
anti- zionistisch sein. Doch muss man deutlich machen, welche Art von
Zionismus man nicht liebt. Aber all dies hat nichts mit dem realen
Antisemitismus zu tun
Einige Leute mit einer echten konspirativen Weltanschauung – die ich leider
nicht habe - könnten Gründe anführen, dass der heutige
Antisemitismus von Zionisten
finanziert wird , um die Juden von
dort, wo sie sind, nach Israel zu treiben.
Wenn man so viele Leute am Tel Aviver Strand Französisch sprechen hört, könnte
man vermuten, dass sie damit Erfolg
haben.
(dt. Ellen Rohlfs; vom Verfasser autorisiert)