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Der zögernde Boykottierende: Warum ein liberaler Zionist jetzt BDS unterstützt

Larry Derfner_08.02.2016 (Ha'aretz)

 

http://www.haaretz.com/opinion/.premium-1.702155

Damit, dass sie die Besatzung 'unhaltbar' nennen, erleichtern liberale Zionisten ihr Gewissen und entschuldigen ihre Zögerlichkeit damit, dass sie sich sagen, (die Besatzung) könne nicht (auf Dauer) bleiben. Aber sie wird bleiben, solange wir nicht anfangen, wie Radikale zu handeln.

 

Unter den liberalen Zionisten hat in den letzten Wochen ein Erwachen begonnen. Einflussreiche Stimmen aus diesem Lager, vor allem in Übersee, aber auch hier, haben scheinbar die Geduld mit Israel und seiner Besatzung verloren. Sie haben angefangen ihre Meinung zu dem endgültigen Ziel der liberalen Zionisten zu äußern – die Zwei-Staaten-Lösung – auf eine Art, die allgemein als radikal gilt.

Roger Cohen, ein Kolumnist der New York Times, nimmt jetzt an der Boykott-Bewegung teil. Unter Bezugnahme auf einen neueren Bericht von Human Rights Watch rief er dazu auf, auf internationale Unternehmen Druck auszuüben, "damit sie ihrer Verantwortung bezüglich der Menschenrechte nachkommen und ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit Siedlungen beenden".

David Remnick, Herausgeber und Starschreiber des Magazins The New Yorker schrieb ein Profil des Vorsitzenden der Joint Arab List, Ayman Odeh, was implizit auch eine politische Unterstützung für ihn war. "Odehs Botschaft baut auf dem Gut auf, das nach dem Wasser in der Wüste das seltenste ist: Hoffnung", schrieb Remnick. Noch bemerkenswerter war die wenig schmeichelhafte Darstellung des Autors von der Sicht der Araber, wie sie der Führer der Zionstischen Union, Isaak Herzog hat. Der Artikel verweist auf die "flapsige Herablassung" Herzogs gegenüber Odeh und seine häßlichen Bemerkungen über Araber in der Wahlkampagne des letzten Jahres (er habe die "arabische Mentalität" verstanden und als Soldat die Araber durch "das Fadenkreuz" seiner Waffe gesehen).

Amos Schocken, Herausgeber von Ha'aretz schrieb einen Essay, der für einen israelische Zeitungsherausgeber durchaus einen Aufbruch anzeigt, und dessen Titel alles sagt: "Nur internationaler Druck wird die israelische Apartheid beenden."  

Und ich möchte zu dieser Liste Ban Ki-moon hinzufügen, den Generalsekretär der Vereinten Nationen, der die heiligste der heiligen israelischen Propaganda in Frage stellt, nämlich dass der palästinensische Terror und nicht die israelischen Eroberung  die Wurzel des Konflikts ist. "So wie es unterdrückte Völker durch die Zeiten demonstriert haben, gehört es zur menschlichen Natur auf eine Besatzung zu reagieren", sagte Ban, und brachte damit die palästinensische Sache in Verbindung mit den antikolonialen Bewegungen in der Geschichte.

Ich weiß nicht, ob dieser Trend unter liberalen Zionosten und Freunden Israels wachsen oder im Sand verlaufen wird, aber ich bin überzeugt, dass der einzige Weg die Besatzung zu beenden, der des Volkes ist, das weiß, dass sie (die Besatzung) falsch und unmoralisch ist, und schließlich aufhört zweideutig zu reden. Ich meine, wenn Barack Obama, Angela Merkel, Francois Hollande und zahllose andere lberale Politiker, Diplomaten und Kommentatoren laut sagen würden, was sie wirklich über die israelische Politik gegenüber den Palästinensern denken, und nach diesen Überzeugungen handeln würden, würde die Besatzung beendet. Angesichts der Drohung schwerer Sanktionen durch den Westen, würde Israel im Westjordanland und um Gaza herum die Arme verschränken (nichts tun).

Aber das liegt in weiter Ferne. Wäre ich ein Buchmacher, würde ich wetten, dass es niemals geschieht. Aber es hat in der Geschichte schon viel größere Kehrtwenden gegeben; niemand kann sagen, dass es nicht auch hier geschehen kann.

Was wir aber sagen können, ist, dass es nicht so, wie sich die Dinge zur Zeit entwickeln, geschehen wird. Es wird nicht unter der Führung von Isaac Herzog, Tzipi Livni und Yair Lapid geschehen; sie gehen rückwärts und bieten den Palästinensern ständig weniger an als das, was diese in der Vergangenheit zu Recht zurückgewiesen haben. Es wird auch nicht oder nicht so schnell unter der Führung der Vereinten Staaten geschehen, wo die Androhung von Sanktionen für Israel bisher als gleichbedeutend mit Verrat gesehen wird.

Man müsste Europa und einen großen Teil der Partei der Demokraten so weit bringen, dass sie Sanktionen über Israel verhängen, was bedeuten würde Israel zu zwingen; die Liberalen müssen anfangen zu reden und mehr zu handeln wie Radikale – nicht was ihre Ziele anlangt, sondern ihre Taktiken.

In diesen verzweifelten Zeiten ist der nächste Schritt für die Unterstützer der Zwei-Staaten-Lösung nicht die Befürwortung der Ein-Staat-Lösung, sondern im Interesse der Zwei-Staaten-Lösung mit der entsprechenden Verzweiflung zu sprechen und zu handeln.

Ich befürworte nicht gerne den Boykott meines eigenen Landes, aber als mir vor ein paar Jahren klar wurde, dass weder das israelische Friedenslager noch das weiße Haus die Besatzung beenden würden, hatte ich die Wahl entweder den Boykott oder den status quo auf ewig zu unterstützen, und ich habe das erstere gewählt.

Ich bin ein liberaler Zionist, ich möchte, dass Israel ein jüdischer Staat bleibt, und ich unterstütze den Boykott in jeder Form, weil es das Einzige ist, das das Potential hat,  die Welt schrittweise zu überzeugen, ein Ende der militärischen Diktatur (bekannt als Besatzung) zu erzwingen.  

Ich habe ernste Probleme mit der BDS-Bewegung – aber nicht annähernd so ernste wie die, die ich mit der Besatzung habe. Die BDS-Bewegung möchte den jüdischen Staat abbauen, der Westen nur die Besatzung – und nur der Westen und nicht die BDS-Bewegung kann Israel seinen Willen aufzwingen.

Letzlich ist es aber der beste Weg, den feindseligen anti-israelischen Terror der BDS-Bewegung zu ändern, sie (die BDS-Bewegung) mit liberalen Zionisten zu überschwemmen.

Aber es gibt noch andere relativ radikale Optionen für Liberale außer der Unterstützung des Boykotts. Sie könnten die Reservisten der israelischen Armee aufrufen den Dienst im Westjordanland zu verweigern. Meretz und Peace Now könnten eine Flotille für Gaza chartern, mit der israelischen Fahne und beladen mit Hilfsgütern. Das würde ein bißchen Problembewußtsein wecken.

Aber vielleicht beginnt die Radikalisierung der liberalen Zionisten mit dem Wort, nicht mit Tat. Diese Leute können nicht weiterhin Angst haben Israel die Schuld zu geben und gleichzeitig für die Palästinenser Partei ergreifen. Sie können auch nicht weiterhin sagen, dass man "beiden Seiten Schuld geben muss". Israel ist ein freies Land, das Millionen Palästinensern ihre Freiheit mit Waffengewalt verweigert, und das haben sie seit 1967 so gemacht. In diesem Konflikt gibt es keine moralische Äquivalenz zwischen beiden Seiten.

Die Leute müssen auch aufhören vorzugeben, dass die Besatzung 'unhaltbar' sei, denn nach dieser langen Zeit ist das nicht wahr. Wenn die Liberalen die Besatzung als 'unhaltbar' bezeichnen, beruhigen sie ihr Gewissen, rechtfertigen sie ihr Zaudern gegenüber dieser historischen Ungerechtigkeit – indem sie sich sagen, es könne nicht so bleiben.

Denn damit helfen sie mit, dass es so bleibt. Inzwischen ändern manche liberale Zionisten (ihre Meinung, ihre Haltung) und werden radikaler und werden Teil der Lösung, der einzigen, die uns geblieben ist.

 

Übersetzung: K. Nebauer