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Ein palästinensischer säkularer Staat

 

Sam Bahour, guardian.co .uk  4.8.11

 

 

Die palästinensische  Nationalbewegung hat ihr Ende erreicht. Da die palästinensische Führung – falls es so eine legitime Körperschaft gibt? – sich vorbereitet, um dieses Problem der Eigenstaatlichkeit im September vor die UN zu bringen, so werden die nächsten Wochen und Monate Zeugen des letzten verzweifelten Versuchs sein, die internationale Gemeinschaft dahin zu bringen, ihre Verantwortung zu übernehmen und sicher zu stellen, dass ein palästinensischer Staat in den besetzten Gebieten Realität wird.

 

Die Gründe für das Scheitern der PLO-Bewegung sind viele. Als erstes die Kriegsneurose, die die Errichtung Israels 1948 unter den Palästinensern verursachte, ist nie wirklich verschwunden. Die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung wurde aus ihrem Zuhause vertrieben.

Diejenigen, die sich zu fliehen weigerten, sind heute Bürger Israels. Sie haben eine Staatsbürgerschaft, die sie nie forderten, die ihnen auferlegt wurde. Sie sind mehr als 1,2 Mill. -  Muslime und Christen.

Als ob die gewaltsame Enteignung von 78% ihrer Heimat nicht genug wäre, besetzte das israelische Militär  1967 die restlichen Teile Palästinas. Israel hatte lange zuvor diese Besetzung geplant. Militärische Besatzung wird ,der Definition nach, als eine vorübergehende Staatsangelegenheit angesehen. Man dehnt aber die Definition bis zu einem Hirngespinst, das Israels Präsens in der Westbank, im Gazastreifen und in Ostjerusalem nach 44 Jahren immer noch als vorübergehend ansieht. Die Realität wird viel genauer als das Verbrechen von Apartheid beschrieben denn als militärischen Besatzung.

Wenn man mit den frühen 1970er-Jahren beginnt, wurden die Palästinenser – wie der palästinensische Diplomat Afif Safieh es ausdrückt – „unvernünftig vernünftig“. Jahr um Jahr bot die palästinensische Führung eine Konzession nach der anderen an und versuchte, eine gerechte Lösung für ihre Enteignung und militärische Besatzung zu erreichen.

Diese anscheinend nie endende Kette von Konzessionen gipfelte in dem Oslo-Abkommen von 1993. Diese Abkommen wurden ein ernsthaftes einseitiges bilaterales Abkommen zwischen der PLO und Israel, das versuchte, die Parteien zu einem Endstatus-Abkommen innerhalb von 5 Jahren zusammen zu bringen.

Die Oslo-Abkommen hielten aber das System der militärischen Besatzung aufrecht und kodifizierten einfach die unerträgliche Unausgeglichenheit zwischen der Besatzungsmacht (Israel) und dem besetzten Volk (den Palästinensern). Die Abkommen scheiterten elendiglich und vielfach. Nicht nur, dass das Endabkommen nie geschah, heute sind wir weiter davon entfernt als je zuvor. Keine Bemühungen in letzter Minute durch Barack Obama oder Binyamin Netanyahu, um die Verhandlungen über die Grenzen neu zu beleben. Das Zögern in der Vergangenheit hat nur irreparablen Schaden vor Ort geschaffen und schwört die dringende Notwendigkeit eines Endspieles herauf, nicht einen weiteren Anfangspunkt.

 

Nach einem Kampf, um den Friedensprozess seit zwei Jahrzehnten wieder zu beleben, haben die Palästinenser den Glauben an den Prozess verloren, als auch an jene, die damit beauftragt waren, nämlich das Quartett, die USA, Russland, die EU und die UN. Während der ganzen Periode des (sog.) Friedensprozesses pflügte Israel weiter mit neuen Landenteignungen, mehr Siedlungsbau, mehr Toten und mehr Zerstörung.

 

Jeder ehrliche Beobachter würde eine klare Schlussfolgerung ziehen, dass Israel keine Absicht hat, den Palästinensern zu gestatten, eine neue Realität vor Ort zu schaffen, eine durchführbare Lösung dieser Krise. Noch sind die Mächte, besonders die US und EU ernsthaft damit beschäftigt, den Konflikt auf der Basis des internationalen Rechts zu beenden. Die Diplomatie hat die Palästinenser zutiefst enttäuscht und lässt sie mit weniger Land und weniger Wasser, noch zerrissener, ärmer, in Uneinigkeit und schwindender Hoffnung.

 

Das Drama entfaltet sich, während wir auf den September zugehen, und dreht sich um eine einfache Gleichung. Diejenigen, die behaupten, die palästinensische Führung zu sein, haben keine Tricks mehr in petto, um weitere Verhandlungen mit ihrem Besatzer zu rechtfertigen.

Deshalb unternehmen sie das, was man einen strategischen Schritt nennt, und beantragen die Mitgliedschaft des Staates Palästina in den UN.

Die zu Grunde liegende politische Tatsache – die UN- Resolution 181 -  versuchen sie  wieder herzustellen: dieser anscheinend unlösbare Konflikt ist die Zwei-Staatenlösung …

Dieser Schritt erhält für seine Bemühungen eine Eins, ist aber zum Scheitern verurteilt, selbst wenn Palästina in diesem Jahr oder im nächsten oder in fünf Jahren in die UN aufgenommen würde. Die Realitäten vor Ort haben sich seit 1947 so drastisch verändert.  Israel ist es mit der blinden Unterstützung der USA gelungen, die Zwei-Staatenlösung unmöglich zu machen.

 

Die neuen palästinensischen Führer, diejenigen die die israelischen Unterhändler noch nicht getroffen haben, sehen den Hintergrund und weigern sich zu glauben, dass Israel in Frieden leben will, wenn jeder Hinweis seit 64 Jahren das Gegenteil anzeigt. Die palästinensischen Führer sehen Israel als das an, was es ist: eine  koloniale Siedler-Apartheidbewegung, die sich an eine rassistische, exklusive Ideologie anlehnt, die nicht zulässt, dass zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan ein anderer Staat auftaucht, geschweige denn palästinensischen Flüchtlingen erlaubt, in ihre Heimat zurückzukehren oder für ihre Leiden eine Wiedergutmachung  zu erhalten, wie  es als Bedingung gefordert wurde, als die UN Israel am 11.Mai 1949  als Mitgliedstaat aufgenommen hat.

 

Wenn dieser von vorneherein zum Scheitern verurteilte Schritt zur palästinensischen Mitgliedschaft in den UN erst einmal anläuft, wird ein neues Paradigma Wurzeln fassen, was Israel fürchtet, weil es stillschweigend die Palästinenser und Israelis als Gleiche, als Mitbürger, als Partner ansieht. Diese neue Änderung wird die Palästinenser sehen, wie sie ihren Wunsch nach einem unabhängigen Staat in einem Bruchteil ihrer historischen Heimat fallen lassen. Stattdessen finden sie innerhalb einer echten  repräsentativen, politischen Struktur ihren Wunsch nach Selbstbestimmung innerhalb ihrer historischen Heimat artikuliert, selbst wenn dieses Heimatland heute Israel genannt wird.

Die Palästinenser sind dabei, zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Sie waren korrekt, nach einem säkularen demokratischen Staat am Anfang dieses Konfliktes  zu rufen. Leider  verschwendeten sie kostbare Zeit und verloren zu viele Leben, indem sie ungerechte Modalitäten einer Resolution akzeptierten.

 

Je früher die Palästinenser und Israelis erkennen, dass es unser Schicksal ist, gemeinsam  als gleiche zu leben, um so früher können wir damit beginnen, unsere Gemeinschaften wieder aufzubauen und eine einzige Gesellschaft, deren Bürger alle nach dem Gesetz gleich sind  und als menschliche Wesen gleich sind.

 

(dt. Ellen Rohlfs)