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Wenn Jesus in diesem Jahr gekommen wäre, dann wäre Bethlehem abgeschlossen gewesen

 

Phöebe Greenwood, Guardian, 22.Dezember 2011

 

 

Wenn Joseph und Maria heute ihren Weg nach Bethlehem gemacht hätten, würde die Weihnachtsgeschichte etwas anders aussehen, sagt Pfr. Ibrahim Shomali, der Gemeindepfarrer der Stadt. Das Paar müsste darum kämpfen, um in die Stadt zu kommen, geschweige denn ein Hotelzimmer zu finden. …

„Jesus würde dann entweder am Checkpoint oder an der Mauer geboren werden. Maria und Joseph hätten dann einen israelischen Passierschein benötigt oder hätten Touristen sein müssen..

„Dies ist das große Problem für die Palästinenser in Bethlehem: was wird geschehen, wenn sie uns vollkommen einschließen.?“

Bethlehem ist das Herz des christlichen Palästina…Der Krippenplatz wird verwandelt in eine Grotte von Licht und Ständen, gekrönt von einem Weihnachtsbaum. Ketten  von beleuchteten Engeln, Sternen, Glocken  schmücken die Straßen. Aber nach nur wenigen Minuten Fahrt nach Norden  hört die festliche Atmosphäre plötzlich auf.

 

Eine Reihe israelischer Siedlungen auf 18 qkm Land, das einmal zu Nord-Bethlehem gehörte, droht die Stadt von ihrer historischen Zwillingsstadt Jerusalem abzutrennen. Nach den israelischen Behörden waren dies seit 1967 Teile von Jerusalem. Eine der Siedlungen, Har Homa ist auf Land gebaut, wo die Engel die Geburt Jesu  den Hirten verkündet haben sollen. Und eine andere Siedlung, Gilo verbindet Bethlehem mit Jerusalem, aber der Bau von Givat Hamatos, eine im Oktober angekündigte neue Siedlung wird in ein paar Jahren auch diese Lücke füllen.

Erst im Oktober denunzierten die EU und UN  routinemäßig Israels einseitige Siedlungserweiterungen  und die EU-Hochkommissarin Baroness Catherine Ashton warnte vor dem Bau von Givat Hamatos, da sie von „besonderer Bedeutung sei:  sie würde die geographische Verbindung zwischen Jerusalem und Bethlehem abschneiden.“

 

Es ist nicht europäische Sorge, Israels Fortschritt aufzuhalten. Letzte Woche wurden 500 neue Wohneinheiten  für Har Homa  und weitere 348 in Beit Illit an Bethlehems westlicher Grenze genehmigt. Anfang dieses Monats wurden zusätzliche 267 Wohneinheiten für Siedlungen genehmigt, die am südlichen Rand der Stadt liegen, wo das Verteidigungsministerium Siedlern die Genehmigung erteilte, auf palästinensischem Land mit einer Farm zu beginnen.. ..

Dieser Ring von Siedlungen wird auf Dauer die Geographie der biblischen Landschaft verändern. Sollte ein Friedensabkommen den Trennungszaun schleifen, dann werden die beiden Städte trotzdem geteilt bleiben.

Der israelische Aktivist Hargim Ofram, Direktor von Peace Now erkennt eine klare politische Intention in Israels Plänen:  Diese Bemühungen werden gemacht, um eine mögliche Zweistaatenlösung zu verhindern, denn damit das funktioniert, ist ein lebensfähiger palästinensischer Staat mit seiner Hauptstadt Ost-Jerusalem nötig.

 

Wenn diese Hauptstadt von Siedlungen umgeben wird, muss Israel sie  auflösen. Je mehr Israel baut, um so teuerer wird der Preis eines palästinensischen Staates.

 

Eine Koalition von 20 Menschenrechtsorganisationen, einschließlich Oxfam und Amnesty International machten in diesem Monat darauf aufmerksam, dass die Zahl der zerstörten palästinensischen Hauser  in der Westbank und Ostjerusalem durch israelische Behörden sich im vergangenen Jahr verdoppelt hat.

Nach den Abmachungen des Oslo-Abkommens fallen nur 13% von Bethlehem  in die Zone A und B. die  von der palästinensischen Behörde kontrolliert werden. In diesem Gebiet  wohnen 87,6 % der palästinensischen Bevölkerung. Der Rest fällt in Zone C, das Israel kontrolliert und wer weiß was baut.

Das al-Makour-Tal ist Bethlehems letzter grüner Raum und eine der wenigen Orte, wo sich die Stadt noch ausdehnen kann. Dies ist aber in Zone C und  wird vom Gilo-Checkpoint am einen Ende und von Har Homa am andern Ende überblickt . Israels Trennungsmauer bzw./Apartheidzaun  läuft durch die Mitte des Tales. Keinem Palästinenser wurde seit 1967 die Genehmigung erteilt, hier zu bauen.

Trotz Israels Baubeschränkungen,  verbrachte Miranda Nasry Qasasfeh jedes Wochenende

damit, das Steinhaus, das der Familie ihres Mannes seit 150 Jahren gehört, zu renovieren. Sie baute ein neues medtallenes Dach und pflanzte Mandel-, Pflaumen- und  Escadiniabäume, die  gerade ihre ersten Früchte tragen. IhrHaus war eines von vier palästinensischen Bauten in diesem Tal, das am 12. Dezember zerstört wurde. Die meisten Bäume wurden ausgerissen.

 

Qasasfehs 75 Jahre alter Vater eilte zu dem Ort der Zerstörung, wo er seine Tochter in tiefer Verzweiflung vorfand. Einige Stunden später erlitt er einen Schlaganfall und ist nun  links halbseitig gelähmt. Nach diesen Ereignissen der letzten Woche hat Qasasfeh allen Weihnachtsschmuck weggelegt..

„Der israelische Kommandeur sagte mir, dass ich hier nichts verloren hätte, das sei nicht mein Land. Aber es ist das unsrige, und wir brauchen es, um hier zu leben.  Welche Wahl haben wir sonst. Sollte ich auf dem Land von andren bauen?“ fragt sie.

 

Aber trotz der Zerstörung ihres Eigentums, hat Miranda Qasasfeh noch Hoffnung, dass die politische Situation sich ändern wird. Sie hat ihrem ältesten Sohn gedroht, ihn zu enteignen, wenn er seine Drohung wahr macht und Bethlehem verlässt, um woanders Arbeit zu finden.

Ich hab es meinen Kindern eingeprägt, dass es nirgendwo auf der Welt so ist wie hier. Wir können nicht einfach gehen. „Und wir haben Weihnachten. Wenigstens für ein paar Tage können wir vergessen oder wenigstens versuchen, zu vergessen, was hier geschieht.

 

Pater Shomalis Aussichten sind bedrückender: wenn ich mein Kirchenregister durchsehe, sind schon viele historische  Familiennamen aus dem Gebiet verschwunden. In 20 Jahren – denke ich – werden wir keine Christen mehr hier in Bethlehem haben.“

Dr. Jad Isaak, ein Experte von Bethlehems Demographie und ein Berater von Präsident Mahmoud Abbas, sagt außer den physischen Entwicklungsbeschränkungen wird Bethlehems Wirtschaft durch den Verlust an Land und die Bewegungsbeschränkungen der Palästinenser abgewürgt.

Mit Arbeit in Jerusalem, die jetzt unmöglich ist, aber 6000 genehmigten Passierscheinen, um in Israel zu arbeiten, ist die Arbeitslosigkeit in Bethlehem bei 23% und die Armut bei 18%. Viele haben keine andere Möglichkeit als für $25 am Tag in den nahen Siedlungen zu arbeiten. Dr. Isaaks Vorhersage ist trostlos.

 

„Die kleine Stadt von Bethlehem? Sie wird bald das kleine Ghetto sein, das von allen Seiten von israelischen Siedlungen umgeben ist,“ sagt er voraus. „Wir haben schon das Stadium überschritten, wo Bethlehem noch gerettet werden könnte. Ehrlich gesagt, deshalb feiere ich Weihnachten nicht mehr.“  (Ich auch nicht.ER)

 

(dt. Ellen Rohlfs)