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Soldaten mit Gewissen: Breaking the Silence

Mel Frykberg, 13.3.15

 

(InDepth Newsfeature (IDN) Dieses neue Feature erzählt die Geschichte, wie Gruppen von Israelis und Palästinensern Gemeinschaften - die kampfbereit sind - , sich selbst befähigen sich als Teil einer Lösung zu sehen, indem sie sich über Gemeindeinteressen erheben und gegen vorherrschenden politischen Trend schwimmen und so dem weiteren Konzept einer globalen Bürgerschaft eine dynamische lokale Dimension verleihen.

Die alte biblische Stadt von Hebron ist dem Judentum, der Christenheit und dem Islam heilig. Sie ist voller historischer, archäologischer und religiöser Schätze.

Doch die engen Gassen, angeschmiegt an malerische Hügel, haben eine bittere und blutige Geschichte.

Die Stadt Abrahams ist jetzt das Zuhause von über 250 000 Palästinensern. Knapp 1000 israelische Siedler, von Hunderten israelischer Soldaten bewacht, leben mitten unter Palästinensern – in einer Atmosphäre  extremer Feindseligkeit.

Während der Jahrzehnte ist der Hass zwischen den beiden Gemeinden regelmäßig in Gewalt  umgeschlagen und endete mit Blutvergießen.

1994 erschoss der Siedler Dr. Baruch Goldstein 29 Palästinenser, als diese in der Ibrahim-Moschee beteten, während Siedler von Palästinensern auch schon getötet wurden.

Israels Besatzung hat Hunderte Palästinenser aus ihren Geschäften und Wohnungen am Alten Markt und in der Shuhada-Straße, der Hauptstraße im Zentrum der Stadt verjagt.  Es ist Palästinensern jetzt sogar verboten,  durch diese Straße zu gehen.

Die israelischen Sicherheitskräfte sind von verschiedenen Menschenrechts-Organisationen angeklagt worden, Palästinenser misshandelt und sie unnötigerweise getötet zu haben.

Mit diesem Hintergrund haben zwei Friedensorganisationen, eine palästinensische und eine israelische, zusammen für Gerechtigkeit gearbeitet und Israelis wie auch Ausländer über das Leben unter Besatzung unterrichtet.

Breaking the Silence (BTS) (das Schweigen brechen) ist eine Gruppe von früheren israelischen Soldaten, seit der 2. Intifada im Oktober 2000 im israelischen Militär gedient haben.  Diese früheren israelischen Soldaten führen Israelis und Touristen durch Hebron und erklären die Situation vor Ort.

„Wir bemühen uns, eine öffentliche Debatte darüber anzuregen, wie hoch der Preis für eine Realität ist, in der junge Soldaten täglich einer zivilen Bevölkerung gegenüberstehen und mit der Kontrolle des täglichen Lebens der Bevölkerung beauftragt sind“,  sagte Achiya Schatz, Direktor von BTS zu IDN.

„Wir erklären  Reisegruppen, dass nicht die Israelis Opfer der Besatzung sind, sondern die Palästinenser. Viele israelische Soldaten erinnern sich an Misshandlungen, die  gegenüber Palästinenser begangen wurden, als sie dort ihren Dienst taten.

„Bei einer Gelegenheit verwüsteten wir das Haus eines Palästinensers, von dem wir glaubten, er sei ein ‚Terrorist‘; er und seine Frau wurden  zusammengeschlagen und auf die Straße gesetzt“, erinnerte sich Schatz. „Wir fanden später heraus, dass wir den falschen Kerl hatten. Der, den wir suchten, wohnte ein paar Häuser weiter.

Schatz erinnerte sich auch an Kommandeure der Einheit, die enttäuscht waren, dass sie nicht in der Lage waren, einen ‚Terroristen‘ zu töten.

Soldaten von BTS lieferten Zeugenaussagen über viel schlimmere Misshandlungen und Schatz erklärte, dass das, was  er in Hebron erlebt hat, das normale Benehmen einiger israelischer Truppen in der Westbank war, wenn sie mit der palästinensischen Bevölkerung zu tun hatten.

Abgesehen davon, dass sie Israelis über die Besatzung unterrichteten, glaubte BTS auch daran, Brücken zwischen Palästinensern und Israelis zu bauen, speziell unter den Aktivisten auf beiden Seiten.

„Es ist für uns wichtig, den Palästinensern Israelis nahe zu bringen; dies hilft Stereotypen abzubauen.  Oft ist dies das erste Mal, dass Israelis Palästinenser (auf friedliche Weise)treffen“, sagte Schatz. Zu diesem Zweck arbeitet BTS  zusammen mit einer palästinensischen Aktivistengruppe, die sich „Jugend gegen Siedlungen“ nennt  (YAS). Sie versucht, durch gewaltlosen Kampf und zivilen Ungehorsam die israelische Siedlungskolonisierung  zu beenden).

„Da gibt es eine Menge Zusammenarbeit zwischen unsern (pal.) Aktivisten und den israelischen Aktivisten. Wir planen vor Ort zusammen Touren, Gemeinde-Aktionen, einschließlich Protestdemos, zunehmende Erkenntnis über Menschenrechts-verletzungen und zeigen Israelis, wie unser Leben aussieht,“  sagte Issa Amro, Sprecher von YAS.

Wenn palästinensische und israelische Aktivisten gemeinsam gegen  die Besatzung arbeiten, nennen wir das  Co-Resistance (gemeinsamer Widerstand) ,“ fügt Schatz hinzu.

„Viele Palästinenser und Israelis sind Freunde geworden, da unsere gemeinsamen Aktivitäten uns helfen, einander besser kennen zu lernen. Den Palästinensern wird auch Hoffnung gegeben, wenn sie sehen, dass es auch Israelis gibt, die sich Gedanken (über uns) machen“, erklärte Amro.

Ir Amim ist eine andere israelische Friedensorganisation, die mit Palästinensern zusammenarbeitet. Es ist eine gemeinnützige Organisation, die 2004 gegründet wurde und die  sich auf den israelisch-palästinensischen Konflikt in Jerusalem konzentriert. Ir Amin gründete mit der palästinensischen NGO, (Frieden und Demokratie-Forum),  das Jerusalemer Politik-Forum. Die Gruppe informiert das israelische Parlament und die Jerusalemer Stadtbehörde über Aktionen, von denen sie glaubt, dass sie die Jerusalemer Stabilität gefährden oder zukünftige Friedensverhandlungen gefährden. Sie bemüht sich darum, dass die Würde und das Wohlbefinden all seiner Bewohner gewährleistet und die Heiligen Stätten und das historische und kulturelles Erbe geschützt sind. Ir Amins öffentlicher Kontakt ist in erster Linie dem israelischen Publikum gewidmet  mit dem Ziel, dass der öffentliche Diskurs  über das Problem  Jerusalem neu ausgerichtet wird.

Die Gruppe ermutigt die Öffentlichkeit, die Ereignisse vor Ort zu analysieren und ihre Konsequenzen für Israel. Dies wird durch Studientouren, Medienarbeit, Einsatz-besprechungen, Haustreffen und Bildungsprogramme getan.

Die schwedische Touristin Amie Karlsson ging bei einer von Ir Amims durch Ost-Jerusalem mit. „ Ich habe nicht gewusst, wie Ost-Jerusalem im Vergleich zu West-Jerusalem vernachlässigt  wird,“ sagte sie zu IDN.

„Ir  Amim informierte uns, dass Ostjerusalem nur einen Bruchteil  des Gemeindebudgets erhält, den das jüdische West-Jerusalem bekommt. Es war deutlich sichtbar, wie vernachlässigt der östliche Teil der Stadt war: überall lag Abfall, viel weniger Straßenlaternen und keine Straßenschilder. Doch die jüdischen Siedlungen innerhalb Ost-Jerusalem waren gut gepflegt,“ sagte Karlsson.

Trotz der positiven Erfahrungen, die Israelis und Palästinenser bei der Zusammenarbeit für Frieden machten, haben Schatz und andere israelische Aktivisten einen persönlichen Preis für ihre Aktivitäten und ihr Engagement für die Menschenrechte  zahlen müssen.

„Ich habe Morddrohungen erhalten und werde von früheren Kollegen Verräter genannt. Es ist möglich, Israel zu lieben und die Besatzung zu hassen, weil sie falsch ist,“ sagte Schatz, doch wäre er bereit, diese Drohungen und Beleidigungen in Kauf zu nehmen.

(dt. Ellen Rohlfs)