Jimmy Carter,
6.September 2009
Während
der letzten 16 Monate besuchte ich den Nahen Osten vier mal und traf mich mit
Führern in Israel, Ägypten, Libanon, Saudi Arabien, Jordanien, Syrien, Westbank
und im Gazastreifen. Ich war in Damaskus, als Präsident Obama
seine historische Rede in Kairo hielt, die hohe Erwartungen unter den
optimistischeren Israelis und Palästinensern weckte, die seine Beharrlichkeit
auf einem totalen Einfrieren des Siedlungsbaus als den Schlüssel für jedes
annehmbare Friedensabkommen oder jede
positive Antwort der arabischen Staaten gegenüber Israel anerkennen.
Ende
des letzten Monats reiste ich mit einer Gruppe „Älterer“ („Elder“)
in die Region: mit Erzbischof Desmond Tutu, dem früheren Präsidenten Fernando
Henrique Cardoso von Brasilien und Mary Robinson von Irland, dem früheren
Ministerpräsidenten Gro Brundtland von Norwegen und der Frauenaktivistin Ela Bhatt von Indien.
Drei von uns hatten schon früher den Gazastreifen besucht, der nun ein
eingezäuntes Ghetto ist mit 1,6 Millionen Palästinensern, von denen 1.1 Millionen
Flüchtlinge aus Israel und der Westbank
sind, die elementare humanitäre Hilfe
von der UNWRA erhalten. Israel verhindert jede
Lieferung von Zement, Bauholz, Saatgut, Düngemittel und Hunderte von
anderen lebensnotwichtigen Stoffen in den Gazastreifen. Einige zusätzliche
Waren erreichen den Gazastreifen durch die Tunnel vom Gazastreifen her. Die
Bevölkerung kann ihre eigenen
Lebensmittel nicht herstellen und keine Schulen, Krankenhäuser, Geschäfte oder
die 50 000 Häuser reparieren, die beim Angriff Israels im Januar schwer beschädigt wurden.
Wir
fanden ein wachsendes Gefühl von Sorge und Verzweiflung unter denen vor, die
wie wir beobachteten, dass die Siedlungserweiterung schnell weitergeht und in
die palästinensischen Dörfer, Hügel, Weideland, in landwirtschaftlich genütztes
Land und Olivenhaine vordringen. Es gibt mehr als 200 dieser Siedlungen in der
Westbank.
Eine
sogar noch beunruhigendere Erweiterung findet im
palästinensischen Ostjerusalem statt. Vor drei Monaten besuchte ich eine
Familie, die seit vier
Generationen in ihrem kleinen, zum Abriss bestimmten Haus lebten. Sie
bemühten sich darum, es selbst zu
zerstören, um die höheren Kosten zu
vermeiden, wenn von einem israelischen Unternehmer die Abrissorder durchgeführt
worden wäre. Am 27. August brachten wir „Elders“ den 18 Mitgliedern der Hanounfamilie,
die kürzlich aus ihrem seit 65 Jahren
bewohnten Haus vertrieben wurden, ein
Lebensmittelgeschenk. Die Hanouns, zu denen sechs
Kinder gehören, leben auf der Straße, während israelische Siedler in das
konfiszierte Haus einzogen.
Täglich
sagen Schlagzeilen in Jerusalemer Zeitungen, dass gewisse Gebiete und Bautypen vom Einfrieren des Siedlungsbaus ausgeschlossen
sind und dass es am besten sein würde, wenn dieses von begrenzter Dauer wäre. Die
immer verzweifelter werdenden Palästinenser sehen wenig Aussicht, dass sich ihr
trauriger Zustand verbessern wird. Politische Führer, Geschäftsleute und
Akademiker machen Ausweichpläne, sollte Präsident Obamas
Bemühungen misslingen.
Wir
sahen beträchtliches Interesse an einem Aufruf von Javier Solana, dem
Generalsekretär der EU an die UN, eine Zwei-Staatenlösung zu unterstützen, die
schon eine feste Verpflichtung der US-Regierung und der anderen Mitglieder des
„Quartetts“ sei. Solana schlug den UN vor , die vor-1967 Grenze zwischen Israel und Palästina anzuerkennen, sich mit dem Schicksal der
palästinensischen Flüchtlinge zu befassen und wie Jerusalem geteilt werden sollte. Palästina würde ein volles UN-Mitglied werden und volle diplomatische Beziehungen mit anderen
Nationen aufnehmen, von denen viele positiv reagieren würden. Der Palästinensische
Ministerpräsident Salam Fayyad beschrieb uns seinen
einseitigen Plan für Palästina, um ein unabhängiger Staat zu werden.
Eine
wahrscheinlichere Alternative zum gegenwärtigen Debakel ist ein Staat, der
offensichtlich das Ziel der israelischen Führer ist, die darauf bestehen, die
Westbank und Ost-Jerusalem zu kolonisieren. Eine Mehrheit der palästinensischen
Führer, mit denen wir zusammentrafen, erwägen ernsthaft, einen Staat
zwischen Jordan und Mittelmeer zu gründen. Indem sie auf den Traum eines
unabhängigen Palästina verzichten, würden sie Mitbürger ihrer jüdischen
Nachbarn und würden dann die gleichen
Rechte in einer Demokratie verlangen. In diesem gewaltfreien Bürgerrechtskampf
wäre Mahatma Gandhi, Martin Luther King jr und Nelson
Mandela ihr Vorbild.
Sie
sind sich des demographischen Trends
bewusst. Nicht-Juden sind schon etwas mehr als die Mehrheit aller Bürger in
diesem Gebiet und nach einigen Jahren werden die Araber die klare Mehrheit haben.
Eine
Zwei-Staaten-Lösung ist klar vorzuziehen und wird auch von den meisten
bevorzugt.
Südlich
von Jerusalem arbeiten palästinensische Bewohner von Wadi Fukin und
Israelis aus Tzur Hadassah
eng zusammen, um ihr kleines Tal vor Verwüstung, Abwässern und weiterem Verlust
von Land an eine Siedlung über ihnen zu bewahren; in dieser leben 26 000
Israelis, die sich rapide auf
konfisziertem Land ausdehnen. Es war erfreulich, diese internationale Harmonie
zwischen den Dorfbewohnern zu sehen, wie sie gemeinsam Herausforderungen und
Möglichkeiten gegenübertreten.
Es
gibt 25 ähnliche Partnerschaften zwischen israelischen und palästinensischen
Nachbarn. Die beste Alternative für die Zukunft wäre ein verhandeltes Friedensabkommen,
so dass das Beispiel von Wadi Fukin und Tzur Hadassah sich entlang einer
friedlichen Grenze zwischen beiden souveränen Nationen durchsetzen kann.
(dt.
Ellen Rohlfs)