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Wie ich in die Knesset zitiert wurde

 

Ram Cohen, Ynet, 18. Juni 2010  

http://www.kibbush.co.il/show_file.asp?num=40651 

 

Am Montag den 21. Juni soll ich vor dem Knesset-Bildungskomitee  und dem Minister für Erziehung H. Gideon Saar erscheinen, nachdem ich meinen Schülern  unmissverständliche Worte gesagt  und die 43 Jahre dauernde Besatzung  und die Herrschaft über das Leben des palästinensischen Volkes verurteilt habe.

 

Ein Schuldirektor sollte eine eindeutige, unmissverständlich moralische Position über  jedes Thema und Problem der Agenda der israelischen Gesellschaft haben. Ein Schuldirektor ist kein pädagogischer Angestellter. Ein Schuldirektor muss z.B.  etwas über die Deportation von Kindern von Gastarbeitern sagen, über Frauenhandel, den Trennungszaun, den Rückzug aus dem Gazastreifen, das Gesetz  über Minimumlohn, über den Angriff von Siedlern auf palästinensische Dörfer, die Entfernung von Arabern aus ihren Häusern in Sheik Jarrah, die Belagerung von Gaza, über Korruption in der Regierung oder die Beziehungen zwischen Religion und Staat.

 

Es ist die Pflicht eines Schulleiters, einen Standpunkt einzunehmen und ihn  - wenn nötig  - zu verteidigen. Ein Schulleiter kann sich nicht mit Kopfnicken und mit Irgend-etwas-vor-sich- hinmurmeln zufrieden geben, wenn seine Schüler ihm Fragen   über die Konflikte in der israelischen Gesellschaft stellen. Derjenige, der ausweichende Antworten gibt, ist eine unaufrichtige Person, und nicht wert, Pädagoge genannt zu werden.  Ein Pädagoge zu sein, bedeutet, universale und nationale Werte hochzuhalten,  die verdienen, ein Teil der Staatssymbole zu sein.

Während ich im Mittelpunkt einer Kontroverse stand, war ich vor kurzem gezwungen, in unsere Schule ein Meinungsspektrum  zu einer Diskussion einzuladen: Pro oder Kontra unsere Präsenz in den besetzten Gebieten. Ich muss zugeben, dass dies für mich sehr schwierig war. Wenn ich glaube, dass unser Land das Völkerrecht und die eigenen Gesetze  nicht respektiert, noch die Menschenrechte berücksichtigt – finde ich es offen gesagt sehr schwer, die Ansichten der Schulvertreter zuzulassen, die den Status quo unterstützen. Seit der Vertreibung aus dem Paradies ist es unsere Pflicht,  das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Es ist meine Pflicht,  auf das Böse/Falsche hinzuweisen und es  scharf zu verurteilen.

 

Diejenigen, die von mir verlangen, dass ich die Schüler für den Armeedienst vorbereite, sollten wissen, dass  es auch meine Pflicht ist, ihnen zu sagen, dass sie ein Gebiet  betreten werden, das vor 43 Jahren besetzt wurde, und in dem  die Menschenrechte schändlich  und täglich durch unsere militärischen Überlegenheit verletzt werden. In Zukunft sind diese Kinder für sich selbst verantwortlich, und sie werden fragen, ob  ihre Schule ihnen das schreckliche Geheimnis, das Besatzung heißt, ja Besatzung, verraten hat. Eine Besatzung, nicht eine Befreiung, keine Rückkehr zum Land der Vorfahren. Nicht einmal eine Rückkehr zu trockenen Wasserlöchern, die sich mit Tränen wieder gefüllt haben. *

 

In der Schule, der ich vorstehe, gibt es keinen Zugang für Vertreter der rassistischen Kahane-Ideologie. Da gibt es keinen Platz für Leute, die in Stresssituationen  für die Anwendung von Drogen sind, noch für Rabbiner, die behaupten, dass die Diskriminierung von sephardischen Mädchen rechtfertigt auf Grund von internen Kodes ihrer religiösen Gemeinschaft, auch nicht für Leute, die für eine Multikultur sind, die für die Beschneidung weiblicher Genitalien sind, und auch nicht für jene, die die Diskriminierung arabischer Bewohner dieses Landes rechtfertigen oder die zu ihrer Auswanderung ermutigen.

 

Wo immer ein Konflikt ist, muss jede Entscheidung eine politische Entscheidung sein. Als ich vor sieben Jahren entschied, dass an dieser Schule Arabisch anstelle von Französisch gelehrt wird, so war das eine politische Entscheidung. Dasselbe gilt auch für den Schulausflug, der nicht die „Stadt Davids“ der Siedler **  einschließen wird.

 

Andrerseits ist auch das ein politischer Akt, wenn Schuldirektoren ihre Schüler gegen den Rückzug der Siedler aus dem Gazastreifen protestieren lassen – und dies als eine Deportation von Juden von ihrem Land präsentieren. Mit den Schülern über die heilige Pflicht  der Juden zu sprechen, dass sie vom Meer bis zum Jordan siedeln müssten - auf Grund eines göttlichen Versprechens - ist ein politischer Akt. In Opposition zu sein oder die Entlassung von Hunderten palästinensischer Gefangener im Austausch für Gilad Shalit – was ist das, wenn nicht eine politische Haltung?

 

Welches sind nun die Grenzen für Redefreiheit in der Schule. Meine Antwort ist: alles ist erlaubt, vorausgesetzt, es widerspricht nicht den Grundwerten der Demokratie, der Universalität und dem Humanismus und beachtet die Gesetze des Staates Israel, die den Normen der Völkerfamilie nicht widersprechen sollten.

 

Ich kann das Statement nicht beenden, ohne zu bemerken, dass diese Knessetdebatte wohl nicht stattgefunden hätte, wenn Prof. Yuli Tamir noch Bildungsminister gewesen wäre und Haim Oron Still  dem Bildungskomitee *** vorstehen würde. Die offensichtliche Schlussfolgerung ist, dass  Redefreiheit in den Schulen nicht allein von  harmlosen Mittel bestimmt wird, das die Grenzen prüft. Vielmehr ändert es sich  entsprechend den politischen Vorstellungen jener, die  im Augenblick die Spitzenpositionen im Bildungssystem, in der Knesset und in der Regierung inne haben.

 

Ram Cohen ist Pädagoge und Schulleiter des Aleph –Gymnasiums in Tel Aviv.

 

* Das ist eine Anspielung  auf das Lied ‚Jerusalem of Gold’, das die nationale Euphorie von 1967 wiedergibt und den Satz enthält: We have come to the waterholes.

**  Die unter dem Namen Elad bekannte Siedlergruppe hat sich selbst im Dorf Silwan, direkt unterhalb der Altstadt eingerichtet, wo sie behauptet, hier hätte König David vor 3000 Jahren seinen Palast gehabt. Sie wollen den Ort judaisieren und haben palästinensische Bewohner aus ihren Häusern vertrieben. Die ‚archäologischen’ Ausgrabungen. Die von Siedlern  ausgeführt werden, untergraben die Grundmauern vieler anderer pal. Häuser. Der ‚National Park’ wird für Schulausflüge empfohlen.

*** Yuli Tamir und Haim Oron von der Labor-Partei bzw. der links-zionst. Meretz-Partei. Sie hielten die Positionen bis Binyamin Netanyahu an die Macht kam.

 

Aus dem Hebr. Adam Keller; dt. Ellen Rohlfs