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Am Käfig rütteln:  heute ein Israeli sein

 

Larry Derfner, Jerusalem Post

 

Es ist erfreulich zu erfahren, dass die Wirtschaft in Ordnung ist, oder relativ in Ordnung ist und dass der Hi-Tech-Sektor ein Wunder ist, dass wir die Nation der Neugründungen sind. Es gibt  für  gut ausgebildete, kluge, hart arbeitende Leute (  oder gut ausgebildete, kluge, hart arbeitende Juden)  eine Menge  wirtschaftlicher Gelegenheiten in diesem Land. Es gibt hier ziemlich viel Reichtum – eine ganze Klasse reicher Leute. Es gibt einen Wandel und zwar einen guten. Ich kann nicht behaupten, dass ich davon inspiriert bin, weil es nicht scheint, als ob dieser Reichtum einiger sich auf die ganze Gesellschaft auswirkt, aber Wohlstand, auch wenn er nur  wenig verbreitet  ist, ist eine gute Sache, eine positive Sache. Anders als die Wirtschaft, das Hochkommen der Neureichen und das Abwehren der Rezession – alles andere im nationalen Leben und alles andere, was einem so in den Sinn kommt, sobald man „Israel“  denkt oder „ein Israeli ist“ ist negativ.

Heute ein Israeli sein , heißt gegen etwas sein: gegen die Palästinenser, gegen Leute sein, die gegen unsere Art sind, wie wir die Palästinenser behandeln, gegen Muslime im Allgemeinen zu sein.

 

Und damit hat es sich. Das ist es, was es bedeutet, ein Israeli zu sein, seit die Intifada vor 10 Jahren begann und wir beschlossen, dass  man keinem Araber trauen kann. Abgesehen von seinem Hi-Tech-Image ist dies alle, wofür Israel steht – gegen diesen einen sein und gegen jenen sein und auch  gegen jeden sein, der nicht gegen sie ist.

 

Da bleiben nicht viele Leute, für die wir sind. Wir sind für die Republikaner. Wir sind für die christlichen Fundamentalisten. Und das ist es schon. Jeder andere ist gegen uns. Oder sie wissen gar nichts über uns- dann sind sie neutral. Wie die Eskimos und vielleicht noch die Shaker (?).

Heute ein Israeli zu sein, heißt, dein Leben rund um den Feind zu organisieren. Ohne den Feind versteht man die Welt  oder den Ort, an dem man sich befindet,  nicht. Ohne den Feind weiß man nicht, was man sich  außer mehr Geld  wünscht, was sich die ganze Menschheit wünscht.

Was wünschen sich Israelis noch? Wir wünschen uns Sicherheit! Wir wünschen uns, dass diese Bastarde uns alleine lassen. Wir wollen,  dass der Feind weggeht. Angst und Aggressionen gegenüber dem Feind. Das ist es, was uns vorantreibt und der Wunsch nach mehr Geld.

Und selbst, wenn wir mehr Geld machen, was wollen wir denn mit ihm machen. Ins Land investieren, um es zu verbessern, um die Welt zu verbessern. …

Wenn wir an Wirtschaft denken, denken wir an „ich“. Aber wenn wir  an „uns“ denken, denken wir zunächst an „sie“. Natürlich gibt es  viele, viele großzügige, an die Allgemeinheit denkende Israelis, die  einzeln oder in Gruppen große Dinge machen. Aber wenn wir alle zusammen als eine Nation sind, dann sehen wir  nur den Feind. Den Feind zu stoppen, ist das einzige nationale Projekt, das uns geblieben ist. Es ist das einzige Problem, das die Aufmerksamkeit  der Leute für länger als einen Tag  bekommt.

 

Was den jüdischen Teil des Israeli-Seins betrifft, so ist Judentum in diesem Land überwiegend eine Stammesangelegenheit bis zur Streitlust. Israelisches Judentum nährt diese „Wir-gegen-sie-Mentalität wie nichts anderes, vielleicht noch der nationale Kult des Militarismus.

Keine dieser Hard-assedness (?)  ist neu. Es war immer da. Aber bis vor zehn Jahren gab es Konkurrenz  mit weniger ängstlichen, offener gesinnten, positiven Ansichten über das, was man unter einem Israeli versteht. Es gab Leute, die über das Bauen sprachen und nicht Siedlungen in der Westbank  meinten oder fundamentalistische Yeshivot und Grenzmauern. Sie wollten aufhören vom Feind besessen zu sein; sie wollten in die Welt hinausgehen; sie wollten nicht immer ausflippen, wenn jemand sagte, ihr behandelt die Palästinenser schlecht, weil sie wussten, dass die Kritik berechtigt ist.

 

Es gab eine Menge Israelis wie diese. Sie hatten große Demonstrationen, politische Parteien, Führer, Ideen. Bis vor 10 Jahren gab es ein Friedenslager, nicht nur ein „nationales Lager“. Die beiden Lager kämpften darum, die Richtung des Landes zu bestimmen …

Bis vor 10 Jahren war das nationale Leben interessant. Jetzt ist es tot, langweilig. Ich möchte ein Zitat von Gideon Levy aus Haaretz bringen, er schrieb vor ein paar Jahren: Es gab eine Zeit, als man zwei Israelis fragte, dann bekam man drei Meinungen zu hören. Jetzt bekommt man nur eine.“

Wenn ich versuche, Amerikanern Israel zu erklären, dann sag ich ihnen, sie sollen sich vorstellen, dass 80% ihrer Landsleute Republikaner seien. Israel ist ein Ein-Parteienstaat  geworden: die Kriegspartei.

Wir sind im Krieg  mit dem Nahen Osten, mit Europa, mit liberalen Juden in der Diaspora und mit  einer  mitleid erregenden kleinen Handvoll von Dissidenten zu Hause. Wir trauen keinem mehr. Wir sehen überall Antisemiten. Wir würden am liebsten einen eisernen Dom über das ganze Land bauen, um die Welt draußen zu halten.

 

Es gibt wenig Sauerstoff rund um uns. Jeder atmet das ein, was andere ausgeatmet haben. Dieses Land  stagnierte die letzten 10 Jahre. Und wir hatten nie eine solche Einheit.

 

( dt. Ellen Rohlfs)   (Vgl Artikel von Gideon Levy:  Nur ein Psychiater kann Israels Zustand noch erklä