Die
Gerechten (Teil 1)
John F. Mahoney, April-Juni The Link Band 42
Gerald
Kaufman wurde 1970 ins Unterhaus
gewählt. Von 1987 – 1992 arbeitete er als Schattenaußenminister unter Neil McKinock. 2002 machte er einen TV-Dokumentarfilm „Das Ende
der Affäre“, in dem er seine frühere Unterstützung und seine später Desillusion
mit Israel erzählt. Indem er den jüdischen Staat mit der Apartheid Südafrika
vergleicht, ruft er zu wirtschaftlichen Sanktionen und einem Waffenembargo
gegen Israel auf. Der Vertreterrat der britischen Juden erklärte ihn als
selbsthassenden Juden. 2004 wurde er für seine Dienste im Parlament zum Ritter
geschlagen. Am 15. Januar 2009 hielt Gerald Kaufmann folgende Rede im
britischen Unterhaus:
„Ich
bin als orthodoxer Jude und Zionist aufgewachsen . Auf
einem Wandbrett unserer Küche stand eine Metalldose für den Jüdischen
Nationalfond, in die wir Münzen steckten, um den Pionieren zu helfen, eine
jüdische Präsenz in Palästina aufzubauen.
Meine
Eltern kamen als Flüchtlinge aus Polen
nach England. Die meisten ihrer Familienmitglieder wurden später von den Nazis
im Holocaust ermordet. Meine Großmutter lag krank zu Bett, als die Nazis in
ihre Stadt nach Staszow kamen. Ein deutscher Soldat
erschoss sie im Bett.
Meine
Großmutter starb nicht dafür, dass israelische Soldaten nun palästinensische
Großmütter im Gazastreifen morden können. Die augenblickliche israelische
Regierung nützt unbarmherzig und zynisch die bleibende Schuld ( der Deutschen) am Mord von Juden im Holocaust aus, um
ihren Mord an Palästinensern zu rechtfertigen. Das heißt, dass jüdisches Leben
kostbar ist, aber das Leben der Palästinenser nicht zählt.
Vor
ein paar Tagen wurde die israelische Militärsprecherin Major Leibovich wegen der
damals 800 getöteten Palästinenser
gefragt –( inzwischen sind es mehr als 1400 ER )–
Sie antwortete sofort: ‚500 von ihnen waren Militante.’
Das
war die Antwort eines Nazi. Ich vermute, dass die Juden, die damals im
Warschauer Ghetto kämpften, es abgewiesen hätten, als Militante bezeichnet zu
werden.
Doch
so viele Palästinenser auch von den Israelis umgebracht werden, so kann dieses existentielle Problem nicht mit
militärischen Mitteln gelöst werden. Wann immer auch der Kampf endet, es wird
weiterhin 1,5 Millionen Palästinenser im
Gazastreifen und 2,5 Millionen auf der Westbank geben. Sie werden von den
Israelis wie Schmutz behandelt mit
Hunderten von Straßensperren und mit den
schrecklichen Bewohnern der illegalen jüdischen Siedlungen, die sie auch noch
schikanieren. Es wird die Zeit kommen – und es wird nicht mehr so lange hin
sein, dass die palästinensische
Bevölkerung größer ist als die jüdische Bevölkerung .
Es
wird Zeit für unsere Regierung, der israelischen Regierung klar zu machen, dass
ihr Verhalten und ihre Politik unannehmbar ist
und dass
sie ein totales Waffenembargo gegenüber
Israel durchführen muss. Es wird Zeit für Frieden, für einen realen
Frieden. Die Eroberung des Landes, wie es das Ziel der Israelis ist, ist keine Lösung. Sie
werden es auch nicht erreichen. Sie sind nicht nur Kriminelle, sie sind
Dummköpfe.
Jeff
Halper war an Bord des einen von zwei Schiffen, die
Zypern am 23. August verließen, um
Israels Seeblockade zu brechen und humanitäre Hilfe zur belagerten Bevölkerung
zu bringen. Auf den Schiffen waren auch 44 Friedensaktivisten aus 17 Ländern,
einschließlich der Schwägerin des früheren Ministerpräsidenten Tony Blair,
Laureen Booth. Als Halper ein israelischer Bürger
nach Israel zurückkehrte, wurde er verhaftet.
Er
ist ein Anthropologe im Ruhestand der
Ben-Gurion-Universität und ist der Vorsitzende von ICAHD, dem israelischen
Komitee gegen Hauszerstörungen, einer Organisation, die dagegen ankämpft, dass
das israelische Militär palästinensische Häuser in den besetzten Gebieten
zerstört. 2006 wurde er für den Friedensnobelpreis nominiert. ‚Ich kann nicht
weiter untätig Zeuge der Zerstörung
meiner Regierung sein, die sie über ein anderes Volk bringt. Ich kann auch
nicht zusehen, wie die Besatzung die moralische Substanz meines eigenen Volkes
zerstört,“ sagte er, bevor er Israels 18 monatelanger
Belagerung des Gazastreifens trotzte.
Im
Januar 2009 - während Israels Invasion im Gazastreifen - floh Halper nach Kanada,
wo er eine Vorlesung an der Dalhousi-Universität
hielt. Der Saal war prope voll, die Zuhörer saßen im
Gang und auf dem Podium. Mit klarer Stimme lobte er den Widerstand der
Bevölkerung in Gaza gegen das versuchte ‚Massaker’ des jüdischen Staates. Er
erklärte: ‚wenn man die Palästinenser in einen Käfig sperrt, was erwartet man
dann von diesen Leuten? Die Palästinenser
haben ein Recht, Widerstand zu leisten.“
Halper schloss seine Rede, indem er die
internationale Gemeinschaft dringend bat, zur Kenntnis zu nehmen (was in den
besetzten Gebieten geschieht) und offen Israels heimliches Programm zu verurteilen, Waffen zu testen und Taktiken
im Kampf gegen Aufständische am palästinensischen Volk. Die Auswirkungen von Gaza
sind global, klagte er an. Israel testet in Feldversuchen chemische Waffen und
seine Nanotechnologieforschung für den Zweck, seine Technologie zu exportieren.
Halper sollte auch einen Vortrag im
Gelber-Konferenz-Zentrum in Montreal halten, die vom Jüdischen Bund (Federation Combined Jewish Appeal) gesponsert worden war. Dies war Monate
vorher geplant, musste aber in letzter Minute abgesagt werden, weil eine örtliche jüdische Gruppe, ‚Die Freunde
Israels’, gegen den Redner waren. Es kam schließlich dahin, dass Halper den Vortrag hielt – und zwar in der Unitarischen
Kirche von Montreal.
(Jeff Halper wird am
9.5.2009 in Freiburg der Imanuel-Kant-Menschenrechtspreis
verliehen, Laudator Prof. Richard Falk s.u.)
Sara
Roy ist eine Wissenschaftlerin am Zentrum für Nahöstliche Studien an der
Harvard Universität und eine der geachtetsten akademischen Autoritäten, was den
Gazastreifen von heute betrifft.
Sie
gesteht ein, dass der Holocaust in ihrem Leben eine entscheidende Rolle spielt.
Ihr Vater war einer der beiden
Überlebenden des Chelmo-Vernichtungslagers. Ihre
Mutter war eine Überlebende von Holbstadt und
Auschwitz. Hunderte aus ihrer Verwandtschaft haben nicht überlebt.
Sie
konzentriert sich auf das arabisch-israelische Thema, schreibt sie, und gibt
mehrere Beispiele von Parallelen, wie Nazis Juden behandelt haben und wie nun israelische Soldaten Palästinenser behandeln .
Sie behauptet, dass ‚beide im Prinzip
absolut äquivalent sind und die Absicht haben, zu demütigen und zu
entmenschlichen.’
Solch
ein Kommentar durch eine Harvard-Dozentin hat Kontroversen hervorgerufen. Die
jüdische Psychologin Phyllis Chesler, für die Kritik
an Israel mit Antisemitismus gleich gesetzt wird, nannte Roy eine der
schlimmsten Kritiker der USA und Israel.
Andrerseits
feiert der Journalist Richard Silverstein sie als Prophetin, deren Brandmarkung des
israelischen Militarismus den zerstörerischen Versuch amerikanisch jüdischer Organisationen
herausfordert, eine falsche Einheit der blinden Unterstützung Israels
aufzuzwingen, ganz egal, was Israel tut.
Dr.
Roy erhebt ihre Stimme in einem Artikel des Christian Science Monitor ( 2.Januar 2009) gegen Israels kürzlich angewandte exzessive
militärische Gewalt. Hier ein Auszug:
„Ich
höre noch immer die Stimmen meiner Freunde im Gazastreifen, als wären wir noch
immer telefonisch verbunden. Ihre Agonie klingt in mir nach …( s. IS: Sara Roy
Gazakrieg109 das hab ich im Januar 2009 übersetzt ER)
Randall
Kuhn ist ein Mitglied der Denver –Ortsgruppe der jüdischen Allianz für
Gerechtigkeit und Frieden (JAJP). Diese
Allianz wurde 2002 gegründet und beschreibt sich selbst als Amerikas größte
jüdische Organisation, die sich der
Zwei-Staatenlösung des israelisch-palästinensischen Problems widmet. Mit 40 000
Unterstützern, einschließlich 1000 Rabbinern, ist es ihr Ziel, die israelischen
Siedlungen aufzulösen und ein
vollständiges Ende der israelischen
Militärbesatzung der besetzten Gebiete seit 1967.
Kuhn
ist auch ein a.o-Professor und Direktor des Globalen Gesundheitsprogramms an der
Universität von Denver, Hochschule für Internationale Studien. Sein
Forschungsgebiet ist das Studium menschlicher Migrationen mit dem Schwerpunkt,
welche Rolle die Familie und die Gemeinde bei Wanderungen spielt. Als Israels
Verteidigungsminister Ehud Barak den Angriff seines Landes auf den
Gazastreifen rechtfertigte, fragte Kuhn,
was würden Amerikaner wohl getan haben, wenn Tijuana, Mexiko, sieben Jahre lang
Raketen in hohem Bogen nach San Diego
abgefeuert hätte – eine Frage, die
von einem Chor von US-Punditen und Politikern
nachgeplappert worden wäre – Kuhn wusste, dass der Vergleich hinkt und zwar
schwer.
Kuhn
schreibt in einem Artikel der The Washington Times am 14. Januar 2009. hier ein
Auszug:
Man
denke darüber nach, was geschehen würde, wenn San Diego die meisten seiner
spanischen, afrikanischen und asiatischen Amerikaner und die einheimische
amerikanische Bevölkerung vertreiben würde – etwa 48% der Bevölkerung und sie
zwangsweise in Tijuana ansiedeln würde? Nicht nur die Arbeitslosen oder
Kriminellen oder die Amerikahasser, sondern auch die Lehrer, die kleinen
Geschäftsleute, die Soldaten sogar die Baseballspieler.
Was
würde geschehen, wenn die Regierung und die auf Glauben gegründeten Agenturen
mithelfen würden, die Weißen wieder in ihre früheren Häuser zu bringen. Und was
würde geschehen, wenn wir Hunderte ihrer Häuser in ländlichen Gebieten abreißen
würden und mit Hilfe großzügiger Spenden von Leuten in den USA und im Ausland über ihren früheren Städten Wälder angepflanzt und Naturreservate für die
Weißen zu ihrem Vergnügen geschaffen hätten. Das klingt doch ziemlich
schrecklich? Ich werde nun wohl als
anti-semitisch angesehen werden, weil ich diese Wahrheit ausspreche. Nun ich
bin jüdisch und das eben beschriebene Szenario beschreiben viele prominente
israelische Wissenschaftler: dies sei geschehen, als Israel die Palästinenser
aus dem Süden Israels vertrieben haben und sie in den Gazastreifen zwang. Aber
diese Analogie hat eben erst begonnen.
Was würde geschehen, wenn die UN San Diegos ausrangierte
Minderheiten 19 Jahre lang in überfüllte, schwärende Lager in Tijuana
einsperren würde? Dann würden die USA Mexiko überfallen, Tijuana besetzen und
damit beginnen, große Wohngebiete zu bauen, in denen nur Weiße leben könnten.
Und
was würde geschehen, wenn die USA ein Netzwerk von Schnellstraßen bauen würde,
die Tijuana mit den USA verbinden? Dazu Checkpoints, nicht nur zwischen Mexiko und den USA, sondern auch rund um
jeden Stadtteil von Tijuana? Was wäre, wenn wir von jedem Bewohner von Tijuana,
ob Flüchtling oder Einheimischer, verlangen würde, seine ID-Karte dem
US-Militär zu zeigen? Was wäre wenn Tausende von Tijuana-Bewohner ihre
Wohnungen, ihre Arbeit, ihre Geschäfte, ihre Kinder, ihr Selbstwertgefühl an die Besatzung
verlieren würden? Wäre man überrascht,
wenn man von einer Protestbewegung in Tijuana hören würde, die zuweilen auch
gewalttätig und hasserfüllt wäre? OK, jetzt zum unglaublichen Teil.
Denkt
darüber nach, was geschehen würde, wenn nach der Vertreibung aller Minderheiten
aus San Diego nach Tijuana und nach 40 Jahren
brutaler Besatzung wir nur Tijuana verlassen würden, alle weißen Siedler
und die Soldaten rausgehen? Anstatt ihnen nun die Freiheit zu geben, bauen wir
8 m hohe unter Strom stehende Zäune und
Mauern rund um Tijuana, nicht nur auf der Seite nach San Diego, sondern
auch zur mexikanischen Seite und den Kreuzungen dort .
Was würde geschehen, wenn wir 20 m hohe
Wachtürme mit Maschinengewehren bauen
würden und ihnen sagen, dass wer
innerhalb von 50 Metern neben der Mauer steht, erschossen wird. Und an vier von fünf Tagen würden wir jeden
einzelnen der Grenzübergänge geschlossen halten und auch den Transport von
Nahrungsmitteln, Kleidung, Medikamenten untersagen. Außerdem würden wir auch den Luftraum mit
unsern hochmodernen Kampfflugzeugen
kontrollieren und ihnen nicht mal Schädlingsbekämpfung erlauben. Wir
kontrollieren ihre Gewässer mit Zerstörern und Unterseebooten, erlauben ihnen
aber nicht einmal zu fischen.
Würde
man dann gar überrascht sein, wenn man hört, dass diese Widerstandsgruppen in
Tijuana, selbst nachdem sie von ihrer Besatzung ‚befreit’ worden sind, aber
ausgehungert werden, weiter Raketen in die USA abfeuern? Wahrscheinlich nicht.
Aber man mag überrascht sein, wenn man erfährt, dass die Mehrheit der Leute in
Tijuana niemals eine Rakete abgefeuert haben oder ein Gewehr oder eine Waffe irgend einer Art in der Hand hatten.
Stattdessen
unterstützt die Mehrheit gegen alle Hoffnungen eine friedliche Lösung, die
Sicherheit, Freiheit und gleiche Rechte für beide Völker in zwei unabhängigen
Staaten bringt, die Seite an Seite als Nachbarn leben wollen. Dies ist die
fundierte Analogie zu Israels militärischen heftigen Angriffen auf den
Gazastreifen heute. Vielleicht wird der Tag nicht mehr fern sein, und der gesunde
Menschenverstand wird sich durchsetzen und keine Sammlung irreführender Analogien über Tijuana .., wird in der Lage sein, die Wahrheit zu verdunkeln. Und in
diesem Augenblick werden wir uns alle in
einem Land vereinigen, in dem ‚We shall
overcome..’, ‚Ich bin ein Berliner’ ‚Schluss mit
der Apartheid!’ , ’Befreit Tibet!’ und
‚Rettet Darfur!’ geschrieen
wird – dann werden wir alle zusammen ‚Befreit den Gazastreifen! Befreit
Palästina!’ schreien. Und weil wir Amerikaner sind, wird die Welt davon Notiz
nehmen, und sie werden frei sein, und vielleicht wird sich
der Frieden für alle Bewohner des Heiligen Landes durchsetzen.
Amira
Hass ist die erste und einzige israelische Journalistin, die tatsächlich in den
besetzten palästinensischen Gebieten
lebt. Seit 1991 hat sie in Artikeln der Zeitung Haaretz
Zeugnis über Israels zunehmende grausame
militärische Besatzung und Siedler-Landnahme Zeugnis abgelegt. 2003 erhielt sie
den UNESCO/ Guillermo Cano-Weltpresse Freiheitspreis
für ihr hervorragendes professionelles Engagement und ihre Unabhängigkeit. Sie
ist mit einem biblischen Propheten verglichen worden, der die biblischen
Israeliten mit ihrem moralischen Versagen konfrontiert hat.
Amira
wurde 1956 in Jerusalem als Tochter von
zwei Holocaustüberlebenden geboren. An der Hebräischen Universität studierte
sie die Geschichte des Nazismus und die
Beziehungen der europäischen Linken zum Holocaust. Sie hat Israel einen
Apartheidstaat genannt mit Privilegien, die
hauptsächlich Juden vorbehalten sind. 2001 wurde sie vom Jerusalemer Magistratgericht zu 60 000 $ Strafe verurteilt, weil sie
die jüdische Siedlergemeinde von Beit Hadassa verunglimpft haben soll. Am 1. Dezember 2008 wurde
sie von der israelischen Polizei bei der Rückkehr nach Israel vom Gazastreifen
verhaftet, wohin sie mit einem Boot der ‚Befreit-Gaza-Bewegung’ gereist war, um
ihre Opposition gegen Israels Blockade zu demonstrieren.
Hier
ein Auszug aus ihrem Artikel von Haaretz vom 7.
Januar 2009:
Wie
gut dass meine Eltern tot sind. 1982 konnten sie nicht den Lärm der
israelischen Kampfflugzeuge ertragen, die über die palästinensischen
Flüchtlingslager im Libanon flogen. Der grässliche Ton eines Flugzeuges
erschreckte sie in ihrem Haus in Tel Aviv. Wir müssen es nicht sehen, um zu
wissen, sagten sie.
Bevor
die Sprach-Waschmaschine ihre augenblickliche Raffinesse entwickelt hat, waren
meine Eltern
von
Sätzen angewidert wie ‚der Krieg für Frieden in Galiläa’ oder ‚Störung der öffentlichen Ordnung’, als die
öffentliche Ordnung die Besatzung war und die Unruhe der Widerstand dagegen war
…Wie gut, dass sie nicht mehr leben, und Ehud Barak und Zipi
Livnis Erklärung
hören, dass sie nichts gegen das palästinensische Volk haben und der Kabinettsminister erklärt, es gebe keine
humanitäre Krise und dass dies nur Hamaspropaganda
sei. Um Lügen zu erkennen, benötigten meine Eltern keine Namen der Leute, die
fünf Tage lang oder länger kein
fließendes Wasser haben. Vergiss die Bombardements, die Stromsperre, die nicht
vorhandenen Lebensmittel, das nicht Schlafen können. Aber kein Wasser? Wegen der Bombardements vom Meer her, vom
Land und aus der Luft wagen sich die Leute nicht nach draußen, um Wasser am
städtischen Wasserhahn zu holen. Und wenn jemand zu Hause fließendes Wasser
hat, dann ist es untrinkbar.
Auf
Grund der Geschichte meiner Eltern wussten sie, was es heißt, wenn Menschen in
einem kleinen Areal hinter Stacheldraht eingesperrt sind. Ein Jahr, fünf Jahre, 10 Jahre. Ab 1991. Wie gut, dass
sie nicht mehr erleben, wie diese im
Gefängnis lebenden Menschen mit all der ruhmreichen militärischen Technologie
Israels und der USA bombardiert werden. „Wir laden dringend Mohamed ElBaradei ein, er solle herkommen und nachweisen, dass wir
keine Nuklearwaffen haben“, sagt Iyad – ein
wohlbekannter Komiker, sogar noch während des Bombardement.
Aber Samstagnacht sagte er nur noch ‚schwierig, schwierig,’
und hängte den Hörer auf.
Die
persönliche Geschichte meiner Eltern brachte sie dahin, die lockere Art zu
verachten, wenn der Nachrichtenansager über Ausgangssperren berichtete. Wie
gut, dass sie nicht mehr hier sind und nicht hören können, wie die Menge im Kolosseum brüllt.
Brent
Rosen ist der geistliche Führer der jüdischen Rekonstruktionisten
Kongregation von Evanston, Illinois, ein Amt, das er
seit zehn Jahren inne hat. 2008 wurde er
vom Newsweek-Magazin als einer
der 25 Spitzenkanzelrabbiner Amerikas geehrt. Am 28. Dezember 2008 schrieb
Rabbiner Rosen eine öffentliche
Mitteilung an seine Kongregation über das, was im Gazastreifen geschieht.
Was veranlasste diesen jüdischen Führer seiner Kongregation gegenüber und
darüber hinaus seine Meinung deutlich zu
vertreten? Die Gräueltaten. Hier ist seine öffentliche Mitteilung:
Die
Nachrichten von heute aus Israel und dem Gazastreifen machen mich krank. Ich weiß, ja ich höre
schon die Reaktionen: jede Nation hat eine Verantwortung für die Sicherheit
ihrer Bürger. Wenn keine Qassems mehr abgeschossen werden, wäre Israel nicht gezwungen, eine
militärische Aktion zu unternehmen. Die Hamas trägt auch Verantwortung für
diese tragische Situation. Ich könnte jedem einzelnen auf diese
Behauptungen abwechselnd antworten. Aber
ich mag dieses perverse Spiel des rhetorischen Ping-Pong
nicht mehr.
Ich
glaube diese vernünftige Betrachtung nicht mehr. Ich habe diese
Entschuldigungen satt. Wie soll bloß das Vernichten des Lebens im Gazastreifen,
geschweige das Bombardieren …die Sicherheit der
israelischen Bürger gewährleisten? Wir guten liberalen Juden sind
bereit, gegen die Besatzung und die
Verletzungen der Menschenrechte in aller
Welt zu protestieren, aber wir sind zu schnell bereit, Israel eine Freikarte zu
geben.
Es
ist ein faszinierendes Messen mit zweierlei Maß, das ich nur zu gut verstehe.
Ich verstehe dies, weil ich genau so verantwortlich bin wie jeder andere, der dies tut. Also
keine vernünftigen Betrachtungen mehr. Was Israel den Menschen im Gazastreifen
angetan hat, sind Gräueltaten. Dies hat den Menschen in Israel keine Sicherheit
gebracht und nichts als Elend und eine Tragödie für die Menschen des
Gazastreifens.
Das
habe ich gesagt und was kann ich jetzt tun?
Eines
der Dinge, die Rabbiner Rosen getan hat, war, einen Brief an Präsident Obama zu unterzeichnen zusammen mit 1011 anderen Rabbinern
im ganzen Land. In dem Brief riefen sie
den neunen Präsidenten auf, sich der Aufgabe zu widmen, einen
lebensfähigen palästinensischen Staat in Frieden neben Israel zu errichten.
Richard
Falk ist Professor Emeritus für Internationales Recht an der Princeton Universität. 2007 schrieb er in einem Artikel „ Slouching toward a Palestinian Holocaust ( etwa: „Langsam in einen
palästinensischen Völkermord rutschen“)
„ Es ist besonders schmerzlich für mich als amerikanischer Jude, gezwungen zu
sein, die anhaltende und intensiver werdende Misshandlung des palästinensischen
Volkes durch Israel durch eine so
entsetzliche Metapher wie den ‚Holocaust’ zu porträtieren. Ist es eine
unverantwortliche Übertreibung, die Behandlung der Palästinenser mit diesem kriminellen Nazi-Rekord kollektiver
Gräueltaten zu verbinden? Ich denke nicht.“
Im
März 2008 wurde Falk zum
UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in den besetzten Gebieten ernannt.
Am 14. Dezember reiste er nach Israel, um einen Bericht zu verfassen, inwieweit sich Israel an den
Standard der Menschenrechte und das
Völkerrecht hält und mit dem speziellen Fokus der Auswirkungen von Israels
Blockade auf den Gazastreifen.
Israel
war vorher von seinen Plänen informiert. Aber als er in Tel Aviv ankam, wurde
ihm die Einreise verweigert, er wurde in eine Haftzelle gesperrt und einer
Leibesvisitation unterzogen. Dann wurde er in einen verschlossenen Raum
gesteckt, in dem schon fünf andere Verhaftete eng zusammen waren, die Luft nach
Urin stank, die Bettwäsche schmutzig war, das Essen ungenießbar und das Licht
blendete. Zusammengefasst: der UN-Sonderberichterstatter war 30 Stunden
verhaftet, bevor er in ein Flugzeug
gesetzt wurde, das ihn aus dem Land brachte.
Kurz
nach seinem misslungenen Versuch, die Palästinenser unter Besatzung zu
erreichen, fiel Israel in den Gazastreifen ein. Am 2. Januar 2009 erschien in
der Huffington Post ein Artikel, in dem Falk
folgenden Schluss zog.
„Die
Bevölkerung des Gazastreifens ist ein Opfer der Geopolitik, wie sie ihren
unmenschlichsten Höhepunkt erreicht hat. Israel führte einen Krieg, den es
selbst ‚totalen Krieg’ nannte, gegen eine im wesentlichen
wehrlose Bevölkerung, der es an jeder Fähigkeit militärischer Verteidigung
mangelt und darum sehr verletzlich gegenüber Israels Angriffen von F-16-Bombern
und Kampfhubschraubern ist.
Dies
bedeutet auch, dass die eklatanten
Verletzungen des internationalen humanitären Rechts, wie sie von den Genfer
Konventionen festgelegt wurden, still und heimlich beiseite geschoben wurden,
während das Gemetzel weiterging und die Leichen aufgehäuft wurden. Dies
bedeutet außerdem, dass die UN – wie jetzt wieder deutlich wurde - machtlos ist, wenn seine Hauptmitglieder
sie ohne den politischen Willen lässt, ein Volk zu schützen, das ungesetzlicher
Anwendung von Gewalt großen Ausmaßes ausgesetzt ist.
Schließlich
bedeutet dies, dass die Öffentlichkeit laut schreiend in aller Welt
demonstrieren kann, dass das Töten aber weitergeht, als ob nichts geschieht.
Das Bild, das Tag für Tag im Gazastreifen
entsteht, ist eines, das
inständig um ein erneuertes Engagement des Völkerrechts und die Autorität der UN-Charter bittet,
indem man hier in den USA damit beginnt, besonders mit der neuen Führung, die
seinen Bürgern eine Veränderung
versprochen hat, einschließlich einer
weniger militaristischen Methode ….
(
dt. Ellen Rohlfs)
Teil
2: Avi Shlaim, Michael Ratner, Greta Berlin und Henry Siegman