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Vater , verzeih, ich will nicht für dein Israel kämpfen.

 

Omer Goldman, Tochter eines früheren Mossad-Chefs sagt, warum sie lieber ins Gefängnis  statt zum Militär geht

 

Igal Sarna, The Sunday Times, 12. Oktober 2008

 

Omer Goldmann ist ein hübsches Mädchen, schlank wie ein Model. Sie kann nicht still sitzen und ist sehr  unruhig, voller Ängste vor dem bevorstehenden Verlust der Freiheit.  Bevor sie sich weigerte, zum israelischen Militär eingezogen zu werden,  ging sie monatelang jede Woche  zu einem Psychologen, um sich für das Bevorstehende vorzubereiten: Haft in einer Zelle  des Militärgefängnisses.

Ich traf sie im letzten Monat mehrere Male in einer Wohnung mit anderen Mädchen, die auch Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen sind. Zusammen verteilen sie Flugblätter gegen Israels Besatzung der Westbank und des Gazastreifens am Eingang von Gymnasien so wie das, das sie vor einem Jahr verlassen haben.

An ihrem letzten Tag der Freiheit als  Zivilistin sah ich sie am Tor der Rekrutierungsbasis, bei der sie sich  für einen zweijährigen Militärdienst bei den IDF melden sollte,  wie jedes israelische Mädchen. Sie kam, um sich dem Einberufungsbefehl zu widersetzen. Sie wurde verhaftet und kam sofort ins Gefängnis.

Ein paar Dutzend Unterstützer  waren auch gekommen: Mitglieder der Anarchisten gegen die Mauer, ihre Mutter und ein paar ihrer Freundinnen. Sie blieb nahe bei ihnen, als ob sie  den Moment hinauszögern wolle, in dem sie dann  mit der Armee  alleine ist.

 

Für Omer ist dieser Wechsel härter und überraschender als für die meisten anderen Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen: sie ist die Tochter eines früheren Vertreters des Mossadchefs, dem israelischen  Nachrichtendienst, dessen Direktor er beinahe geworden wäre.

 

Omer wuchs inmitten des riesigen Sicherheitsestablishments auf,  das jetzt für sie eher zum Feind  als zum Freund geworden ist. Ihr Vater  kam in den Zeitungen als N. vor. Er war ein ranghoher Nachrichtendienstoffizier, der zum Mossad ging und hier  2007 bis an die Spitze avancierte. Er wurde der Vertreter des Mossadchefs, Meir Dagan, nun  der mächtigste, geheimnisumwitterte Mann im israelischen Sicherheitssystem.

 

N. dessen  besonderes Interessengebiet der Iran ist, wurde als Dagans designierter Nachfolger angesehen, aber Dagan hatte nicht die Absicht, in den Ruhestand zu gehen. Meinungsunterschiede entwickelten sich zwischen  den beiden starken Bossen. N. zog sich 2007 zurück.

Dies war die Zeit als seine 18jährige Tochter Omer, ein verwöhntes Kind des reichen Vorortes von Ramat Hasharon, damit begann, sich von der üblichen Gymnasium-Armee-Karriere abzuwenden.

Parallel zum Kampf ihres Vaters und seines Rückzugs aus dem Mossad rebellierte Omer gegen den Weg, den er ihr vorbereitet hatte. Sie ging auf die andere Seite der Mauer, um einen Blick auf das Leben der Palästinenser zu werfen. Man könnte dies die Rebellion eines Jugendlichen gegen seinen Vater nennen …

Sie ist eine von etwa 40 SchülerInnen, die dieses Jahr einen Protestbrief von Schulentlassenen unterzeichnet haben. 38 Jahre nach einem ersten solchen Brief – eine heftige Gegenreaktion gegen die Besatzung und den Abnützungskrieg, abgeschickt von Schülern der letzten Klasse an Golda Meir, der Ministerpräsidentin – ein Brief, der  einen Aufruhr verursachte.

 

Seitdem gibt es andere, ähnliche Briefe, und wenn auch die Wut nicht dieselbe wie damals war, ruft Verweigerung aus Gewissensgründen kalten selbstgerechten Zorn hervor.

Omer sagte mir, der wichtigste Moment für ihre Veränderung sei dieses Jahr geschehen, als sie zu einem palästinensischen Dorf ging, wo die Armee eine Straßensperre errichtet hatte. Jemand, den sie bis jetzt als Feind angesehen hatte, stand neben ihr und jemand, von dem sie annahm, dass er ihr Leben schütze, schoss auf sie.

„Wir saßen am Straßenrand und sprachen mit einander, als Soldaten kamen, die ein paar Sekunden später die Order erhielten, mit Gasgranaten und Gummigeschossen auf uns zu schießen. Da wurde mir zu meiner Überraschung klar, dass der Soldat Order gehorcht, ohne nachzudenken. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ein israelischer Soldat seine Waffe gegen mich erhob und auf mich schoss.“

Und dann hast du dies deinem Vater erzählt? Vater war erstaunt und ärgerlich, dass ich dort war und mein Leben in Gefahr brachte. Danach hatten wir lange Gespräche. Er unterstützte mich als seine Tochter, und wir haben gute Beziehungen, aber er ist  entschieden gegen das, was ich tue und noch mehr gegen meine Weigerung, in der Armee Dienst zu tun.

Zuerst dachte er, das sei eine vorübergehende Phase eines Jugendlichen. Später verstand er, dass es tief aus meinem Inneren kam. Er und ich haben sehr ähnliche Charaktere. Auch ich kämpfe für etwas bis zum Ende, wenn ich davon überzeugt bin. Aber ideologisch sind wir sehr gegensätzlich.

Als ich noch etwas mehr über ihren Vater wissen wollte, lächelte Omer und schwieg. Ein seltener Augenblick der Ruhe.

Am  23. September verweigerte sie den Militärdienst, wurde verhaftet und  für 21 Tage ins Gefängnis gesteckt. In dieser Woche wird sie noch einmal vors Gericht gestellt – und dann noch einmal, bis die Armee oder sie es satt haben.

 

In zwei Wochen ist mein Sohn dran, in die Armee einzutreten, und ich werde ihn zur Militärbasis begleiten, wo ich Omer Goldmann das letzte Mal sah. Anders als sie, hat Noam vor, seinen Militärdienst zu tun. Und ich verstehe beide.

 

(dt. Ellen Rohlfs)