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Wir sind israelische jüdische Historiker
Deshalb haben wir den Zionismus hinter uns gelassen
1. August 2016
Unsere
Verbindungen nach Israel blühten, zögerten und endeten schließlich, obwohl wir
im Herzen der amerikanischen jüdischen Gemeinde wuchsen, lebten und arbeiteten.
Hasiya
Diner: Das Israel, das ich einmal liebte, war eine naive Wahnvorstellung.
Als ich gefragt wurde, ob ich eine Delegation auf der progressiven
Hatikva-Plattform zum Zionistischen Weltkongress 2010 leiten würde, fand ich
meinen persönlichen Rubikon, die Linie, die ich nicht überqueren konnte. Ich
wurde angefragt, das „Jerusalem-Programm“ zu unterschreiben. Diese Erklärung von
Prinzipien bat mich, zu bestätigen, dass ich an die zentrale Lage des
Staates Israel und Jerusalem als Hauptstadt für das jüdische Volk glaubte. Es
ermutigte „Aliya, Auswanderung nach Israel“ zu machen. Das ist die klassische
Negation der Diaspora und als solches das Ende des jüdischen Lebens außerhalb
der Heimstätte in Israel.
Das
„Jerusalem-Programm“ bat mich auch darum, dass ich die Stärke
Israels als eines „jüdischen, zionistischen und demokratischen Staat“ sehen
sollte. Was die Demokratie betraf, hatte ich kein Problem, aber das singuläre
Bestehen Israels als ein jüdischer und zionistischer Staat ließ mich
realisieren, dass im Lichte dieses Dokuments ich mich nicht länger eine
Zionistin nennen konnte. Bedeutet Jüdisch eine Rasse oder eine Ethnizität?
Bedeutet Jüdischer Staat ein rassistischer Staat?
Er
bedeutet den Tod einer großen Anzahl jüdischer Gemeinschaften als Ergebnis
zionistischer Aktivität, dass das jüdische Volk verarmte und uns vieler
Kulturen beraubte, die in den Schlund israelischer Homogenisierung fielen . Das
Ideal eines religiösen, neutralen Staates arbeitete für Millionen Juden, die
nach Amerika kamen, erstaunlich gut.
Der
sozialistische Zionismus der Habonim-Jugendbewegung war in meinen frühen Jahren
zentral und lieferte während der 1970er Jahre, als die jüdische Besiedlung der
besetzten Gebiete begann, meine Basis. Ich brauche nicht zu betonen, dies war
von der Zeit an, als das palästinensische Land, das von Juden enteignet
wurde, sprunghaft angestiegen ist, und als die Taktiken, die vom Staat Israel
angewandt wurden, die Palästinenser immer mehr unterdrückten.
Ich
brauche auch nicht zu sagen, dass das exponentielle Wachstum der politisch weit
rechten Parteien und die zunehmende Haredisation Israels zu einem Ort macht, den
ich bei einem Besuch verabscheue und dem ich kein Geld mehr überlasse, und
dessen Produkte ich nicht kaufen werde und dessen politische Schlagkraft
ich nicht unterstützen werde.
Ich habe
schon zu viel über Kolonialismus und Rassismus gelesen, um das aufrecht zu
halten, was ich jetzt sehe, dass erst die Ereignisse vom Juni 1967 alles
änderten. Das Israel, das ich liebte, in dem meine Eltern die engste Annäherung
an das Eden auf Erden sahen und das vor 1967 und vor der Enteignung des
arabischen Landes und der Vertreibung der Palästinenser bestand. Das
Rückkehr-Gesetz kann ich nur noch als Rassismus verstehen. Ich verabscheue
Gewalt, Bombardierung, Messerstecherei oder verletzende Mittel, die unterdrückte
Individuen zu Angst und Frustration führt. Und doch bin ich nicht
überrascht, wenn sie dies nach so vielen Jahrzehnten der
Unterdrückung tun.
Ich
empfinde eine Art Abscheu, wenn ich eine Synagoge betrete, vor der ein Schild
steht „Wir stehen zu Israel“. Ich gehe zu vielen jüdischen
Versammlungen nicht mehr, von denen ich weiß, dass sie sich mit Israel
identifizieren.
Marjorie
N. Feld: Der Augenblick, in dem ich meine Erziehung neu überdachte.
Bei
allen Aspekten meiner jüdischen Erziehung war ich in die Holocaust- Erziehung
eingetaucht. Es war mir absolut klar, dass nur Israel die KZ-Lager, den
Antisemitismus des rechten Flügels und einen Genozid verhindern konnte, damit
dies nicht noch einmal geschieht.
Freunde
und ich reisten 1988 bei einem Sommer-Hochschul-Programm durch Israel und
trafen auf jüdische Touristenorte (Massada, die Westmauer), die beide uns
bestärkten: den jüdischen nationalistischen Triumphalismus und die
mitbedingte Unsichtbarkeit der Palästinenser, die Gewalt und ethnische
Säuberung, die den jüdischen Staat schuf.
Ich
nenne es jetzt meine Propaganda-Reise, doch lernte ich diese Sprache erst
später. Bei Nicht-Juden begegnete ich in liberalen und linken
Organisationen im Kolleg zunächst strenger Kritik des Zionismus als westlicher
Kolonisation, als militaristisches Projekt, als Rassismus. Sehr ordentliche
Freunde von mir artikulierten diese Kritik und bereiteten mir schreckliches
Unbehagen.
Eine
feministische Wissenschaftlerin, die ich bei einer Konferenz traf, fragte mich
direkt, ob ich mich als Zionistin ansehe – und gab mir eine direkte Antwort. Ihr
Zorn wurde offensichtlich. Sie schrie fast: „Hast Du nicht Chomsky gelesen?“ Ich
bekannte, dass ich noch nichts von seinen Büchern über Israel gelesen hatte.
Wie ich mich erinnerte, wandte sie sich an jenem Abend von mir ab. Es mag
übertrieben oder wahrscheinlich eher mein eigenes Gefühl von Scham gewesen
sein.
Ich
orientierte mich um und beschloss, nicht mehr auf all die Fakten
zu schauen, die mir seit Jahren aufstießen. Das Radio
verkündigte 1947 die Stimmen bei der UN, dass das jüdische Volk nun eine
Heimstätte hatte und dass es nie wieder einen Genozid erleben werde. Ich
lauschte dieser Meldung und dieser Interpretation dutzende Male. Ich
interpretierte sie von Neuem. Die Gründung Israels war die Nakba, die große
Katastrophe der Palästinenser mit ethnischer Säuberung, Zerstörung und keinem
Recht auf Rückkehr.
Kurz
gesagt: Ich fand keine gemeinsame Basis mehr mit denen, die mich als
anti-semitisch ansahen oder anti-zionistisch oder gar als Verschwörer auf der
Linken. Ich sah, dass dieses Israel gut in mein Verständnis von westlicher
Kolonisation passte. Wie konnte Israel ein Gegenmittel zum Genozid sein,
wenn es das Produkt von Imperialismus und ethnischer Säuberung war.
Wie
Hasia fühlte ich mich oft marginalisiert. Ich reiste durch mehrere Städte, fuhr
an vielen Synagogen vorbei, auch an meiner Synagoge, weil ich mich weigerte,
eine Institution zu betreten, die das Banner trug mit den Worten „Wir stehen zu
Israel.
„Vor“
und „nach“ dem Zionismus in der US-jüdischen Gemeinde.
Unsere
Reisen von „vor“ und „nach“ der Identifizierung mit dem Zionismus sind
schmerzhaft gewesen. Wir suchten nach Verbündeten und Institutionen. Wie fanden
beide, dass Orte jüdischer Studien schwierig waren, wo man Israel hätte
kritisieren können, gegen die Besatzung einzutreten oder gar gegen den
Zionismus. Obwohl wir sicher nicht behaupten, für alle amerikanischen Juden zu
sprechen. Als Wissenschaftler wissen wir, dass wir Teil von etwas viel Größerem
sind, wir meinen, dass wir die Prinzipien der amerikanischen jüdischen Führer
erschüttern sollten. All ihre Reden über Israel und Palästina sollten wir
beenden, auch die Dämonisierung der BDS-Bewegung. Sie wollen auch jene zum
Schweigen bringen, die abweichende Meinungen über den zionistischen
„Konsens“ haben: Es gibt inzwischen eine wachsende Kluft zwischen diesen Führern
und dem Volk, für das sie zu sprechen behaupten.
Hasia
Diner ist Professorin der amerikanisch-jüdischen Geschichte an der New
York-Universität. Sie ist die Autorin von „Wir erinnern uns mit Ehrfurcht
und Liebe: Die amerikanischen Juden und der Mythos des Schweigens nach dem
Holocaust“ ( NYUP 2010)
Marjorie
N. Feld ist Professorin für Geschichte am Babson-Kolleg und Autorin von : „
Geteilte Juden und der Kampf gegen die Apartheid“ / Palgrave Macmillan, 2014)
( dt. Ellen Rohlfs)