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Der zurücktretende Erzbischof erinnert an die einmalige Rolle der Getreuen

 

Jerusalem, 11. März 2008: Authentische Christen und Christinnen sind aufgerufen, die Gesellschaft mit ihrer spirituellen Energie anzureichern, sagt Erzbischof Michel Sabbah.

 

 Der Lateinische Patriarch, Erzbischof Sabbah, verfasste einen 38seitigen Pastoralbrief, in dem er über die 20 Jahre seines Dienstes für die Kirche von Jerusalem bis zum Tag seiner Pensionierung nachdachte. Michel Sabbah feiert am 19. März seinen 75. Geburtstag, das ist der Zeitpunkt, an dem Bischöfe in den Ruhestand treten. (Die vorliegende Zusammenfassung wurde von Paul Lansu, Pax Christi International, verfasst).

 

Nachfolger des Patriarchen ist Erzbischof Fouad Twai, seit zwei Jahren sein Koadjutor.

 

In seinem Brief vom 1. März dankt Erzbischof Sabbah Gott und allen denen, mit denen er jahrelang zusammengearbeitet hat, besonders den Franziskanern, die seit 1342 Hüter der Heiligen Stätten der Christenheit sind.

 

Über seine Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre in dem konfliktreichen Heiligen Land erklärte er: „Weil die Kirche von Jerusalem die Mutterkirche ist, weil sie klein ist und sich mit vielen Schwierigkeiten auseinander setzen muss, und weil sie immer dem Kreuz nah ist, war die Zahl der Solidaritätsbotschaften und  der Pilger aus allen Kirchen zahllos, vor allem von der römischen Kirche und dem Heiligen Vater.

 

„Die Pilgerreise von Papst Johannes Paul II im Jahr 2000 war für die Gegenwart die Krönung der katholischen Kirche in diesem Land. . Wir hoffen, dass die nächste Pilgerreise von Papst Benedikt XVI uns neue Hoffnung gibt und den Kirchen, den Gläubigen aller Religionen wie auch den Politikern in diesem Land eine neue Vision der Vergebung, Gerechtigkeit, Versöhnung und Frieden geben wird“.

 

„Die ChristInnen,“ setzte der Patriarch fort, „sind gering an Zahl im Heiligen Land und in der Kirche von Jerusalem. Das ist nicht nur das Ergebnis historischer und sozialer Umstände. Diese Realität ist direkt verknüpft mit dem Mysterium Jesu in diesem Land. Vor 2000 Jahren kam Jesus mit seinen Aposteln, seinen Schülern und einer geringen Anzahl von Getreuen, die an ihn glaubten, und sie blieben eine kleine Schar.“

 

„Heute, 2000 Jahre später“, fügte er hinzu, „bleibt Jesus in der gleichen Situation, nicht erkannt zu werden in seinem Land; und Jerusalem, die Stadt der Erlösung und Quelle des Friedens für diese Welt, bleibt eine Stadt, die die Erlösung noch nicht angenommen hat und auch nicht zum Frieden findet. So sind die ChristInnen eine kleine Zahl von ZeugInnen für Jesus in seinem Land.“

 

Aufruf

 

 Indem er den einmaligen Ruf für die ChristInnen  beschrieb, sagte Erzbischof Sabbah: „Jede Gesellschaft zählt auf die Anzahl der Bürger, der Soldaten, und auf die Menge der Waffen. Wir ChristInnen,  wie viele wir sein mögen, zählen zuerst auf den Glauben eines/r jeden von uns. Jesus sagt, „Mit dem Glauben kannst du Berge versetzen“. „

 

„Ein Christ muss sich selbst als Christ akzeptieren. Was heißt das? Es heißt, das ganze Evangelium von Jesus Christus, das Ewige, das fleischgewordene Wort Gottes zu akzeptieren und danach im Lichte dieses Mysteriums unser tägliches Leben zu leben, egal, ob es einfach sei oder schwierig,  das betrachtet die Gesellschaft , zu der wir gesandt sind, als unmöglich

 

„Ein authentischer Christ weiß, dass er oder sie Teil der Gesellschaft ist, und dass er oder sie mit der Herausforderung konfrontiert ist, für sie gemeinsam mit allen Mitgliedern der Gesellschaft Verantwortung zu tragen.

 

„Es ist sicher von Christen nicht gefragt, dass sie ihren Glauben in fanatische und provokative

Haltungen umsetzen,“ unterstrich der Patriarch, „aber der Christ ist aufgerufen, die Gesellschaft durch seine Begabungen und seine spirituelle Energie zu bereichern, die er oder sie erhalten hat. Die Gesellschaft selber fordert das vom Christen; andersherum: warum würde der Christ, die Christin sich unterscheiden, wenn sein oder ihr besonderer Glaube für die Gesellschaft nichts Neues brächte?“

 

Das Geschenk des Friedens

 

„In unserem Heiligen Land,“ erklärte der Patriarch, „haben wir manchmal den Eindruck, dass  ein Teil von uns unter dem Boden in der Vergangenheit vergraben ist, und nur ein Teil kommt aus dem Untergrund hervor und lebt in der Gegenwart. Das lähmt die Vision und die Aktivität der Kirche und die Gemeinschaft der Gläubigen und schafft Spannungen.“

 

„Die Wurzeln sind die Vergangenheit. Und die Wurzeln, die unten bleiben, müssen neue Blüten und Früchte hervorbringen“, setzte er fort. „Eine Tat und eine Erneuerung sind notwendig im Bereich der Mentalität, des Dialogs und der Beziehungen zwischen den verschiedenen Diözesen und Kirchen mit ihren vielfältigen Institutionen. Alle müssen glauben und sich leiten lassen durch die Vision des Johannes in der Apokalypse: „Siehe, ich mache alle Dinge neu.“

 

„In dem Land, das Gott gehört“, schloss  Erzbischof Sabbah, „werden nur die Wege Gottes zu einer Lösung des Konflikts führen. Menschliche Gewalt, ob sie von dem Stärkeren oder dem Schwächeren ausgeübt wird, ist nicht der gute oder wirksame Weg, den Frieden zu erreichen. Frieden im Land Gottes wird ein Geschenk Gottes sein.“    

 

Michel Sabbah ist seit Dezember 1997 Patriarch von Jerusalem. Geboren wurde er 1933 in Nazareth in eine palästinensischen Familie. Nach dem Studium der Philosophie und Theologie im Seminar des Patriarchen in Beit Jala wurde er ordiniert und zum Vikar der Gemeinden  in  Nazareth, Mabada und Beit Jala bestellt. Als Prediger verbringt er zwei Jahre in Djibouti. Zurückgekehrt wird er Gemeindepfarrer in Amman, Jordanien. In Paris beendet er seine Studien der arabischen Philologie, die er in Beirut begonnen hatte. Hernach leitet er das Nationale Lyzeum in Amman und wird Präsident der Universität von Bethlehem. Vor allem wird er der Präsident des Kirchenrates für den Mittleren Osten und der Internationalen Pax Christi Bewegung.