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Kommentar zur Stuttgarter
Erklärung
Richard Falk, 28.12. 10
Ich benütze diesen Blog, um meine Unterstützung für die
Stuttgarter Erklärung zu verdeutlichen, die bei ( bzw. nach ) einer
außerordentlichen Konferenz in jener deutschen Stadt im letzten November
entstand.
Die Bedeutung der Stuttgarter Erklärung kann kurz mit
folgenden drei Bemerkungen
ausgedrückt werden:
- Das symbolische Erwachen Deutschlands gegenüber dem
Leiden und der Ungerechtigkeit , die dem palästinensischen Volk auferlegt
wird, ist ein weiteres Zeichen für die zunehmende Stärke der
palästinensischen Solidaritätskampagne. Hier
muss die besondere Sensibilität Deutschlands auf Grund seiner
nationalen Erinnerungen an die Nazizeit mit dem Holocaust erwähnt werden.
Die Solidaritätskampagne unterstreicht die Tatsache, dass deutsche
Passivität hinsichtlich der palästinensischen Situation nicht länger
gerechtfertigt werden kann, wenn sie je wegen seiner
schuldbeladenen Vergangenheit gerechtfertigt werden konnte. Sie
stellt eher eine Einwilligung in ein grausames Regime dar, das ein Volk seit
mehreren Jahrzehnten kollektiv bestraft, was ja ein Kernelement der Nazis
war. Diese Einwilligung wird vom deutschen Staat weitergeführt, aber die
Stuttgarter Erklärung zeigt eine deutsche gesellschaftliche Bereitschaft für
moralisches Engagement beim palästinensischen
Elend und Kampf, was moralische und gesetzliche Klarheit über den
Konflikt ausdrückt. Dies sollte als eine historisch bedeutende Weigerung
angesehen werden, die nicht länger von krankhaften zionistischen Bemühungen
eingeschüchtert wird, durch die jegliche Kritik an Israel, auch wenn sie
wohl begründet ist, als nichts anderes als ein Ausdruck von Antisemitismus
angesehen wird. Wenn die Deutschen von dieser Art Hetze nicht länger
eingeschüchtert werden, dann sollten auch wir anderen, die keinen
historischen Vorwand haben, uns nicht weiter einschüchtern lassen.
- Die politische Absicht der Stuttgarter Erklärung geht
dahin, ernsthafter intellektueller Meinung und politischem Urteil gegenüber
dem weltweit wachsenden Konsens unter den Palästinensern und ihren
engagiertesten Unterstützern Gewicht zu geben, dass die Friedensvision durch
den israelischen Rückzug aus den
1967 besetzten Gebieten zu einem palästinensischen Staat ( auf den 22% des
historischen Palästina) nicht länger eine realistische oder wünschenswerte
Basis für einen gerechten Frieden darstellt.
Den israelischen Staat als jüdischen Staat zu bestätigen, - wie die
Erklärung deutlich macht - heißt, die palästinensische Minderheit von etwa
1,5 Millionen dauerhaft zu Bürgern
zweiter Klasse im Land ihrer Vorväter zu machen. Es ist ausgeschlossen, dass
ein religiös und ethnisch definierter Staat im frühen 21. Jahrhundert mit
den Menschenrechten und mit Demokratie in Einklang gebracht werden können.
Abgesehen davon hat das Phänomen der Siedlungen, die sich mit großer
Geschwindigkeit illegal ausdehnen, die Besatzung durch Israel in eine de
facto-Annexion verwandelt, die praktisch nicht umkehrbar ist. Natürlich sind
es die Palästinenser – und nur die Palästinenser – die entscheiden können,
wann der Kampf für das Recht der Selbstbestimmung verwirklicht wird. Es ist
auch eine offene Frage, ob unter den Umständen von 2011 es eine Entität
gibt, die maßgeblich im Namen aller
Palästinenser sprechen kann.
In dieser Hinsicht ist die Stuttgarter Erklärung ein
Ausdruck einer Stimme, die durch die Überzeugung führender palästinensischer
Patrioten und ihrer stärksten Unterstützer, einschließlich jener mit
israelischer Identität, flektiert wird. Es ist ein Vermächtnis von Edward Saids
Eintreten für einen vereinigten säkularen und demokratischen Staat, der das
ganze historische Palästina umfasst – dies enthält auch die Stuttgarter
Erklärung – ein Grund mehr sie zu unterstützen und zu verbreiten.
- Die Stuttgarter Erklärung ist auch ein Dokument, das
den Kontrast zwischen den Perspektiven der palästinensischen
Solidaritätsbewegung und der Diplomatie zwischen den Regierungen aufdeckt
und zwar, wie der israelisch-palästinensische
Konflikt gelöst werden kann. Die staatliche Welt der Diplomatie ist
immer noch auf Verhandlungen zwischen
Israel und der palästinensischen Behörde fixiert, die sich auf das
Ziel der Verwirklichung eines lebensfähigen und unabhängigen Palästina
gründet, das in Frieden neben Israel lebt. Nach 43 Jahren
israelischer Übergriffe setzt es ein nicht realisierbares Ziel
voraus: einen lebensfähigen palästinensischen Staat. Und stellt sich eine
„entmilitarisierte palästinensische Entität auf dem vor, was
Siedlungsblöcke, die Infrastruktur der Straßen und Sicherheitszonen und die
Mauer von den 22% ( des Westjordanlandes)
übrig gelassen haben. Dies führt nirgendwo hin außer zu einer
Kombination von Illusion mit israelischer Hegemonie. Die gesellschaftliche
Perspektive, die so gut in der Stuttgarter Erklärung artikuliert ist, die
angewiesen ist auf die
Gewaltlosigkeit über die BDS-Bewegung, bietet beiden Völkern und der Region
eine friedliche Zukunft, die sich auf Gerechtigkeit und echte Versöhnung
gründet. Das Problem für uns alle, die wir in diesem Kampf engagiert sind,
ist, ob wir den Willen und die Verpflichtung haben, Gewaltlosigkeit über
Gewalttätigkeit vorherrschen zu lassen.
(dt. Ellen Rohlfs)