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Seit Generationen: Das Schicksal palästinensischer Kinder unter Besatzung

 Felicia Langer

2013

„Das Studienzentrum palästinensischer Verhafteten berichtet, dass das israelische

Militärgericht in Salem drei palästinensische Kinder aus Azzoun nahe Qalqilia für

4 Monate eingesperrt hat.

Das Gericht verzögert auch die Entlassung eines anderen Kindes aus Jenin, entließ

aber dessen Bruder. Anwalt Mustafa Azmuti berichtete dem Zentrum, dass dieses

Salem-Gericht Qels Waddah Shbeita, 16, Mohammed Adel Shbeita, 16, und Mohamed

Abdul-Fattah Radwan, 15, jeden zu vier Monate Haft verurteilt hat. Sie wurden alle

In ihrer Wohnung in Azzoun am 7. Dezember verhaftet, nachdem die Armee in die

Wohnungen eingebrochen war (meistens nachts). Sie werden augenblicklich im

Megiddo Gefängnis gehalten.

Ähnliche Nachrichten: Das Salem Gericht verschob die Entlassung im Fall eines ver-

hafteten Kindes, Ihsahn Ayman Aabed, 14, bis 30. Dezember nach einer psychologi-

schen Beurteilung, aber weigerte sich, ihn zu entlassen.“

(Imemc, 29. Dezember 2012)

 

In einem letzten Bericht berichtete das Palästinensische Ministerium für Verhaftete,

dass es dieses Jahr ein Anwachsen der israelischen Gewalt gegen palästinensische

Kinder gibt, und dass 2012 israelische Soldaten 900 palästinensische Kinder kidnappten

(2011 waren es 700).

 

Im Augenblick gibt es mehr als 140 palästinensische Kinder, die unter Verhör stehen

oder auf die Verurteilung warten, und im Ganzen werden 200 Kinder von Israel fest-

gehalten, einschließlich 32 unter 16 Jahren.

 

Israel hält zur Zeit mindestens 4600 Palästinenser gefangen, einschließlich 200 Kinder

und 11 Frauen; zusätzlich 1200 Verhaftete, die krank sind; 20 sind ständig in Gefängnis-

kliniken.

 

„Am Mittwoch, dem 20. März 2013, erschienen um 7.30 Uhr 22 israelische Soldaten in

der Hebron Public Elementary School und zwangen die Schulkinder, zum Checkpoint 29

zu gehen und dann in Militärfahrzeuge einzusteigen. Insgesamt nahmen sie während

dieses Vorfalles 27 Kinder im Alter von 7 bis 15 Jahren mit.

 

Während 24 der Kinder im Laufe des Tages oder der nächsten Tage wieder freigelassen

wurden, befinden sich Muhamad Al-Razim, Muhamad Burqan und Muhamad Al-Fakhoury

(14 bis 15 Jahre alt) immer noch (heute Mittag habe ich zuverlässig die Bestätigung

bekommen) im Ofer?-Militärgefängnis. Die Gefangenenorganisation Addameer und die

Organisation EAPPI (Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel des Weltrates

der Kirchen in Genf), sowie weitere Menschenrechtsorganisationen bitten darum, aktiv zu

werden, die entsprechenden politischen Stellen des eigenen Landes und die Verantwort-

lichen in Israel zur sofortigen Freilassung der Jugendlichen aufzufordern.“

(Pater Rainer Fielenbach)

 

 

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Zwei Kinder von Kfar Jayyus, Mustafa Hassan Kadam, 12 Jahre alt, und Afif Tomasni,

9 Jahre alt. Beim Versuch, ihren Sohn Afif zu schützen, stellen sich die Mutter und der

Vater vor den Kleinen. Die Mutter wurde dabei von einem Soldaten so heftig mit dem

Gewehrkolben gegen die Schulter gestoßen, dass sie mit der Ambulanz nach Qalkilia

in die Klinik gebracht werden mußte. (Kfar Jayyous, 30. März 2013)

 

Diese kurzen, lakonischen Berichte aus den 46 Jahren der Besatzung sprechen Bände…

 

Meine eigene Vergangenheit ist auch die Vergangenheit der israelischen Besatzung mit

Generationen von verhafteten und geschundenen palästinensischen Kindern. Ich habe

es sorgfältig in meinen Büchern geschildert wie zum Beispiel dieses Erlebnis:

(aus „Zeit der Steine“, 1982)

 

„Sie sind namenlose Opfer, die sich nicht mit einer einzigen Zeile in der Presse trösten

können. Wenn sie überhaupt in all den Zeitungen vorkommen, dann irgendwo am

Rande. Sie werden beschrieben als die, die ‚den Frieden brechen‘, als ‚Unruhestifter‘

oder bestenfalls als die ‚Einheimischen‘.

Ein Heer palästinensischer Kinder liegt mit gebrochenen Armen und Beinen im Rafidia-

Krankenhaus in Nablus. Der Lehrer Abed al-Aziz H’naisha, kein Opfer von Schusswaffen,

sondern von physischer Folter, und das Mädchen Dalia Tukan.

Worte kommen aus meinem Mund, als stammten sie nicht von mir. Verschossene Patro-

nenhülsen sind hier und da verstreut, Eigentum der israelischen Armee und verschiedener

Gruppen von Siedlern. Die Verwundeten sammeln sie wie Souvenirs. Augen, die sehr

wenig von der Welt gesehen haben, und kindliche Lippen mit gequältem Lächeln, um den

Schmerz zu verbergen.

Nein, hier ist jedes Wort fehl am Platze, selbst Worte der Wahrheit über Kriegsverbrecher,

die eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden, die auch Verbrechen gegen mein

eigenes Volk begangen haben, die jeden Schein der Menschlichkeit verloren haben.

Schweigend streichle ich die Köpfe und fühle den Schmerz von Sa’ad und Samer und den

zitternden Körper von Amjad, den sie noch folterten, nachdem sie auf ihn geschossen

hatten.  Sie sind mir wie eigene Söhne:  Amjad, Samer, Sa’ad, Kifah und Majeed.“

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Mein Sohn Michael hat jetzt Kinder und einem von ihnen, Naomi, habe ich mein Buch

„Quo vadis Israel“ 2001  gewidmet, als sie noch ein Baby war. Dort schrieb ich über die

palästinensischen Babies, die an israelischen Straßensperren gestorben sind: „ Naomi

wird später auch etwas erfahren über Israel und Palästina und das traurige Schicksal von

Babies und ihren Müttern an den Militärsperren und Barrikaden im von Israel besetzten

Land.“

 

So war die Vergangenheit und leider ist die Gegenwart ihre Kontinuität. Meine Gedanken

hier und jetzt und mein Herz sind bei den verhafteten palästinensischen Kindern und ihren Eltern. Mein Zorn richtet sich gegen alle in Israel, die die Palästinenser und ihre Kinder entmenschlichen. Und auch gegen diejenigen, überall auf der Welt, die das Verbrechen verschweigen. Meine Botschaft an Israel war und ist: „So verliert ein Volk seine Seele.“