http://www.freitag.de/2008/05/08050203.php

 

Freitag, 1.2.2008

Felicia Langer

Nicht in meinem Namen

GASTKOMMENTAR

Die fortgesetzte Blockade des Gaza-Streifens ist eine Schande

 

"Was wollen die Palästinenser - wir haben doch Gaza 2005 geräumt?", sagt die israelische Propaganda und verschweigt, dass die Armee den Landstrich verlassen und sich selbst überlassen hat. John Dúgard, UN-Beauftragter für Menschenrechte, beschreibt es so: "Gaza ist ein Gefängnis, Israel besitzt den Schlüssel und hat ihn ins Meer geworfen." Kaum anders fällt das Urteil des Internationalen Roten Kreuzes aus: Das okkupierte Volk werde wie eine Geißel des Konflikts behandelt, heißt es da.

Ich verurteile den Abschuss mit Qassam-Raketen aus Gaza nach Israel, ich verurteile jeden Angriff auf Zivilisten. Aber Besatzung ist der Inbegriff von Gewalt, die Gegengewalt zur Folge hat. Die offiziellen Vorschläge für eine Waffenruhe, wie sie von Hamas kamen, werden durch Israel abgelehnt. Einen letzten gab es am 20. Dezember 2007. Wieder reagierte Israel mit Verachtung und zog es vor, mit Panzern und Raketen zu antworten, so dass 38 Palästinenser getötet wurden. In Wirklichkeit will die Regierung Olmert nicht die Qassam-Raketen, sondern die Hamas besiegen. So sieht die Politik aus, wie sie von Verteidigungsminister Barak, einem verkleideten Extremisten aus der Arbeitspartei, ins Werk gesetzt wird. Unsere Friedensbewegung betrachtet ihn als den derzeit gefährlichsten Politiker des Landes.

Für den überwiegenden Teil der Bevölkerung in Gaza fehlt es an reinem Trinkwasser, die Brunnen sind bakterienbelastet und durch jahrelange intensive Wasserentnahme versalzen. 60 Prozent der Einwohner verfügen über kein fließendes Wasser - viele Straßen in Gaza-Stadt sind überflutet, weil das Abwasser direkt aus den Häusern fließt. Es gibt dramatische Engpässe bei der Lebensmittelversorgung, deshalb sahen wir auf dem Bildschirm Tausende die Grenze zu Ägypten stürmen, um sich dort zu besorgen, was sie zum Überleben brauchen. Wer die Bilder sah, glaubte die Befreiung aus einem Käfig zu erleben. Tatsächlich war es ein Zeichen dafür, dass sich die Unterdrückten wehren. Wie schamlos muss die israelische Regierung sein, Menschen in ein solches Maß der Verzweiflung zu treiben? Und die USA? Sie haben ihr Veto im Sicherheitsrat immer parat, um Israel zu schützen. Und das gehorsame Europa? Dort wird geschwiegen. Gerade das muss sich ändern, wenn der israelische Staat als Besatzungsmacht ungerührt die Genfer Konventionen von 1949 verletzt. Deren Unterzeichner - und dazu gehört auch Deutschland - haben die Pflicht, sich einzumischen, um diesen Konventionen überall auf der Welt Geltung zu verschaffen. Es wäre ein Segen für das irregeleitete israelische Volk, wenn es dazu käme.

Was die Regierung Olmert im Namen der Israelis betreibt, heißt Kriegsverbrechen. Der Ort, wohin die Täter gehören, ist der Gerichtshof in Den Haag! Weil die Blockade des Gaza-Streifens rechtswidrig, menschenverachtend und eine Schande ist. Heute demonstrieren die israelischen Friedenskräfte wie Friedensbewegte überall auf der Welt und sagen: "Wir sind alle Gaza!" Wir kämpfen für Frieden und Gerechtigkeit und gegen leere Worte, die benutzt werden, um die weitere Besiedlung der besetzten Gebiete (7.200 neue Wohnungen in Ost-Jerusalem) zu verhüllen.

Aus Verehrung ist dem genialen Musiker Daniel Barenboim ein palästinensischer Pass überreicht worden. Eine Entscheidung, die noch von der Regierung der Einheit unter Beteiligung von Hamas getroffen wurde. Wie sich zeigt, gibt es Partner für den Frieden!

Eine verbrecherische Politik verrät unsere Opfer - die Opfer des Holocaust. Wir, die Lebenden, wehren uns und sagen: "Nicht in unseren Namen!" Deshalb appelliere ich an Sie, Druck auf Israel auszuüben! Sagen Sie Nein zur Blockade des Gaza-Streifens. Nein zur Inhumanität. Ja zu einem gerechten Frieden mit allen und für alle!

Felicia Langer ist Trägerin des alternativen Nobelpreises, Menschenrechtsanwältin und israelische Friedensaktivistin.

 

Erlaubnis zur Veröffentlichung auf www.israel-palästina.de  durch Felicia Langer erteilt