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Jeff Goebel, 11.3.12
Wir kamen
am Nachmittag in Al-Aqaba an. Der Bürgermeister Haj Sami wartete an der
Bushaltestelle im Dorfzentrum dieses ländlich-landwirtschaftlichen Dorfes mit
etwa 300 Bewohnern. In Sichtweite
davon entfernt steht im Tal eine
Dorfattrappe, die den Israelis für Kriegsspiele dient.
Nachdem wir
unser Gepäck im Gemeindegästehaus untergebracht hatten, treffen wir den
Bürgermeister Haj Sami in seinem Büro. Sami begann, das Wort „Frieden“ zu
benützen ; er wolle in Frieden mit seinen Nachbarn leben. Dann schlug er vor,
einen Rundgang durchs Dorf zu machen. Sami ist in einem
Rollstuhl, an den er sein Leben lang gebunden ist, nachdem er 1971 von
einem Soldaten eine Kugel in den Rücken bekam.
Wir fünf
machten uns auf den Weg durch dieses wunderbare Dorf. Die Luft war warm und der
letzte Regen half, dass das Getreidefeld grün und kräftig aussah. Wir aßen
frische junge Erbsen, die uns die Bewohner des Dorfes vom Feld pflückten. Die
Schafe wurden für die Nacht zurück
ins Dorf von den umliegenden Abhängen zusammengetrieben. Da ich mit Tieren und
Viehzüchtern zusammenarbeite und mich immer wundere, wie viel Zeit westliche
Tierzüchter benötigen, um ihre Tiere einzusammeln und wie sehr ihre Tiere vor
Menschen Angst haben, war ich erstaunt, wie selbstverständlich diese Tiere ihrem
Hirten in ihre Hürde folgten.
Dieses Dorf hat wie viele in den palästinensischen besetzten Dörfern von der
Armee zerstörte Häuser und Straßen. Es wurden verschiedene Gründe angegeben.
Fragen kamen auf wie „ Was haben die Dorfbewohner den Soldaten und Siedlern
angetan, die sich immer weiter auf
dem Land verbreiten. Sie sprechen über die Doppel-moral von Regeln, wobei die
einen für israelische Juden sind und die andern für Palästinensern. Es gibt
Einschränkungen fürs Fahren und wo
was gebaut werden darf.
Unser
Nachmittagsspaziergang war lang und führte durch die ganze Gemeinde auf
asphaltierten Straßen…Er machte uns mit vielen Dorfbewohnern bekannt. Jedes Mal,
wenn ein Kind meine Begleiterin Morgan, eine junge amerikanische Frau , sah, die
in diesem Dorf unterrichtet hatte, riefen sie vor Freude und winkten ihr zu. Die
Leute waren sehr freundlich. Sami gebrauchte immer wieder das Wort „Frieden“,
während des Spazierganges.
Dieses Dorf
scheint mit der Verbesserung ihres Dorfes erfolgreich zu sein, trotz der
ständigen Bedrohung durch
militärische Aktionen, die die Infrastruktur zerstören. Neue Straßen sind
asphaltiert worden und mit niedrigen Betonbarrieren versehen worden, die als
Eigentumsgrenzen dienen und die verhindern, dass Militärfahrzeuge über Farm und
Weideland fahren. Sie erweitern ihre Schule und den Spielplatz der Kinder. Sie
entwickeln Unternehmen wie eine Ziegelei, um lokale Hauser zu bauen
und eine kleine Kleiderfabrik.
Was ich bei
dieser Tour erlebte, war ein Mann im Rollstuhl und eine Dorfgemeinschaft, die
ihr Ziel auf ein möglichst gutes Auskommen richtet, das sich auf Frieden
aufbaut. Die Leute, die ich traf, waren mir gegenüber respektvoll, freundlich
und großzügig. Ich sah das bei ihrem Miteinander und uns gegenüber als Gäste der
Gemeinde. Es sind Leute, die ihre persönliche Kraft mit der Hoffnung auf Frieden
verbinden.
Dass dies
für die Dorfbewohner schwierig werden könnte, kann ich sehen.
Vom militärischen Attrappendorf, das oft für militärische Übungen benützt
wird, wird Munition abgeschossen, die nur einige zig Meter
vom Dorfzentrum landen. Kürzlich kamen Hunderte
von Armeesoldaten in den Ort und blieben mehrere Stunden. Die Kinder,
Frauen und Männer waren verängstigt. Und noch immer spricht Sami über „Frieden“.
Wir hatten mit Sami, seiner Frau
und einem Gemeindeleiter Abendessen. Als ich ihn nach der Bedeutung eines
Posters mit arabischer Schrift fragte, sagte er, es seien die 99
Glaubensaussagen des Islam über ein richtiges Leben.
Als er damit fertig war, fragte ich ihn, ob er zornig sei, über die
Kugel, die seine Beine lähmt und ihn daran hindert vieles zu tun, was er tun
möchte. Er sagte : nach dem Koran könne man zornig sein oder freundlich. Er
wählte, freundlich und friedvoll zu
sein.
Als ich mich an
diesem Abend nach meiner ersten Einführung in Al-Aqaba zum Schlafen -gehen
vorbereitete, dachte ich darüber nach, dass ich hier einem Mann und einer
Dorfgemeinschaft begegnet bin , die wenig
positionelle Macht hat, sich aber entschieden hat, seine/ihre persönliche
Kraft einzusetzen und Gutes zu tun. Selbst mit einem immensen Maß an Traumata
und Respektlosigkeit ( von außen) gibt es hier eine Dorf-gemeinschaft, die
versucht, mit einem bestmöglichen Ergebnis
zu leben . Es gibt noch eine Menge Probleme zu lösen wie z.B. wie kann
man die Angst überwinden, dass die isr. Soldaten wiederkommen, dass jemand
erschos-sen wird oder dass Häuser oder Straßen
zerstört werden. Trotz alledem geben sie die Hoffnung nicht auf und tun
das Beste, was sie tun können, um
für ihre Kinder, Familien, die Dorfgemeinschaft eine gute Zukunft zu schaf-fen.
Ich ging dankbar zu Bett, dass ich diesen Menschen begegnen durfte. Sie helfen
mir glauben, dass es sogar
Menschen mit traumatischem
Hintergrund möglich ist, auf eine höhere Ebene des Menschseins zu kom-men. Das
lässt mich an das Buch von Victor Frankl denken : („Des Menschen Suche nach dem
Sinn“) der im Nazi-KZ herausfand, dass wenn die Situation der Menschen absolut
entsetzlich ist, können sie noch nach einer höheren Kraft von Liebe streben.
Dies sind Dinge, von denen ich glaube, dass ich dieses Verhalten bei meiner
voraus-gegangenen Arbeit erlebt habe. Vielleicht kann ich den Leuten in Al-Aqaba
helfen, einen neuen Standard in Palästina setzen, der alle Menschen an einen Ort
von Sicherheit, Respekt und Würde bringt. (dt. Ellen Rohlfs)