Von Ronit
Roccas, Haaretz, (Haaretz-Korrespondent) 21. Februar 2008
Sie waren es gewohnt,
sich in Sderot zu treffen. Das ist ewig her. Der „Blog“ ist eine
Gruppe von Palästinensern aus Gaza und Israelis, die meisten aus Sderot. Die Sirene konnte jeden Moment heulen, aber sie
versuchten ständig, herauszubringen, wie normaler Umgang wieder in die Region
zurückkehren könnte. Sie überlegten sich gemeinsame Sommerlagen für Kinder aus
Gaza und Sderot, und vor allem versuchten sie, einen
Dialog zustande zu bringen, um Vorurteile und gegenseitige Verachtung zu
überwinden. Aber es ist sechs Monate her, seitdem sie sich zuletzt in einem
Wohnzimmer in Sderot treffen konnten.
„Wir haben es aufgegeben,
die Behörden zu beschwören, sie aus Gaza herauskommen zu lassen“, sagt Danny Gal, der Organisator des Dialogs. „Die Leute sind keine
Bedrohung der Sicherheit. Im Gegenteil, sie sind ein positives und beruhigendes
Element, aber die Absperrung von Gaza verhärtet sich. So beschlossen wir, uns
online zu treffen, und die Welt eine andere Stimme hören zu lassen, die aus Gaza UND Sderot kommt“.
Das Ergebnis ist eine
Dauerverbindung auf englisch (http://gaza-sderot.blogspot.com),
die im Januar begann. Zentrum des Blogs sind zwei
Personen: Peace Man (Mann des Friedens) aus Gaza und
Hope Man (Mann der Hoffnung) aus Sderot. Die beiden
haben sich geweigert, ihre Identität preiszugeben oder Interviews zu geben, und
daher spricht Gal für sie. „Die Offenlegung
würde den Mann aus Gaza wirklich in
Lebensgefahr bringen. Man könnte den Blog der
Kollaboration verdächtigen. Deshalb hat der Blog aus
Respekt für den Partner in Sderot diese Entscheidung
getroffen. Sie meinen, dass die Offenlegung für die Medien in diesem frühen
Stadium ihn als Stereotype in der Stadt kennzeichne. Sie wollen sehen, ob das
Ganze erst einmal in Schwung kommt, und welche Art von Aufmerksamkeit die
Aktivität erlangt“.
„Die letzte Nacht war
eine der schlimmsten“, schrieb der Palästinenser am 6. Februar. In den
vergangenen beiden Tagen hat sich die Situation verschlechtert, in Gaza wie
auch in Sderot.
Es begann mit einer
Schießerei zwischen Ägyptern und Palästinensern, die die Grenze offen halten
wollten; und jetzt mit einem Hubschrauber und F16, und man sagt in den
Nachrichten, die israelische Armee würde Gaza angreifen. Viele Palästinenser
wurden getötet und verletzt“.
In anderen online-Botschaften beschreibt der Mann aus Gaza die
wiederholten Besuche in Rafah, nachdem man in den
Zaun entlang der ägyptischen Grenze Breschen geschlagen hatte. „Ich gehe jetzt
mit meinen Freunden zum dritten Mal nach Ägypten“, schrieb er am 28. Januar.
„Es war lustig, obwohl es schwierig war.
„Wir konnten Gaza so
lange nicht verlassen, so war dies eine Chance, Gaza für einige Zeit zu
verlassen und das Gefühl zu haben, frei zu sein, und obwohl es nicht
das ist, von dem wir träumen, gab
es uns die Hoffnung auf Freiheit.“
Gal beschreibt den Blogmann
aus Gaza: „Er ist ungefähr 30, Akademiker, und hat als Lehrer gearbeitet, bis
sie die Schule geschlossen haben. Wäre er ein Israeli gewesen, hätten wir
Kameraden sein können. Er ist ein spaßiger Kerl, der sich für Frauen
interessiert, für seine Karriere, und der überlegt, sich ein Haus zu
kaufen und wie man es mit Raten abzahlt.
Was ihn am meisten schmerzt, ist, dass er Gaza nicht verlassen kann. Er hat im
Ausland ein Magisterstudium (master’s degree) begonnen, musste nach Gaza zurückkommen und sitzt
nun fest. Jetzt kann er nicht weiterstudieren“.
Der Blogmann
aus Sderot beschrieb die Wiederaufnahme der Kassambeschießung. Die Waffenruhe wurde allzu schnell
wieder gebrochen. Er schrieb am 3. Februar während der ruhigen Zeit: „Meine
Frau und ich gingen gestern nachmittags in den Feldern nahe Sderot
spazieren. Das Wetter war ausgezeichnet, und ich dachte gerade, wie schön es
sei, eine ganze Woche ohne Raketen zu genießen... Es ist so leicht, sich an ein
irgendwie normales Leben zu gewöhnen.
„Während wir heimwärts
gingen, fing die gefürchtete Sirene an, vor Raketen zu warnen. Wir lagen flach
auf dem Boden ... Nach einigen Minuten standen wir auf und eilten nach Hause,
da wir die Kinder zu Hause gelassen hatten“.
Gal sagt: „Der Schreiber von Sderot
ist ein Mann um die 40, Techniker. Er liebt die Gegend, ist mit seiner Heimat,
der Gemeinschaft und seinem Geschäft verbunden“.
Einige Tage nach dieser
Botschaft wurden zwei Kinder bei einem der schlimmsten Bombardements der
jüngsten Vergangenheit verletzt. Eines verlor ein Bein, und die Bewohner von Sderot demonstrierten. Der Blogmann
aus Sderot drängte: „Lasst euch durch eure Führer
nicht aufstacheln zu glauben, dass nur Gewalt euer Leben zum Besseren verändern
kann“.
Wie der Blogmann aus Gaza ist auch der Bewohner von Sderot weit entfernt von Stereotypen. „Entgegen dem
Augenschein gibt es in Sderot auch Leute, die anders
denken, die verstehen, dass mehr Gewalt die Kassams
nicht stoppen wird,“ sagt Gal. „Sie leben seit 7
Jahren mit den Kassams. In den Medien hören wir von
Agitationen. Ich kann keine realistischen Zahlen nennen, aber der Blog hat in Sderot viele
Anhänger“.
Die beiden Blogger trafen sich zuerst durch das ehrenamtlich
geführte „Center of Emerging Futures“ (CEF – Zentrum
für eine Zukunft in Sicht), in dessen Leitung Gal
ist. Die Organisation wurde von Whit Jones gegründet,
einem Psychologen und Geschäftsmann aus Idaho, der zwei Partner in die
Initiative mitbrachte: Ibrahim Issa, Direktor einer Schule in Bethlehem- Al Khader (School
of Hope), und Gal, 38, aus Petah
Tikva, einen Organisationspsychologen und Major der
Reserve. Gal brachte seine Erfahrung ein, den Dialog
in Gruppen zu formen und zu moderieren, und Treffen zwischen Israelis,
Palästinensern und Internationalen zu schaffen.
„Wir versuchen nicht, den
Frieden herzustellen“, sagt Gal. „Die Leute fürchten sich vor einander wegen
dieses ganzen Systems von Vorurteilen und Stereotypen; wenn sie sich treffen,
verändern sich alle ihre Vorstellungen. Wir halten Treffen in Beit Jala (nahe Jerusalem in der
Westbank) mit Israelis, Palästinensern und Leuten aus anderen Ländern, die
einen beruhigenden Einfluss einbringen. Aber da gibt es auch die kleineren
Treffen, wie die, welche im Wohnzimmer von diesem Typen in Sderot
abgehalten wurden, und vielleicht kann man die in Zukunft wieder einführen“.
(dt. Gerhilde Merz)
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