Wer rettet Gazas Kinder?
Victoria Brittain, Guardian, 9.12.09
http://www.guardian.co.uk/commentisfree/cif-green/2009/dec/09/gaza-children-palest…
Egal, was jetzt in Kopenhagen geschieht – eine Umweltkatastrophe passiert genau
jetzt – kontaminiertes Wasser vergiftet Babys im Gazastreifen.
Unter all den komplexen und langfristigen Lösungen, die in Kopenhagen gesucht
werden, um die Umweltkatastrophe in aller Welt abzuwenden, gibt es einen Ort, wo
die Katastrophe schon geschehen ist, die aber mit einem einfachen politischen
Akt verändert werden könnte.
Im Gazastreifen gibt es kein sauberes Wasser mehr; von den 40 000 neugeborenen
Babys sind mindestens die Hälfte in unmittelbarer Gefahr
nitrat-vergiftet zu werden – eine hohe Rate des „Blaubabysyndroms“ (
Methaemoglobinanaemia); eine ungewöhnlich hohe Zahl von Menschen sind seit über
zehn Jahren einer Nitratvergiftung ausgesetzt; an manchen Stellen ist der
Nitrat-Gehalt des Wassers 300 mal höher als die Weltgesundheitsbehörde zulässt.
Die Landwirtschaft hat wegen der Kontaminierung und des Salzgehaltes des Wassers
aufhören müssen. Die Wasser führenden
unterirdischen Schichten ( Aquifere) sind im Begriff, zu kollabieren; die
Abwässer fließen in öffentliche Freiräume und versickern im Untergrund.
Die Blockade des Gazastreifens geht nun seit fast vier Jahren und die
lebenswichtige Wasser- und Abwasserinfrastruktur kollabierte
schon während des drei-wöchentlichen Angriffes vor einem Jahr.
Was würde es ausmachen, wenn Israel die 2 UN-Abwässer-Reparaturprojekte
genehmigen würde; ein UN-Wasser-und Abwässerprojekt sind
nicht genehmigt und zwei weitere interne UN- Abwässersysteme sind auch
noch nicht genehmigt. Könnte nicht
wenigstens eine Ecke der Blockade für dieses Baumaterial geöffnet und die
Ausrüstung genehmigt werden, damit das Wasserwerk wieder arbeiten kann und den
Kindern eine Lebenschance gegeben wird. Es wäre nur ein Telefonanruf
mit dem israelischen Verteidigungsministerium nötig. Ein
Weihnachtsgeschenk für den UN-Arbeitsstab vor Ort, der seit Monaten bereit wäre,
zu arbeiten, was an dieser wie an anderen Fronten verzweifelt nötig wäre.
Anfangs des Jahres fragte Senator John Kerry nach einem Besuch im Gazastreifen
die israelische Regierung direkt an, warum keine
Nudeln nach Gaza hinein gelassen werden. ( danach wurden sie wieder
reingelassen) . Wer aus Europa oder den USA könnte den Verteidigungsminister
direkt nach den blauen Babys fragen?
Sarah Brown, die Frau des britischen Ministerpräsidenten, wäre die
beste Kandidatin – eine unabhängige Person … eine Mutter, die einiges
über Probleme von Babys weiß. Und sie könnte von Lord Mandelsohn begleitet
werden, im Falle dass es Probleme
gibt.
Das Wissen darum ist unangefochten. Ein UN-Bericht hat im letzten September
alles unverblümt im Detail
gebracht, einschließlich der regionalen Auswirkungen für Israel und Ägypten,
wenn der gemeinsame Aquifer nicht
ruhen und alternative Wasserressourcen gefunden werden. Das UN-Umweltprogramm
schätzt, dass 1,5 Milliraden Dollar während der nächsten
20 Jahren nötig sind, um den Aquifer zu restaurieren, einschließlich der
Errichtung einer Entsalzungsanlage, um den Druck von den
Untergrundwasservorräten zu nehmen.
Gazas riesige blassfarbige Sandstrände, die sonst als Spielplätze und Orte der
Entspannung für die Gesellschaft benützt werden,
für Familien zum Picknicken, zum Reiten, für die Fischer zum Netze
flicken, fürs Schwimmen für die
Kinder, am frühen Morgen zum Trainieren für die Jungs –
diese Strände sind in diesen
Tagen leer und nicht nur, weil es
Winter ist. Zwischen 50 000 bis 60 000 Liter unbehandelte Abwässer sind
in diesem Jahr seit Ende der israelischen Invasion im Januar 2009 jeden
Tag ins Mittelmeer geflossen. Das Meer stinkt und nur wenige Fische können
innerhalb des erlaubten. drei
Seemeilengebietes von Palästinensern gefangen werden. Diese Ressource scheint
genau so ruiniert zu sein, wie der Schutt von Gazas Parlament und Ministerien.
Einem Besucher des Gazastreifens
könnte diese Katastrophe unter der Oberfläche entgehen, da er die surreale
Wirtschaft, die die Tunnels aus Ägypten bringt, sieht: ein modernes schickes
Cafehaus mit neuen Möbeln, und Kunstdrucken an der Wand, die auch
am Piccadilly nicht fehl am Platze wären, Fisch aus Oman für Restaurants,
fette Schafe und Ziegen für das Id-Fest, neue Autos, wieder zusammengesetzt,
nachdem sie vorher in vier Teile zerlegt worden waren, große
Motorräder…geschäftige Märkte, voller Lebensmittel, Kleidung, Kühlschränke,
Waschmaschinen, Medikamente … Einige Leute
werden dabei
sehr reich auf beiden Seiten der Rafahgrenze.
Aber die Tunnel sind nur ein kleiner Bereich der Realität. „Es fehlen uns die
Worte, um zu beschreiben, wie schlimm es hier ist,“ sagte John Ging, Direktor
der UNRWA-Operationen im Gazastreifen. J. Ging steht einem Team von 10 000
hauptsächlich palästinensischen Arbeitern vor , die das Hilfsprogramm
organisieren und die zwischen der großen Mehrheit und dem Elend stehen. „Wir
haben 80% Arbeitslosigkeit, eine Wirtschaft auf Existenzminimum, zerstörte
Infrastruktur etc. Aber noch schlimmer als die humanitäre Misere, ist die
Zerstörung der zivilen Gesellschaft.“
Gings Hauptanliegen ist, dass 750
000 Kinder einer Umwelt ausgesetzt sind,
in der sich alles sehr schnell in die falsche Richtung bewegt, wo
Ungerechtigkeit von Tag zu Tag schlimmer wird.“
Es gibt ein großes Problem der Unsicherheit und Gewalt hier und auch dies wird
schlimmer. Die meisten Erwachsenen zeigen stoische Unverwüstlichkeit und
klammern sich an einen Glauben an traditionelle Werte, aber es gibt auch ein
zwingendes Narrativ (compelling Narrativ) von Extremisten, das immer schwerer zu
bekämpfen ist. Nur das Aufheben der Belagerung würde dies verändern.
Eine internationale Gemeinschaft, die die demütigende Tunnelwirtschaft
für Gaza akzeptiert, ist für uns alle eine Schande. Den Wassernotstand zu
beenden, sollte der erste Schritt sein, die Blockade zu brechen.
(dt. Ellen Rohlfs)