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Die
Herrschaft der Angst
Gideon Levy, 8.3.09
Während
Benjamin Netanjahu zur Macht kommt, hat er nur eine Botschaft: die der Angst
vor einem Holocaust im Namen des Iran. Auch Avigdor Liberman taucht siegreich auf: seine Botschaft ist die, dass israelische Araber ein
Krebsgeschwür seien. Niemals zuvor wurde eine Regierung derart und nur auf Angst aufbauend errichtet. Ohne
Versprechen ( auf Positives) und ohne Hoffnung bietet
die neu formierende Regierung nur Prophezeiungen apokalyptischen
Ausmaßes an, auf deren Welle sich die Rechten zur Macht tragen lassen. Das ist die einzige Agenda der
Rechten.
Die
Angst vor einem äußeren Feind war seit
jeher die wirksamste Waffe jeder
rechtsorientierten oder faschistischen Regierung. Das ist für die nationale
Einheit gut und es ist effektiv, um andere Meinungen zu unterdrücken und jedes andere dringende Problem zu
kaschieren. Israel, das schon viel
schlimmere Gefahren gekannt hat und auch
schon von anderen rechts-orientierten Regierungen regiert wurde, hat noch nie
eine Regierung gehabt, die nur noch die Sprache des Angstmachens spricht.
Während
der Anfangszeit des Staates als alles unermesslich viel fragiler und
gefährlicher war, wusste der Staat, wie man Hoffnung weckt und zu Aktionen
ermutigt. Er baute (Häuser) und legte Straßen an, siedelte und bewässerte.
Sogar als Menachem Begin gewählt wurde, übernahm er die Macht und war von der
Freude des Aufbaus erfüllt: er plante Hausbauprojekte und plante, Frieden mit
Ägypten zu machen. Und so sinnlos auch seine Philosophie war, er errichtete viele „Elon Morehs“ jene Siedlungen in der Westbank. Nun haben wir
Netanjahu, der nur mit Warnungen zur Macht kommt. Wurde er deshalb gewählt? Um
Angst zu schüren. Ist das das Gesicht des Staates und des Zionismus
? Nur vor Gefahr warnende
Israelis schauen um die Ecke.
Vorausgesetzt, dass
die dröhnende Stimme aus Jerusalem kommt, kann man daraus schließen, dass - von einem
historischen Standpunkt aus betrachtet
- wir in die Irre geführt wurden …
Israel ist der gefährlichste Ort auf Erden für Juden. Wenn wir nach mehr als 60
Jahren so sehr gehirngewaschen wurden ,
dass wir nur noch die Gefahren sehen, dann hängt hier etwas schief. Die praktische Schlussfolgerung
müsste dann folgende sein: seine Koffer packen und fliehen. Schließlich haben
beim letzten Holocaust die Helden, die gekämpft haben, nicht überlebt. Nur die
Flüchtlinge, die bei Zeiten geflohen sind, sind lebend davon gekommen. Wenn wir
tatsächlich in der Gefahr eines 2. Holocausts sind, dann ist die Lektion klar.
Was bieten die Angstmacher denn als Alternative an, wenn ihr vager Plan gegen
die herannahende Gefahr misslingt? Dass wir in einem nuklearen Feuerball in
Rauch aufgehen? Dann wäre es das beste, (schnell) davon zu rennen.
Aber
die Gefahren, die uns Angst und Schrecken einjagen sollen, werden natürlich in zynischer und demagogischer
Weise ( auch wieder) verharmlost. Israel ist stärker
als es je im Laufe seiner Geschichte
war, eine regionale Supermacht, in deren Waffenarsenalen es an keiner Waffe
fehlt, die es auf der Welt gibt- und dazu
kommen die Verbündeten in Washington, die totale Unterstützung gewähren.
Ein sanftes, ( ja,
feiges (ER)) Europa wagt es
nicht, Israel zu kritisieren. Das Leben
in Israel ist besser als in den meisten Ländern der Welt. Wir hatten es nie so
gut wie heute.
Trotzdem
ist die Antwort auf die Bedrohungen nur die
eine der Rechten: Angst einzuflößen. Die iranischen Drohungen können
aber nur von den USA neutralisiert werden,
wenn letztere mit dem Iran
Verhandlungen beginnt. Israels einzig möglicher Beitrag würde sein, den Teppich
unter dem Iran dadurch wegzuziehen, indem es die Besatzung beendet und mit den
arabischen Staaten Frieden schließt. Was würde der Iran wohl sagen, wenn Israel
die „Arabische Initiative“ von 2002
akzeptieren, sich von den Golanhöhen zurückziehen und die Westbank
verlassen würde? Würde es dann Israel bombardieren? Wozu und für wen?
Diese
Lösung ist möglich, aber sie steht nicht auf der Agenda der Angsttreiber. Sie
wollen die Gefahr verewigen, weil genau
dies in ihrem Interesse liegt. Selbst
das Problem mit der lauernden
Gefahr, die von den israelischen Arabern
gegenüber Israel ausgehen soll, kann
gelöst werden. Doch genau dies wird vom rechten Flügel ignoriert: die
Errichtung eines Regimes, dass sich auf Gleichheit und Gerechtigkeit gegenüber den Bürgern stützt, denen gegenüber
der Staat weniger loyal ist, als
sie gegenüber dem Staat. Wir müssen
nicht die Loyalität der israelischen Araber testen – wir müssen die Loyalität
des Staates ihnen gegenüber testen.
Netanjahu
kommt zum zweiten Mal an die Macht. Man hätte von ihm erwarten können, dass er
es diesmal auf andere Art macht. Doch säte er wieder Panik und - so sagt er – seine Angst einjagenden
Statements hätten sich als korrekt erwiesen, nachdem Israel alles tat, um
abzusichern, dass diese Drohungen verwirklicht werden. Nun müssen wir von den
nationalen Angsttreibern und seinen Sprechern in der Presse eine Antwort
fordern: Was bietet ihr uns außer Ängsten noch an? Den Iran zu bombardieren und
die Araber zu vertreiben? Dies erscheint uns unmöglich – was wir
glücklicherweise bemerken können .
Was
ist also möglich? Darauf gibt es keine Antwort. Denn was würden denn jene ohne diese Drohungen tun? Sie sollten sich
(endlich) mit Israels wirklichen Problemen befassen, wie das moralische Image
aufpolieren, indem es sich nicht weigert, Frieden zu machen, und seine
wirtschaftlich-sozialen Schwierigkeiten anzupacken. Aber deswegen wurde Netanjahu ja nicht
gewählt. Er kam auf den Flügeln der Gefahren zur Macht. Man versuche nur nicht,
seine Flügel zu beschneiden.. Um Himmels willen, dies
würde nämlich Hoffnung hoch kommen
lassen.
(dt.
Ellen Rohlfs. ER)