Ja, Hass
Gideon Levy, 26.10.08, Haaretz
Mein Siedlerkollege Israel
Harel, … der
den Unschuldigen spielt und mit
honigsüßer Stimme spricht, ist wieder einmal seht traurig und spielt das Opfer.
In einer Kolumne, die letzte Woche hier veröffentlich wurde („Sind wir Sodom
geworden?“, 23. Oktober) beklagte er sich, dass der Grund für die – wie er es
nennt – zerstörerische Kritik an den Siedlern der Hass sei. Und tatsächlich,
Herr Harel, dieses Mal haben Sie Recht: große Teile
der israelischen Gesellschaft hassen. Aber das ist kein grundloser Hass, nicht
Hass um des Hasses willen, um Ihre Worte zu verwenden. Es ist ein Hass gegen
Ihr Unternehmen. Sie haben diesen Hass verdient – ehrlich …
Ja, es gibt Israelis, die nicht
sehen wollen, wie ihre Landsleute die Weingärten ausplündern und die Felder armer Bauern
abbrennen. Ja, es gibt Israelis, die nicht Truppen maskierter Siedler sehen
wollen, die alte Hirten mit Knüppeln zusammenschlagen. Ja, es gibt Israelis,
die nicht sehen wollen wie andere Israelis ihre Hunde .??.
und die Reifen der Soldaten löchern, die sie schützen sollen. Ja, es gibt
Israelis, die sich dafür schämen, dass Tausende ihrer Landsleute auf privatem
Land leben, das gestohlen oder erpresst wurde – am hellerlichten Tag und unter
dem Deckmantel der Nacht.
Und es gibt Israelis, die denken, dass Ihr eine
Katastrophe über uns gebracht habt, ein Tragödie, die noch Generationen dauern
wird. Dass Ihr mit euren Aktionen Kriege und Blutvergießen und die Brutalisierung
der Gesellschaft über uns gebracht habt. Wenn Ihr nicht dort wäret, würde
keiner von uns dort sein, in einem Land, das nicht das Unsere ist. Genau wie
wir uns aus dem besetzten Süd-Libanon zurückgezogen haben, weil ihr zum Glück
dort nicht auch wart, so hätten wir uns
längst auch aus den Gebieten
zurückgezogen, die ihr besetzt haltet. Ja, es gibt Israelis, die euch für all
dies hassen.
Harel beklagt
sich darüber, dass die israelische Gesellschaft zornig auf die Siedler als Kollektiv sind …Jede Klasse und Institution
der israelischen Gesellschaft verteidigt die Siedlungen, finanziert sie aus der
eigenen Tasche und ist so ein voller Partner des Diebstahls, selbst wenn einige
von ihnen entrüstet sind. Die kollektive Schuld ist gerechtfertigt: Jeder
Siedler und jede Siedlung sind gleich. Es gibt keinen illegalen Außenposten und
legale Siedlungen – sie sind alle illegal – nach dem Völkerrecht und nach
universaler Gerechtigkeit, die keine juristische Sophisterei benötigt. Es gibt
auch keine moderaten und extremistischen
Siedlungen. Keiner, der in den besetzten Gebieten lebt, ist ein moderater.
Und was die betrifft, die
den unschuldigen Teil spielen: da sind „ein paar junge Männer“, schreibt Harel, „ein paar Dutzend Jugendliche,“
die Araber angreifen. Harel sagt, dass er wie die
meisten seine Kollegen diese „nicht verstehen könnte“. Er habe es ihnen schon
während einer „hitzigen Diskussion“ gesagt, dass „dies nicht meine Halacha“ sei. Und er fährt fort, dass sich seine Fäuste
ballen, wenn er die Gewalt gegen alte
Leute in Haifa oder Tel Aviv sieht oder Bandenvergewaltigung in Ramat Hasharon. Aber in Ramat Aviv Gimmel fragen die
Leute nicht, welche Werte man den jungen Leuten beibrachte, schreibt Harel. Es ist eben
Jugendkriminalität. Doch wenn dieselben Dinge unter Siedlern geschieht, dann ist die Schuld kollektiv.
Der wirkliche Unterschied aber liegt darin: die
säkulare Gesellschaft denunziert und lehnt jene ab, die alte Leute berauben
oder junge Mädchen vergewaltigen. Die Täter kommen vor Gericht und bekommen
einen fairen Prozess, sie erhalten sehr lange Strafen und die Medien und die
säkulare Gesellschaft schließt sie völlig aus.
Aber was geschieht in
Ihrer Gemeinschaft? Hat man jemals von einem einzelner Siedler gehört, dass er
bei der Polizei Klage gegen einen
anderen Siedler eingereicht hat, weil er gegen Araber randaliert habe.
Schließlich sehen auch Sie täglich die Randalier auf der Straße von Ofra – dessen Land zufällig zu großen Teilen privates Land
war und gestohlen wurde.
Und was tun Sie, wenn sie
diese Randalierer sehen? Haben Sie eine
weitere „hitzige Diskussion“? Wenn wir Leute sehen, die alte Menschen
angreifen, rufen wir die Polizei. Und Ihr?
Und wenn so etwas bei
Ihnen geschehen sollte, wie würde Ihre aggressive Gesellschaft denn diese
„Informanten“ behandeln? Leute, die es
schließlich gewagt haben, einen Wink zur „Mäßigung“ zu geben – wir sprechen
dabei nicht einmal von so etwas Drastischem wie eine Klage bei der Polizei
- waren gezwungen worden, die Siedlung
zu verlassen, wo sie aus Furcht vor Rache lebten. Nicht die Gesetzesbrecher
werden aus Ihrer Gesellschaft ausgeschlossen, sondern jene, die zu denunzieren
versuchen…. Erst an dem Tag, an dem die
Siedlungsverantwortlichen damit beginnen werden, mit denen zusammen arbeiten, die das Gesetz
durchsetzen, werde ich Ihnen glauben, dass „die paar Dutzend
Jugendlichen“, die aber tatsächlich eine
große und gewalttätige Armee von Tausenden sind, wirklich von Ihnen verabscheut
werden.
Geben Sie es doch zu: für
Sie sind sie Pioniere, die vorneweg gehen, diejenigen, die an der Front stehen.
Sie sind es, die realisieren, was Ihre Generation versuchte, und was ihr nicht
gelang. In Ihrem tiefsten Inneren stehen Sie
auf ihrer Seite
Sie sprachen mit Benny Katzover und Elyakim Ha’etzni und Sie sagten ihnen, dass die Hauptopposition nur
mit „Sicherheitsproblemen“ zusammenhängen würde? Hätten Sie das Land der
erntenden Eigentümer nicht gestohlen, gäbe es kein Risiko. Und nachdem Sie
ihnen das Land genommen haben, wagen sie außerdem noch den Diebstahl des
wenigen, was ihnen geblieben ist, aus
Sicherheitsgründen zu rechtfertigen – natürlich nur Ihre Sicherheit? Offensichtlich kennt die Frechheit keine
Grenzen.
Und schließlich die
Pointe: Harel schreibt, dass Leute wie er, bald in
Bunkern Zuflucht suchen müssen wegen der „hemmungslosen“ Ereignisse bei den
Gedächtnisfeiern an die Ermordung von Yitzhak Rabin. Es ist nicht der Mord oder
die Vorfälle, die dazu führten, die „hemmungslos“ waren, sondern das Gedenken.
Sind nicht wir es, die wegen Euch seit
40 Jahren in Bunkern gewesen sind –
wegen euch, den beraubten Kossacken. Das ist schon ein Satz zu viel –
vielleicht sogar für Ihre so zahlreichen Anhänger.
(dt. und geringfügig
gekürzt: Ellen Rohlfs)