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Lasst Netanyahu gewinnen
Gideon Levy, 5.2.09
Benjamin
Netanyahu wird wahrscheinlich Israels nächster Ministerpräsident werden.
An
dieser Tatsache gibt es auch etwas, das Mut macht. Netanyahus Wahl wird Israel von der Last der Täuschungen/
Betruges befreien: Falls er eine Regierung des Rechten
Flügels aufstellen kann, würde (endlich) der Schleier gelüftet und ihren Bürgern und dem Rest der Welt –
einschließlich der arabischen Welt - das
wahre Gesicht der Nation enthüllt. Zusammen mit der Welt werden wir sehen,
welcher Führung wir gegenüber stehen und wer wir wirklich sind. Die Maskerade,
die einige Jahre lang geführt wurde, wird endlich zu einem Ende kommen.
Netanyahus
Wahl wird wahrscheinlich den Vorhang vor einem großen Schwindel herunterreißen
- nämlich der Lüge der
„Verhandlungen“ und der Ungerechtigkeit
des „Friedensprozesses“. Israel behauptete nachdrücklich, dass diese Aktionen
bewiesen, die Nation sei auf Frieden und das Ende der Besatzung ausgerichtet
gewesen. Doch während der ganzen Zeit tat es
alles, um die Besatzung zu
verfestigen und jede Chance für ein mögliches Abkommen weiter wegzuschieben.
16 Jahre
lang sind wir in den Friedenprozess verliebt gewesen. Wir redeten und
redeten, schwätzten und quasselten und fühlten uns dabei großartig; unterdessen
erweiterten sich die Siedlungen endlos und Israel wandte bei jeder Gelegenheit
Gewalt an, außer einer einseitigen Trennung
(Siedlungen im Gazastreifen), die für
die Sache des Friedens gar nichts
brachte.
Mit
der Wahl eines Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, der von einem
„wirtschaftlichen Frieden“ redet, wird die nackte Wahrheit endlich auftauchen.
Falls jedoch Zipi Livni und
Ehud Barak gewählt werden, wird die Selbsttäuschung einfach weitergehen. Livni selbst ist in fruchtlose, sinnlose und feige
Verhandlungen verliebt und Barak hat längst die mutigen Bemühungen, denen er
sich in der Vergangenheit unterzogen hat, beiseite geschoben. Die Wahl beider
würde nur das Vakuum verlängern. Die
Welt, einschließlich Washingtons, wird
einen Seufzer der Erleichterung tun, dass Israel eine Führung gewählt hat, die
weiter den Frieden verfolgt. Aber das
wird nicht geschehen.
Die
Vorgeschichte eines jeden dieser Kandidaten und die Positionen, die sie bis
jetzt verfochten haben, beweist, dass es so weitergehen wird wie bisher. Livni
und Barak werden zu jedem Phototermin mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas,
Hosni Mubarak von Ägypten und König Abdullah von Jordanien eilen. Die
Amerikaner und Europäer werden entzückt sein – aber nichts wird dabei herauskommen, als ein paar neue Illusionen. Wir werden uns von
Krieg zu Krieg bewegen, von Aufstand zu Aufstand, von Regelung zu
Regelung, und die Welt wird sich
weiter einbilden, ein Abkommen sei in
Reichweite. Die Hamas wird indessen stärker und Abbas schwächer und die letzte
Friedenschance wird für immer vergangen
sein.
Netanyahu
würde etwas anderes anbieten. Erstens ist er ein vertrauenswürdiger Vertreter einer
authentischen „israelischen“ Ansicht mit
einem fast vollkommenen Misstrauen gegenüber den Arabern und der Chance, mit
ihnen je einen Frieden zu erreichen -
vermischt mit einer herablassenden Haltung und
einer der Entmenschlichung.
Zweitens wird er schließlich den
Zorn der Welt auf uns bringen, einschließlich den der
neuen USA-Regierung. Traurigerweise wird genau dies
die einzige Chance für eine Art dramatischer Wandlung sein, die dringend nötig
wäre.
Die
Palästinensische Behörde, eine andere verlogene Fassade, wird endlich in sich
zusammenbrechen und Israel wird dem Nicht-Partner, den es seit Jahren gewünscht
und gesucht hat, gegenüber stehen. Die Welt mag nicht so schnell kommen, um
Netanyahu herzlich zu begrüßen, wie sie die „Moderaten“ – Livni
oder Barak – begrüßt hätte, die Israel in mehr unnötige Kriege geführt haben
als Netanyahu, der „Extremist“ – während es zwischen den beiden kaum einen
Unterschied gibt.
Den
Schleier zu lüften, wird in eine Krisensituation führen, die leider die einzige
ist, die einen Wandel bringen kann. Wir müssen hoffen, dass sich weder die Kadima
noch die Labor der Netanjahu-Regierung anschließen (
bedauerlicherweise noch eine vergebliche Hoffnung), da Israels
Entlarvung dann noch stärker wäre. Eine
Regierung, die aus Netanyahu, Shas und Avigdor Lieberman zusammengesetzt ist, wird natürlich nicht
mit einer Opposition zu tun haben, die aus Netanyahu, Shas
und Avigdor Lieberman besteht und wird sich deshalb
anders verhalten, sobald sie an der Macht ist, als man erwartet. Haben wir hier schon Menachem Begin erwähnt?
Aber
selbst wenn Netanyahu derselbe alte Netanyahu geblieben ist, wird dies eine
Gelegenheit sein, die Politik der Rechten unter das Mikroskop zu legen. Soll er
erst mal vor Barack Obama
stehen und von seiner grotesken Idee des „wirtschaftlichen Friedens“ reden oder
Außen- oder Sicherheitspolitik führen entsprechend seinen angegebenen Positionen. Sehen wir mal,
welche Visionen er für die nächsten 20-30 Jahre hat.
Zu
gegebener Zeit wird - unter der
Bedingung, dass sich Kadima und Labor ihm nicht
anschließen - sein vorausgesehenes
Scheitern einen alternativen Weg nehmen und uns noch ein Jahr voller Schwindel
bringen. Zitronen können zu Limonade verarbeitet werden – vielleicht wird das Establishment einer Regierung vom
rechten Flügel für immer all die Masken wegnehmen. Die von allen bekannte und
erwartete Alternative ist viel doppeldeutiger, gefährlicher und bedrohlicher.
Lassen
wir also Netanyahu gewinnen. Es gibt im Augenblick sowieso keine Alternative.
(dt. Ellen Rohlfs)