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Eine
Randerscheinung
Gideon Levy, Haaretz, 16.4.09
Die
18.Knesset ist anders als alle ihr Vorgänger.
Es ist die erste, die kein einziges Knessetmitglied
hat, dem es das Anliegen ist,
gegen die Besatzung zu kämpfen.
Seit der 7.
Knesset, der ersten, die nach dem 6-Tage
gewählt wurde, hatten wir kein Parlament wie dieses – es gibt keine jüdischen
Anti-Besatzungsaktivisten. Als solche spiegelt die neue Knesset genau den allgemeinen
Zeitgeist wieder, bei der die Besatzung vollkommen von der nationalen
Agenda verschwunden ist, und es gibt keinen Grund, unsere Gesetzgeber mit
diesem Thema zu belästigen.
Trotzdem,
allein die Tatsache, dass das zentralste Problem, mit dem unser Land und unsere
Gesellschaft zu tun hat, nicht eine einsame, schwache Stimme verdient, allein
die Tatsache, dass kein einziges
jüdisches Knessetmitglied, geschweige denn eine
zionistische Partei in die Knesset gewählt worden war, um gegen die Besatzung zu
kämpfen, überrascht und beunruhigt. Wir
haben Vertreter für die Umwelt und für die Siedler, für die religiösen und die
sozialen Probleme, für Feministen, für
Schwule, für Leute mit Behinderungen. Nur die Besatzung hat keine Stimme.
Sonst gab
es wenigstens eine Knessetpartei,
die dieses Banner hoch hielt. Es gab
immer KMs , die dies als ihr Hauptproblem ansahen. Nun
hat die Besatzung niemanden. Selbst das jüdische KM von Hadash
schwingt nur die grüne Fahne. Meretz hat drei KMs – eines
für die Umwelt, eines schwingt die Fahne für Soziales, eines ist auf die Wirtschaft konzentriert.
Keines
vertritt den wichtigsten Kampf. Die Besatzung bleibt die Domäne für die
marginalisierten arabischen Parteien in der Knesset.
Dies ist
eine schändliche Entwicklung für die israelische Demokratie, eine in der 120
Zeugen die Leere der Knesset bezeugen können. Zu einer Zeit, in der sich die
halbe Welt mit der israelischen
Besatzung beschäftigt, machten die
israelischen Stimmberechtigten ihre Position klar: dieser Kampf interessiert
sie nicht im geringsten. Die Besetzung kann warten.
Unser
Niedergang in diesen Zustand vollzog
sich nach und nach. Seit den
70er-Jahren, als sich die Konversation jeden Freitag Abend schnell in eine engagierte, emotional geladene Diskussion
über „die Zukunft der Gebiete“ wandelte, als gesagt wurde, dass jeweils zwei
Israelis drei Meinungen hatten, so haben wir nun einen Punkt erreicht, wo ein
Israeli kaum mehr eine Meinung hat,
hinsichtlich der Zukunft des
dunklen Hinterhofs des Landes.
Dieser
elende Hinterhof trübt die Stimmung für das, was im Zentrum passiert, von der
Verteidigung bis zur Wirtschaft, vom Terror bis zum Tourismus. Doch warum
sollen wir unsere leeren, müden Köpfe strapazieren, indem wir über die Verbindung zwischen diesen Problemen
nachdenken oder was nur 15 Minuten
östlich oder südlich von unserm
Haus
passiert.
Die
Medien waren natürlich die Hauptagenten,
die das Problem von der Tagesordnung nahmen. Eine seltene Koalition des Verteidigungs-Establishments, der
Editoren, der Journalisten, der Radioleute, der Zuschauer und Leser – besonders
der Zuschauer und Leser – die weder schreiben noch lesen, weder hören noch
gehört werden wollen, weder berichten noch
wissen wollen, kommen zusammen, um die Besatzung aus unserer Welt
wegzuschaffen.
Unter einer
wunderbar effektiven Selbstzensur
entschieden die Medien, das Leben seiner Konsumenten und Patrone
angenehm zu machen und sie nicht mit Kleinigkeiten zu belästigen. Als Folge
davon ist die Linke zu Tode gekommen, Proteste
gehören der Vergangenheit an, der Stadtplatz ist ohne Demonstranten, die
meisten Medien meiden unbequeme Berichte – und nun schließt sich die Knesset
ihnen an. Das schmerzvollste Thema hat keinen Vertreter. Keine Lobby noch
Partei, ja nicht einmal einen einsamen
Kämpfer.
Gelegentlich
wird unsere falsche Gelassenheit von
einer neuen Welle von Terrorakten oder einem kleinen Krieg unterbrochen, aber
selbst dann macht sich keiner die Mühe
zwischen Ursache und Wirkung zu
unterscheiden. Die Araber wurden geboren, um zu töten – und damit hat es sich.
Dies ist die Art und Weise, die Besatzung zu verewigen: die Palästinenser sind
hinter ihren Zäunen. Sie sind dort und wir sind hier. Wir hören nichts von
ihnen, und wir sind nicht an ihrem Schicksal interessiert. Drei und ein halb
Millionen Menschen ohne die elementaren
Menschenrechten – es ist eine Situation, die es in keiner anderen Demokratie
gibt, aber sie genügt nicht, eine Diskussion zu rechtfertigen. In der 18.
Knesset gibt es niemanden, der dieses Thema zur Überlegung einreicht.
Es ist viel
sicherer, die Wahl im Kampf gegen Wasserverschmutzung oder Korruption zu
gewinnen, es ist viel populärer das Amt mit dem Engagement für soziale oder
ethnische Gerechtigkeit zu erlangen. Selbst die Vertreter der angeblichen
Linken sind zu feige, um diesen Kampf zu
einer aufsehenserregenden Sache zu machen.
Warum sollten sie auch. Es gibt keine Interessenten.
Wenn eines
Tages ein Historiker untersucht, was hier geschehen ist, dann wird er die Zeitungen und Fernsehaufzeichnungen genau
durchgehen, und er wird nichts verstehen. Dann wird er die Knessetprotokolle
durchgehen und er wird sich selbst zwicken und wird es nicht glauben können.
Wie in ( dem Film?) „Wo ist Waldo?“ - wo
zum Teufel hat sich denn die Besatzung versteckt?
(dt. Ellen
Rohlfs)