Israel Palästina Nahost Konflikt Infos

 Köpfe nach rechts!

 

Gideon Levy, Haaretz, 9.308

 

Es ist noch unklar, ob der Terrorist, der die Yeshiva Mercaz Harav am Donnerstagabend  betrat und dort acht ihrer Studenten tötete,  genau wusste, welchen Ort er betreten hat. Aber die Tausenden, die  am Freitag hinter den Särgen gingen, die wussten es. „Es war das Flaggschiff des religiösen Zionismus“ wie allgemein gesagt wurde, „die Heiligste der Heiligen“ . Da gab es sogar einen übertreibenden Vergleich mit der Al-Aksa-Moschee, was die Heiligkeit betraf. Einiges des Lobes über die Yeshiva mag sogar berechtigt sein. Und nichts kann natürlich das schreckliche Morden der jungen Leute in der Bibliothek rechtfertigen. Es sollte auch in dieser schweren Stunde erinnert werden, was diese Yeshiva  geleistet hat.

 

Mercaz Harav ist das Flaggschiff, die führende religiöse Schule der letzten Gruppe in der israelischen Gesellschaft, die noch immer nach den Richtlinien der (zionistischen) Ideen wirkt. Die religiösen Zionisten sind  neben der ultra-orthodoxen Bevölkerung, die einzige Gruppe, deren Mitglieder noch bereit sind, ihr Leben für das Kollektiv und seine Weltsicht zu opfern. Es ist eine Gruppe, die  ihren Führern gegenüber treu ist, eine Gruppe, die ihre Führer vergöttert. Es ist auch eine ziemlich homogene Gruppe, was ihre Denkweise betrifft. Etwa 80% ihrer Mitglieder definieren sich als Rechte. Dies trifft nicht für die selbstzufriedene, individualistische säkulare Öffentlichkeit zu. Es handelt sich also um eine Minderheit von 12-15%  der Bevölkerung, deren Einfluss in gewissen Bereichen wichtig ist und ihre eigene verhältnismäßig geringe Größe weit überschreitet.

 

Keiner kann die magischen Kräfte der Erpressung  ausführlich erklären, die diese Gruppe erzielt. Es kann auch keiner den Schaden ignorieren, die sie dem Land zufügt. Ohne das Sielungsunternehmen hätten  wir vielleicht schon längst Frieden; ohne die Gush Emunim-Bewegung, die von allen Regierungen unterstützt wurde, würde es keine Siedlungen geben; und ohne  die Mercaz Harav-Yeshiva gäbe es kein Gush Emunim. Diese Institution  war die Wiege der Siedlungsbewegung und ihre treibend Kraft. Die meisten bei dem Terrorangriff getöteten Studenten gehören zur zweiten Generation der Siedler. Es sollte noch einmal klar und deutlich gesagt werden: ihr Töten war ein krimineller Akt ( ein ungewöhnlicher, persönlicher Kommentar: Am Freitag sagte ich im Radio-Interview u.a., dass die Mercaz-Harav-Yeshiva eine faschistische Institution sei. Kreise des rechten Flügels verbreiteten im Internet das Gerücht, dass ich gesagt habe, die getöteten Studenten seien Faschisten. Das ist nicht wahr. Auf jeden Fall, wenn mein Kommentar über die Yeshiva trauernde Leute gekränkt haben soll, dann möchte ich mich hiermit bei ihnen entschuldigen).

 

Von Mercaz Harav kamen Rabbiner, die  die scheußlichsten Schritte in der zionistischen Geschichte unternahmen. Die meisten irrgeführten rechten Täter und die Hasstreiber gegen die Araber kamen von dort. Religiöse Führer wie Rabbi Levinger, Haim Druckmann, Avraham Shapira, Yaakov Ariel, Zefania Drori, Shlomo Aviner und Dov Lior wurden alle von ihren Studenten vergöttert. Sie haben Generationen von nationalistischen Jugendlichen innerhalb dieser Mauen herangezogen.

 

Rabbiner Lior z.B.  Vorsitzender des Rabbinerrats von Judäa und Samaria bestimmte 2004 dass es  den  IDF erlaubt werden solle, unschuldige Leute zu töten. Wie klingen diese Worte jetzt nach dem Angriff in Jerusalem?  Gilt diese Genehmigung für uns allein? Lior bestimmte, dass „sie keine Schuldgefühle gegenüber der Moral von Ausländern/Fremden haben sollten.“ Er ordnete an, dass die Knesset nicht über das Evakuieren von Siedlungen entscheiden könne  und dass es Soldaten erlaubt sei, Befehle zum Evakuieren von Siedlern zu verweigern. Rabbiner Druckman gab eine ähnliche  Erklärung von sich.

 

2002 rief Rabbiner Aviner, ein anderer ehemaliger Student dieser Yeshiva, dazu auf, Israelis zu exekutieren, die den Militärdienst verweigern. Die Verweigerung kam natürlich von Linken. Aviner bestimmte auch, dass Kriegsgefallene keine Ursache für nationale Trauer seien, und er rief dazu auf, den Gedenktag für gefallene israelische Soldaten ausfallen zu lassen. Er verglich den Road Map-Plan mit der Befriedung Hitlers ( 1938?) und betrachtet die Evakuierung von Siedlungen als ein „illegales Verbrechen“.

 

In derselben Yeshiva studierte auch Hanan Porat, einer der Gründer von Gush Emunim und einer von denen, die nach Gush Etzion zurückgekehrt sind. Ein anderer ehemaliger Student Rabbi Levinger brachte ihn  zur jüdischen Siedlung  ins Park-Hotel mitten in Hebron. Dies sind die Prominenten, die aus diesem radikalen Seminar kamen, und das ist ihr Vermächtnis. Von hier aus predigen sie die Anwendung anderer Gesetze über Moral und Gerechtigkeit als die allgemein und universal anerkannt sind. Ja, wenn es um das auserwählte Volk geht, dann gibt es so etwas.

 

Mit alle den Veränderungen, die der religiöse Zionismus durchgemacht hat – von der Zeit als sich die Mizrahi-Bewegung dem zionistischen Kongress angeschlossen hat, seine Existenz als  moderater Strom, der geschickt Religion mit Moderne verbinden konnte, bis zu seiner Wandlung zur Quelle israelischen Nationalismus . Der Bewegung gelang es,  eine  hoch anerkannte, unerklärliche Stellung in Israels weithin säkularer Gesellschaft zu bewahren. Da gibt es aber noch immer viele säkulare Israelis, die die religiösen Zionisten, die Studenten der Merkaz Harav Yeshiva und die sog. „Hügeljugend“ in der Westbank als eine Gruppe Pioniere ansehen, die edle Werte  vertreten, die wie Feuersäulen dem Lager vorausgehen. Selbst jene, die die Haredis verachten, bewahren sich  für den religiösen Zionismus einen  Platz in ihrem Herzen, genau für die Gruppe, die mehr Unglück über unser Land gebracht hat als alle Haredim zusammen.

 

Der Mord an den Yeshivastudenten ist herzzerreißend. Keiner hat dies verdient. Die Unschuldigen im Gazastreifen  und die Opfer der Merkaz Harav in Jerusalem sind völlig unnötige Opfer. Sie haben den höchsten Preis bezahlt. Ihre Familien und die um sie herum werden wahrscheinlich nun noch radikalere Positionen annehmen – und so werden wir in eine neue Runde  endlosen Blutvergießens eintreten.

 

(dt. Ellen Rohlfs)