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Gilad Atzmons Ansprache  in Stuttgart 

November 2010

 

Guten Tag, es ist für mich eine Ehre, hier zu sein. Ich hatte ursprünglich nicht geplant, hier zu sein. Nun habe ich aber zufällig in der Nähe ein Konzert. Und nun freue ich mich, hier  an dieser Podiumsdiskussion  mit so unglaublichen Leuten teilnehmen zu können. Ich denke, dass es euch gelungen ist, einige der besten und eloquentesten Intellektuellen, Rednern und Aktivisten hierher zu holen, die über dieses so sehr wichtige Thema reden.

 

Gewöhnlich gelingt es mir, alles , was ich sagen will, mit ein paar Worten zu sagen, weil ich mich nicht zurückhalte. Ich habe den Ruf,  ein „selbstmörderischer Aktivist“ zu sein.

 

Wir stimmen alle in dem Prinzip des einen Staates überein. Wir stimmen darin überein, dass dies wahrscheinlich die einzige ethische und universale Einstellung gegenüber der Krise ist. Wir stimmen alle darin überein, dass dies der rechte Kurs in Richtung Frieden ist. Aber irgendwie vergessen wir oder weisen die Tatsache von uns, dass das Wort „universal“   für die jüdische Kultur sehr fremd ist. Die jüdische Kultur ist  stammesorientiert. Wir neigen dazu, die klare Tatsache zu übersehen, dass das Wort „Frieden“ – wie wir es kennen -  eine Art Versöhnung  oder  „Liebe deinen Nächsten“  für die jüdische Kultur sehr fremdartig ist …

Israelis verwenden das Wort „Shalom“ – sicher haben Sie das Wort Shalom schon  vorher gehört – doch Shalom bedeutet nicht Frieden: Tatsächlich bedeutet „Shalom“  Sicherheit  für Juden – und nur für Juden. Das ist ein großer Unterschied.

 

Es ist erschreckend genug, dass der Zionismus als ein interessantes Projekt begann: seine Absicht war. die Juden zu „zivilisieren“. Das ist jetzt nicht Gilad Atzmon, der hier spekuliert, es ist tatsächlich der Gründer des politischen Zionismus, Theodor Herzl, der sagte: „Wir (die Juden) wollen ein Volk sein wie die anderen Völker“. Das bedeutet, wir wollen die Stammesideologie überwinden. Wie wollen verstehen, was Frieden  eigentlich bedeutet. Wir wollen authentisch sein; auf unserem eigenen Land leben und arbeiten etc.

Das war eine ganz gute Idee – abgesehen davon, dass es auf Kosten eines anderen Volkes geht. Wahrscheinlich war dieser Planet nicht der richtige Ort für den jüdischen Staat; einfach weil die Idee  von der Nächstenliebe etwas ist, das unserer Kultur fremd ist. Deshalb ist Christus solch eine interessante Offenbarung. Christus hat  im Grunde behauptet: „Alles ist gut; lasst uns nur  die Tatsache annehmen, dass wir alle Brüder und Schwestern sind.

 

Heute wollen wir mit der harmonischen Agenda fortfahren und , wenn ich Ilan Pappe und Ali Abunima richtig verstanden habe, werden wir eine Massenbewegung – auch wenn uns unsere Politiker regelmäßig betrügen,  nicht nur in bezug auf Palästina. Schauen wir auf unsere Wirtschaft. Palästina ist nur ein Teil der Geschichte . Die Zionisierung der westlichen Politik ist eine Katastrophe. Die zionistischen Kriege, die wir schließlich gekämpft haben, sind etwas, über die keiner zu reden wagt. Der Krieg im Irak hat 1,5 Millionen Irakern das Leben gekostet. Und es ist nicht so kompliziert, die israelische Rolle  bei diesem entsetzlichen Geschehen dahinter aufzuspüren. Ich denke, dass jetzt immer mehr Leute anfangen, dies klar zu sehen.

 

Hier ist das einzige Konzept, das wir den Israelis liefern können –und es ist sehr einfach. Wir haben schon von Vergleichen zwischen Israel und Nazi-Deutschland gehört. Ich mag diese Vergleiche nicht, weil ich wirklich denke, dass Israel weit schlimmer ist als Nazi-Deutschland. Warum glaube ich dies? Weil Israel eine Demokratie ist. Nazi-Deutschland war keine Demokratie, der Reichstag war aufgelöst worden. Die Deutschen hatten null Verantwortung für die Taten der Nazis – abgesehen von denen, die direkt an den Verbrechen beteiligt waren oder die es  politisch führten. Doch Israel ist eine Demokratie -  und deshalb ist jeder Bürger ein Komplize. Jeder Bürger ist ein Komplize so wie ich als britischer Bürger  ein Komplize an dem Verbrechen bin, das im Irak jetzt geschieht. Ich bin nicht so verantwortlich wie Tony Blair oder Lord Goldsmith oder vielleicht Lord Levy, der als Blairs Nummer  eins als Fund-raiser handelte – aber ich bin  auch verantwortlich.

 

Ein anderer allgemeiner Vergleich ist der zwischen Israel und Südafrika. Doch die Südafrikaner töteten nicht -  ja, es gab Massaker – aber dort gab es keinen Genozid oder eine genozidale Politik gegenüber den Schwarzen. Doch genau das geschieht in Israel/Palästina. Wir können uns alle gut erinnern, was im Gazastreifen 2008/ 2009 geschah.

Auch wenn ich noch so sehr gegen Vergleiche bin, so denke ich, dass es die Angst der Israelis ist und die Hysterie  hinsichtlich der Nicht-Anerkennung Israels. Es bringt die Israelis schließlich an den Punkt, wo ihnen ( hoffentlich)  klar wird, dass sie mit den Palästinensern  - in einem Staat leben müssen.

Und dass ist das Wichtigste, das ich Euch heute sagen kann:

 

Die Israelis sind jetzt gefangen – gefangen von der zukünftigen palästinensischen Freundlichkeit. Keiner kann den Israelis das vergeben , was sie getan haben, nicht die Briten, noch die Franzosen oder die Deutschen.

Das einzige Volk , das je in der Lage ist, ihnen zu vergeben – sind die Palästinenser. Um Amnesty zu bekommen, müssen die Israelis anfangen, nachzudenken, da sie verurteilt sind, in dieser Gesellschaft zu leben. Es wird ein Staat sein, und wir müssen dafür sorgen, dass die Israelis das verstehen. Sie müssen begreifen, dass  sie  für jedes  jetzt begangene Verbrechen auf die Freundlichkeit der Palästinenser angewiesen sind.

 

Vielen Dank.

Gilad Atzmon  

 www.gilad.co.uk