Gilad
Atzmon 5.04.2008
Gilad
Atzmon argumentiert, dass das „jüdisch nationalistische Projekt, das von einer
großen Mehrheit jüdischer Institutionen
in aller Welt unterstützt wird, ein Versuch ist, die einheimischen
Palästinenser zu berauben, und dass sie sich dabei durchaus auf der Linie des
kulturellen und religiösen Erbes befinden, das in der jüdischen Bibel sehr gut
dokumentiert ist.“
Es ist bei
fanatischen Zionisten und notorischen Islamophoben, üblich geworden, einige
isolierte und falsch übersetzte Verse aus dem Koran zu zitieren, um Muslime
kollektiv zu beleidigen und um den Islam als rückwärtsgewandte und gewalttätige
Religion darzustellen.
Es ist
überflüssig zu erwähnen, dass diese wiederholten Versuche bis jetzt
fehlgeschlagen, wenn nicht gar
kontrapunktisch sind. Kein einziger westlicher Politiker, zionistischer
Aktivist oder neokonservativer Ideenschmied (Think Tank) hat es geschafft, ein
umfassendes Verfahren gegen den Islam
anzustrengen. Der Grund ist einfach: Trotz der Tatsache, dass einige
grausame Verbrechen im Namen des Islam und des Jihad begangen wurden, wurden
diese Gewalttaten von ganz verschiedenen radikalisierten und isolierten Zellen
ausgeführt. Es scheint, dass es in den Augen der westlichen Massen mehr braucht
als nur einige Gewalttaten am Rand, um ein humanistisches, universales
Glaubenssystem zu unterminieren und seine Milliarden von Anhängern einzubeziehen.
Um den
Islam zu beschuldigen und seine Gläubigen zu diskreditieren, braucht man ein
umfassendes Argument, einen überzeugenden und unbestreitbaren Beweis, der eine
Verbindung zwischen einem unmoralischen religiösen Text, einer religiösen
Infrastruktur und einer Massenbewegung von Gläubigen herstellt, die sich
entsprechend unmoralisch verhält. Dafür taugt ein geheimnisvoller und von der
CIA geschaffener Charakter, der sich angeblich
sieben Jahre lang in einer Höhle versteckt hält, eindeutig nicht. Was
wir wirklich sehen wollen, ist eine direkte Verbindung zwischen einem sog. „islamischen
satanischen Vers“ and einer organisch aktiven Glaubensgemeinschaft, die
versucht ist, genau diesen Versen zu folgen und dabei furchtbare Grausamkeiten
verübt. Man vermisst jedoch immer solch eine schlüssige und vollständige
Verbindung in den Aufrufen der Zionisten und Islamfeinde. Ein radikaler Imam in
London genügt nicht, auch nicht eine
absichtlich falsche Übersetzung eines
von Ahmadinejad geäußerten Zitats. Selbst
wiederkehrende Bilder der Zwillingstürme, die von Flugzeugen aufgefressen
werden, liefern die Argumente nicht. Es scheint, dass die
zionistisch-neokonservative Verleumdungskampagne immer wieder eher ein Schuss
nach hinten ist. Anstatt den Islam und die Muslime zu belasten, erreichen die
Zionisten-Neokons nur, dass sie sich selbst marginalisieren, in dem sie ihr
wahres Gesicht zeigen. Immer wieder werden die Zionisten und Neokonservativen
entlarvt, wie sie Seite an Seite mit den radikalsten und bigottesten westlichen
Fremdenhassern zusammen marschieren.
Da die
kollektive Beschuldigung der Muslime bei der neokonservativen Philosophie und
dem globalen Zionismus eine Voraussetzung ist, und da sowohl die Zionisten wie
auch ihr neokonservativer Zwilling sich an dieser Front als schwach erweisen, habe ich
mir vorgenommen, diesen Beitrag aus pädagogischem Anlass zu schreiben, um ihnen
damit etwas auszuhelfen. Ich gebe hier einen Crashkurs in Rhetorik. Ich will
unsere Gegner aufklären und ihnen Schritt für Schritt zeigen, wie man ein
Verfahren auf der Basis des Zusammenhangs zwischen Heiliger Schrift und
gnadenloser kollektiver Barbarei einführt. Nimmt man an, dass Zionisten (sowohl
jüdische wie auch christliche) und auch Neokonservative mit dem Alten Testament
sehr vertraut sind (genauso, wie diese mit dem Koran nicht vertraut sind), will
ich an einem kleinen biblischen Auszug aufzeigen, der uns bei der Erforschung
der gegenwärtigen Zio-Con-Plünderungskultur im Licht der jüdischen Lehre und
dem Versprechen Gottes helfen soll. Die folgenden Verse sind ein Teil der Rede
des Moses an sein Volk, als es sich auf dem Weg ins „gelobte (verheißene) Land“
befanden:
„Höre
Israel: Der Herr ist Euer Gott, der Herr ist eins! Ihr müsst den Herrn, Euren
Gott, lieben mit all Euren Gedanken, mit Eurem ganzen Sein und mit all Eurer
Kraft.“ (Deuteronomium, Kap. 6, 4-5)
Wenn man
die große Anzahl Geschöpfe in Betracht zieht, die mit der unerbittlichen Sucht
nach Liebe beschäftigt sind, will ich nicht wagen, den Gott Judas zu kritisieren,
wenn er dasselbe tut. Der Gott Judas hat einen Anspruch darauf, die Liebe
seines auserwählten Volkes einzufordern. Wenigstens ist der Gott der Israeliten
gnädig genug, etwas zurückzugeben:
„Denn
wenn der Herr, Euer Gott, Euch zum gelobten Land führt, das er Euren Ahnen
Abraham, Isaac und Jakob versprochen hat, um Euch ein Land zu geben mit großen
schönen Städten, die Ihr nicht gebaut habt, Häuser mit ausgewählten Dingen, die
Ihr nicht gesammelt habt, Brunnen, die Ihr nicht ausgehoben habt, und Weinberge
und Olivenhaine, die Ihr nicht angepflanzt habt – sollt Ihr Euch an der Fülle laben.“ (Deuteronomium, Kap.
6,10-11)
Dennoch
könnten die oben zitierten Textstellen des Alten Testaments als einfachster und
doch gültiger und solider Beweis der Existenz Gottes Bestand haben. Wie wir
wissen, hat Gott es wenigstens der Bibel nach tatsächlich geschafft, sein
Versprechen einzuhalten. Er hat tatsächlich sein auserwähltes Volk ins „Land
von Milch und Honig“ gebracht und hat sie in Städten leben lassen, die sie nicht
erbaut haben, und hat sie Wasser aus Quellen trinken lassen, die sie nicht
ausgegraben haben. Ganz eindeutig hat der Herr sein Volk nicht verlassen. Ein
paar Jahrtausende später zog der Gott der Juden Nutzen aus seiner Macht und
zwang die Nationen in die Knie, so dass sie das Licht sahen und bereitwillig
1947 für die UN- Trennungsresolution
stimmten. Ein fataler Irrtum, der es für die Israelis legal (weit mehr als
moralisch) machte, in Städten zu leben,
die Gott nicht erbaut hatte und sie von Quellen trinken ließ, die er nicht
gegraben hatte. Wenn es tatsächlich eines Beweises für die Existenz des Gottes
Judas bedarf, sollten die oben erwähnten Ereignisse genügen, um seine Existenz
zu beweisen.
Es ist
jedoch ziemlich offensichtlich und sehr peinlich, dass zugegebenermaßen der
Gott Judas bei Moses in Deuteronomium 6,10 als ein unmoralischer, böser Gott
geschildert wurde. Es ist ein Gott, der seine Leute plündern, rauben und
stehlen lässt. Es gibt jedoch viele Wege mit diesem negativen Bild des Allmächtigen
umzugehen. Auf literarischer Ebene kann man vorschlagen, dass die genannten
Textstellen lediglich zwei isolierte Zeilen in einem riesigen Text sind, der
wohlmeinend ist und einige fundamentale und universale Gedanken beinhaltet. Auf
der Ebene des Sinnzusammenhangs könnte man interpretieren, dass es eigentlich
nicht Gott war, der zu seinem auserwählten Volk sprach, sondern Moses, der die
wahre Botschaft Gottes nicht richtig überlieferte. Mit anderen Worten: Moses
hat die Botschaft nicht richtig verstanden oder hat sie gar erfunden.
Tatsächlich gibt es viele andere Wege, um den Gott Judas davor zu bewahren, der
wahre Grund für den gegenwärtigen israelischen Raub zu sein. Es ist dennoch
nicht leicht, die Israelis davor zu bewahren, dass sie als Räuber und Plünderer
dastehen, besonders angesichts ihres spirituellen, kulturellen und religiösen
Erbes. Kurz gesagt, es ist eigentlich unmöglich, nicht den Zusammenhang
zwischen Deuteronomium 6,10 und den Verbrechen gegen das palästinensische Volk
zu sehen, die vom jüdischen Staat im Namen des jüdischen Volkes verübt werden.
Scheinbar waren Moses und seine Zeitgenossen und heute ihre gegenwärtigen zionistischen
Nachfolger erregt von den Möglichkeiten, die sich ihnen im „Land von Milch und
Honig“ darbieten. Israel, der jüdische Staat, war dem Ruf Moses zu den Anfangsgründen gefolgt. Die ethnische
Säuberung des palästinensischen Volkes im Jahre 1948 lässt Deuteronomium 6,10
wie eine Prophezeiung aussehen, die in Erfüllung ging. Täglich berauben die
Israelis die Palästinenser ihres Landes, ihrer Städte, Dörfer, Felder, Haine
und Quellen. Dieser Raub hat tatsächlich über ein Jahrhundert hindurch nie
aufgehört.
Während der
letzten 60 Jahre ist Moses’ Aufforderung zum Diebstahl legale Praxis geworden.
Die israelische Plünderung der palästinensischen Städte, Häuser, Felder und
Quellen hat seinen Weg in das israelische Rechtssystem gefunden. Schon 1950-51
haben israelische Gesetzgeber das „Eigentumsgesetz der Abwesenden“ legalisiert,
ein rassistisch-orientiertes Gesetz, das die Palästinenser an einer Rückkehr in
ihr Land, in ihre Städte und Dörfer hindern soll. Ein Gesetz, das dazu da ist,
um den neuen Israelis zu erlauben, in Häusern und Städten zu wohnen, die sie
nicht erbaut haben.
Die nie
endende Ausraubung Palästinas durch Israel im Namen des jüdischen Volkes
schafft einen verheerend spirituellen, ideologischen, kulturellen und offensichtlich praktischen Zusammenhang
zwischen der jüdischen Bibel und dem zionistischen Projekt. Die Krux ist
einfach und doch zerstörerisch: Israel und der Zionismus sind zusammen
erfolgreiche politische Systeme, die die Ausplünderung - vom Gott Judas in der jüdischen Heiligen
Schrift angekündigt - in die verheerende Praxis umgesetzt haben.
Es scheint
offensichtlich. Das wiederkehrende Versagen der Zionisten und
Neo-Konservativen, den Islam und die Muslime zu diffamieren, ist eigentlich
nichts anderes als eine banale Projektion. Zionisten und Neo-Konservative sind
sehr vertraut mit den verschiedenen unmoralischen Lehren im jüdischen spirituellen
und religiösen Erbe, die ihren Ausgang in der zionistischen Plünderung fand.
Dummerweise versuchen diese, das Erbe auf den Islam und die Muslime zu
projizieren. Nachdem wir die Rede Moses gelesen haben, müssen wir vielleicht
zugeben, dass das jüdisch-nationalistische Projekt, das von einer großen
Mehrheit der jüdischen Institutionen auf der ganzen Welt unterstützt wird, ein
Versuch ist, die einheimischen Palästinenser auszurauben, und das auf dem
kulturellen und religiösen Erbe begründet ist, wie es in der jüdischen Bibel
ausgezeichnet dokumentiert ist.
Wir sollten
nie vergessen, dass nicht alle Juden der Bibel folgen. Einige sind sich der
biblischen Texte oder ihres Inhalts nicht einmal bewusst. Andere werden uns
sogar daran erinnern, dass wir niemals den Bund und sein progressives,
säkulares und kosmopolitisches Erbe vergessen sollen, das gegenwärtig von etwa einem halben Dutzend enthusiastischer
jüdischer Marxisten auf der ganzen Welt unterstützt wird. In der Tat müssen wir
zugeben, dass von den wenigen Bundanhängern, die nach dem Krieg (1945?) nach Israel emigriert sind, ein
halbes Dutzend nicht mit Israel, dem Zionismus und der Plünderung Palästinas
einverstanden sind. Das ist sicherlich ein Grund zu jubeln. Aber dennoch
glauben Bundanhänger, dass anstatt die Palästinenser auszurauben, wir alle uns
im Namen der Revolution der Arbeiterklasse zusammentun müssten, um solche
auszurauben, die man als reich ansieht, die Wohlhabenden und die Starken. Anbei
der Aktionsaufruf des Bundes aus dem „Schwur“, der Hymne des Bundes:
Wir
schwören, dass der Hass unserer Anhänger fortbesteht,
gegenüber
denen, die die Armen ausrauben und töten:
Den Zar,
die Herren und Kapitalisten.
Unsere
Rache wird schnell und zuverlässig sein.
So
schwören wir gemeinsam zu leben oder zu sterben!
Auf den ersten Blick wird das Ausrauben der Reichen, die Enteignung ihrer Häuser und ihres Reichtums als ethischer Akt innerhalb des progressiven Diskurses angesehen. Als junger Revolutionär habe ich selbst bei solchen selbstgerechten Demonstrationen teilgenommen. Ich war bereit, mein Schwert zu ziehen, um an der Jagd auf den „Zar“ teilzunehmen, einen Kapitalisten oder irgendeinen anderen Feind, der meinen Weg kreuzt. Aber dann geschah das Unausweichliche: Ich bin erwachsen geworden. Ich habe begriffen, dass eine solche Rache gegenüber einer ganzen Klasse von reichen Gojim nichts anderes ist als die erweiterte Rede von Moses bei Deuteronomium, Kap. 6.
Raub kann
nicht die Lösung sein, ob es sich um Palästinenser handelt, Iraker, die
Weltbank oder sogar um den Zar höchst persönlich, die ausgeraubt werden sollen.
Raub beinhaltet eine kategorische Ablehnung des andern. Die Voraussetzung ist
daher eine innewohnende Selbstgerechtigkeit. Raub und Plünderung leben nicht in
friedlicher Koexistenz mit einem tiefen Verständnis der Idee der Gleichheit der
Menschen. Wir müssen traurigerweise zugeben, dass hasserfüllte Plünderung von
Besitz anderer Leute in den jüdisch-politischen Diskurs Eingang fand, sowohl
bei den Rechten wie bei der Linken. Die jüdischen Nationalisten wollten die
Palästinenser im Namen des
Selbstbestimmungsrechts ausrauben; die jüdischen Progressiven waren dafür, die
herrschende Klasse und sogar das internationale Kapital im Namen der
universalen Revolution der Arbeiterklasse auszurauben. Ich halte mich besser
davon fern.
Fazit
Festzustellen
ist, falls Neokonservative und Zionisten wirklich ein Interesse daran haben,
den Islam und die Muslime zu diffamieren, sie nur für eine analoge und
ausführliche Leseart des Islam sorgen müssen, in welcher ein angeblicher satanischer
Vers in eine unethische Praxis übersetzt wird, die von einem wirklich
vorhandenen organisierten Kollektiv ausgeführt wird.
Wenn man
sich jedoch an den wachsenden Einfluss des Alten Testamentes im politischen US
Diskurs erinnert, der auf der wachsenden amerikanischen Popularität des
christlichen Fundamentalismus basiert, kann uns die Idee eines räuberischen
Gottes helfen, das gegenwärtige amerikanische Verhalten im Irak und in
Afghanistan zu verstehen. Mit anderen Worten: Die wachsende Beliebtheit der
Lehre des Alten Testamentes kann uns dabei helfen, die Philosophie des Raubes
zu begreifen, die von den Tätern des notorischen „Neuen Amerikanischen
Jahrhunderts“ angeregt wurde.
Ganz
wichtig ist, dass bei einer solch problematischen Deutung des jüdischen Gottes,
wie er in Deuteronomium 6,10 und seiner totalen Ablehnung des anderen
dargestellt wird, die Aufforderung Jesu,
seinen Nachbarn zu lieben, ins Spiel kommt. Das ist genau der Bestandteil, den
einige von uns in Moses’ Rede vermissen,
wie sie im politisch-jüdischen Diskurs und dessen Praxis reflektiert wird. Vor
allem fehlt uns in der gegenwärtigen anglo-amerikanischen Politik die
Nächstenliebe. Es ist die Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit unter den
Menschen, die wir beim jüdischen Nationalismus vermissen, sowohl bei den
Rechten wie bei den Linken. Wären die Zionisten offen für die Idee der
Brüderlichkeit, wären sie mitfühlend gewesen, als es sich um die Rückkehr der
Palästinenser ging. Wären die jüdischen Marxisten und Kosmopoliten offen für
die Idee der Brüderlichkeit, hätten sie ihre einzigartigen und ausschließenden
Banner aufgegeben und wären normale Menschen geworden wie der Rest von uns.
(dt
Elisabeth Lauck/ Rohlfs)