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Der Auftrag: Ein Leben für die Freiheit – Denis Goldberg in Israel

 

Denis Goldberg nach der Entlassung aus der Gefangenschaft in Südafrika 1985

Quelle: das Buch von Denis Goldberg

 

Mich schockierte in Israel die Blindheit gegenüber der Realität. Viele fortschrittliche Leute, die gegen die Apartheid waren, würden behaupten, in Israel gebe es keinen Rassismus  und  alle Menschen  würden  dort gleich behandelt. Natürlich wissen sie, dass ich kein Zionist bin, weil ich über jüdische Israelis und palästinensische Israelis reden würde, um ihrer nichtssagenden Verwendung des Wortes „israelisch“ entgegenzutreten, das nur jüdische Bürger bedeutet. Es gibt unzählige Gesetze, die die Palästinenser in ihrem eigenen Land zu Fremden macht. Ich wurde darum gebeten, über Apartheid in Südafrika zu sprechen, und es war verblüffend, dass einige  meiner Zuhörer aufgebracht waren, weil sie sagten, ich würde das israelische Leben , das Gesetz, die Trennung und rassistische Ideologie beschreiben, die in die Köpfe junger Leute eingepflanzt werden und zwar durch die tägliche  Erfahrung, aber auch durch ihre Schultexte, ihre religiösen Instruktionen, durch die Jugendgruppen usw. in ihrem Land, als ich wirklich nur unsere südafrikanische Erfahrung beschrieb. Ich habe den Verdacht, dass  es solch eine Rede war, die  Tom Segev dahin brachte, einen Artikel zu schreiben, wie ich ihn oben beschrieb. Wie die Apartheid Südafrika, duldet das zionistische Israel keinen Widerspruch.  General Dayan sagte, dass es keine jüdische Siedlung gibt, die nicht über einer palästinensischen Siedlung liegt, die  vernichtet wurde. General Sharon, ein genau so brutaler General, gab  später zu, dass das Bauen von Siedlungen jenseits der international anerkannten Grenzen in Wirklichkeit militärische Besatzung sei. Als  eine Sache praktischer Politik akzeptiere ich die Idee der Zwei-Staatenlösung, die vom UN-Sicherheitsrat schon 1948 entschieden wurde.  Dass die säkulare PLO so lange brauchte, diese Basis zu akzeptieren, ändert nicht die  internationale Legitimität dieser Herangehensweise.

Meiner Ansicht nach ist es unmöglich, Frieden in einer theokratischen oder von Geistlichen/Rabbinern geleiteten Gesellschaft zu erreichen.  Genau wie ich die quasi religiöse Basis eines exklusiv zionistisch jüdischen Staates zurückweise, so weise ich auch die quasi religiöse Basis eines islamischen Staates zurück. Einer der Gründe für die Erfolglosigkeit der säkularen PLO ist , dass die feudalen Ölstaaten des Nahen Ostens eher ein zionistisches Israel als Opponenten und Kollaborateur haben wollen als einen säkularen palästinensischen Staat. Palästinenser sind die Verwalter und Arbeits- wie Facharbeiterkräfte des Nahen Ostens. Als Ausländer oder Glaubensgenossen  haben sie in den Ländern, in denen sie sich befinden, keine politischen Rechte. Mit einem  vermutlich säkularen Staat im Rücken würden die feudalen Herrscher sich selbst von einer Revolution bedroht fühlen, die von einer zivilen Gesellschaft angeführt wird, und einer Forderung für  ein soziales, demokratisch politisches System.

 

 

Bemerkungen für zukünftige Gespräche über Palästina und Israel

( aus dem Buch von Denis Goldberg: „Der Auftrag – ein Leben für Freiheit in Südafrika“ ( S. 403f)

 

Unsere Welt ist ein gefährlicher Ort – kein Konflikt ist bedeutender als die Forderung nach Freiheit unserer palästinensischen Brüder und Schwestern. Wir, in Südafrika, wissen, was rassistische Unterdrückung bedeutet. Wir bekämpften sie, und wir besiegten sie, weil sie unrecht war. Wir bekämpften sie, um frei zu sein und unser Land aufzubauen.

Die Welt verurteilte die Apartheid, und die internationale Anti-Apartheid-Kampagne war ein wichtiger Teil unseres Kampfes. Sie half das Apartheidregime politisch, wirtschaftlich, diplomatisch, sozial und militärisch zu isolieren. Die Auswirkungen waren überall.

 

Die Verurteilung der Apartheid war natürlich auf die Leugnung der Menschenrechte und  -Würde der Massen unseres Volkes gegründet. Die Gewalt der Apartheid wurde verurteilt z.B.  die Militärbesatzung unserer Townships, das Schießen und die Massaker, die im Fernsehen gezeigt wurden, schockierten die Menschen überall. Menschen, ganz gewöhnliche Leute, zwangen ihre Regierungen, gegen die Apartheid vorzugehen.

 

Die Gewalt des Apartheidregimes in SA war nichts im Vergleich mit der totalen Brutalität der israelischen Besatzung Palästinas. Ich meine das ganze Palästina, aus dem die palästinensischen Araber vertrieben wurden. Die größte Gewalt wird in den besetzten Gebieten der Westbank und im Gazastreifen gesehen.

 

Wir , in SA, sahen keine Panzer, die aus allen  Rohren feuerten, um gepanzerte Bulldozer zu schützen. Noch sahen wir gepanzerte Helikopter, die Häuser zerstörten und Kinder, ja ganze Familien mit großer Präzision umbrachten.

 

Wir, in SA, sahen nicht, wie durch Bombardements ganze Stadtzentren zerstört wurden. Wir sahen die Brutalisierung unseres ganzen Volkes. Nicht nur die Unterdrückten wurden brutal behandelt; wir sahen, wie unsere jungen weißen Soldaten und Polizisten und jene schwarzen Soldaten und Polizisten brutaler wurden , um als Unterdrücker zu dienen . Dieser Schmerz und dieses Leid  muss überwunden werden.

 

Wir sehen dieselbe Brutalisierung von ganzen Generationen palästinensischer Araber. Das Leid, wenn man daran gehindert wird , zum Arzt zu gehen, wenn Ambulanzen festgehalten werden, wenn Frauen gezwungen werden, am Checkpoint zu gebären. Wir sehen dieselbe Brutalisierung von Generationen junger israelischer Soldaten, die dazu aufgerufen werden, ein Volk  und eine Gesellschaft zu vernichten. Checkpoints und Zäune kennen wir von der Bantustanisierung unseres Landes mit künstlichen Grenzen und  mit Wanderarbeitern.

 

Der Group Areas Act, ( ein Gesetz nur für Schwarze) der bestimmte, wo die Menschen wohnen konnten.  ….

….

 

Ich muss ein wenig abschweifen, um über  die Apartheid zu reden.

Ja, es ist ein System der rassistischen Unterdrückung. Aber warum? Es ist komplizierter als „einfacher“ Rassenhass.

Es war ein System wirtschaftlicher Ausnützung – keine Rechte macht niedrige Löhne.

Jede Berufsschule lehrt, was jeder Geschäftsmann weiß: niedrige Löhne macht großen Profit.

Apartheid war ein System sozialer Trennung, Arbeitsgesetze zur Ausbeutung und Kontrolle – ist ein wirtschaftliches System. „Legale“ Kontrolle von Leuten aus rassistischen Gründen.

Dies alles  wird von einer Ideologie der rassistischen Überlegenheit getragen, um die Ungleichheit des Systems zu erklären.

 

 

Wir Südafrikaner erkennen alle diese  Kennzeichen in der israelischen Unterdrückung der Palästinenser wieder.

Wir kennen aus der eigenen Geschichte, dass der friedliche Widerstand die besetzende Macht dahin bringt, immer mehr Gewalt anzuwenden. Der Unterdrückte beginnt zu sagen – wie in Südafrika, dass sie Waffen nehmen sollen, um sich selbst zu verteidigen.

An diesem Punkt wird das terrorisierte unterdrückte Volk plötzlich noch mehr als „Terrorist“ dämonisiert.

An diesem Punkt muss die Welt helfen, eine politische Lösung zu finden, bevor man die Brutalisierung und den Genozid eines ganzen Volkes ohne unseren Protest geschehen lässt.

 

Egal wie die Proteste des israelischen Staates sind, seine Politik ist immer die der Vertreibung des ganzen palästinensischen Volkes  aus dem Staat gewesen. Die Grenzen des Staates haben sich ständig erweitert, bis schließlich nominell nur noch 22% des Landes für die Palästinenser übrig geblieben sind.

Wir wissen, dass es noch  über eine Million palästinensischer Araber in Israel gibt – aber ihnen werden viele Bürgerrechte  nicht zugestanden. Sie dürfen kein Land oder Besitz erwerben. Wo werden ihre Kinder leben, wenn sie erwachsen sind und ihre eigenen Familien gründen? Südafrika tat dasselbe nach ihrem Group Areas Act (einem Gesetz nur für die Schwarzen).

 

Dies ist Landraub großen Stils. Es wird von Unwahrheiten begleitet:

„Die Palästinenser verließen ihr Land und gaben es tatsächlich Israel“ sagt ein Statement, das einfach die Massaker und das bewusste Zerstören der Dörfer ignoriert.

Bekanntlich sagte der General Dayan, dass es kein israelisches Dorf oder keine israelische  Siedlung gibt, die nicht auf einem arabischen Dorf gebaut wurde, das von bewaffneten Kräften Israels zerstört wurde.

Wir fügen hinzu, dass ihre Namen absichtlich aus den Landkarten gelöscht wurden, genau wie ihre Menschen. Und dieser Landraub setzt sich bis heute fort.

 

Die Palästinenser sind bemerkenswert großzügig: sie sind zufrieden mit den 22% ihres eigenen Landes in der Westbank und im Gazastreifen als Basis für ihren unabhängigen Staat, der sich auf  UN-Resolutionen gründet, die auch die einzige legale Rechtfertigung für den Staat Israel sind.

Doch Israelis siedeln auf den Hügelkuppen und verteidigen dann das neu gestohlene Land mit enormer Militärkraft. Jeder Palästinenser, der sein Land zurückhaben will, sollte eigentlich die Unterstützung des israelischen Gerichtes haben und des ICJ (?),  ist aber  natürlich ein „Terrorist“.

Die totale Demütigung des palästinensischen Volkes durch die Beherrschung ihres Landes durch illegale Siedler, die das Land stehlen und besetzen, ist real und aufwieglerisch.

Der Diebstahl des Landes  hat sogar sehr ernste wirtschaftliche Konsequenzen.

In solch einem wasserarmen Gebiet ist Land ohne Wasser nutzlos. Die  Israelis haben 90% (!!)  des Jordanwassers  für ihre Wirtschaft gestohlen und so die palästinensisch-arabische Wirtschaft in diesem Prozess zerstört.  ( Und 80% aus den Aquifers unter der Westbank ER)

Über 70 000 Olivenbäume, viele davon sind Hunderte Jahre alt , sind von den Israelis zerstört worden.

Sie sagen ‚aus Sicherheitsgründen’: werden apartheidähnliche Stacheldrahtzäune und Militärstraßen gebaut – in Wirklichkeit aber, um die arabische Wirtschaft zu zerstören.

Bäume benötigen Wasser.

Gleichzeitig pflanzt Israel mit  Hilfe des jüdischen Nationalfond (JNF), der von Zionisten in aller Welt unterstützt wird, neue Wälder, schafft neue Seen für Freizeitaktivitäten und  Wassersport. Man vergisst leicht, dass dies auf gestohlenem Land errichtet wird und auf Kosten von Leben ungezählter palästinensischer Menschen geschieht.

 

Die Israelis behaupten, sie seien  von Gott auserwählt und finden eine biblische Rechtfertigung für ihren Rassismus, ähnlich den  weißen Afrikanern der Apartheid Südafrikas.

Die Briten benötigten solchen Glauben nicht; sie  beanspruchten ein pseudo-wissenschaftliches Darwinisches „Überleben der Stärksten“ als Rechtfertigung für ihre Kolonisierung.

Die wirtschaftliche Macht war das Mittel, und die Ratio war die militärische Macht.

 

Wir verlangen, dass gehandelt wird: 

Uns half man durch die anti-Apartheid-Bewegungen, um Süd-Afrika zu isolieren.

Unterstützt den Aufruf für wirtschaftliche Sanktionen und alle in Israel hergestellten Waren .

Wir rufen zu einem Embargo aller sportlichen und kulturellen Kontakte auf.

 

Wir fordern den unmittelbaren und bedingungslosen Rückzug Israels aus allen besetzten Gebieten der Westbank und des Gazastreifens . Wir fordern, dass Israel in guter Absicht mit den anerkannten Führern des palästinensischen Volkes verhandelt, und wir verlangen, dass sie  mit ihrem Anspruch aufhören, zu entscheiden, wer diese Vertreter sein sollen.

(Denn einige der größten Staatsterroristen der Welt beanspruchen das Recht, zu entscheiden, mit wem sie verhandeln. Das ist unerträglich)

 

Israel muss anerkennen, dass die Gewaltanwendung zur Unterdrückung eines Volkes einfach mehr Gewalt hervorruft.

Deshalb sagen wir:

Raus aus der Westbank und dem Gazastreifen

Schluss JETZT  mit der Besatzung der Westbank und des Gazastreifens.

 

(dt. Ellen Rohlfs)