Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Laura Grant, 27.7.15 The Guardian
Heute
kam ich zum ersten Mal nach dem
Krieg von 2014 nach Gaza. Obwohl ich seit
fast einem Jahr als Menschenrechtsaktivistin in den besetzten Gebieten
gearbeitet habe, haben die israelischen
Einschränkungen und eine
prekäre Sicherheits-Situation mich daran gehindert, bis jetzt meine Kollegen
hier zu besuchen.
Meine
Freunde warnten mich, dass ich Schwierigkeiten haben werde, nachts zu schlafen,
aber ich fühlte mich so überwältigt, so erschöpft, dass ich sicher war, ich
würde zusammenbrechen, sobald ich mich in das Hotelzimmer zurückziehen würde. Es
stellte sich heraus, dass sie Recht hatten: mir das Trauma der andern noch
einmal vorzustellen, ist ein Gebiet, auf dem sie schon unerwünschte Erfahrungen
hatten.
Wie die
meisten Palästinenser von Gaza hatte keiner meiner Kollegen den 45km langen
blockierten Gazastreifen seit dem Ende des letzten Krieges vor einem Jahr
verlassen. Nachdem sie diesen
brutalen 51-Tage langen Krieg
durchlebt und durch-gearbeitet hatten, begannen sie damit, ihr eigenes Leben
wieder zusammen zu setzen und das ihrer zerstörten Städte – alles
mit der wohl begründeten Furcht, dass der nächste Krieg
nur eine Frage der Zeit ist.
Wie
Menschen dies aushalten, während der Krieg wütete, liegt außerhalb meines
Fassungsvermögen. Von der Vernunft her verstehe ich, dass es gezwungenermaßen
eine Sache des Überlebens ist, aber die Realität ist so weit von menschlicher
Erfahrung entfernt, dass ich nicht
in der Lage bin, es mir vorzustellen. Noch viel weniger kann ich mir vorstellen,
woher die Menschen die Kraft finden, mitten im Krieg
zur Arbeit zu kommen und Lebensmittelpakete Notfallausrüstung an die
Obdachlosen zu verteilen, während sie sich um die Sicherheit ihrer Familien zu
Hause Sorgen machen.
Heute
ist der erste Tag, dass meine Kollegen in der Lage sind, zu jemandem, der von
außen kommt, über das zu reden, was sie vor einem Jahr durch gemacht haben. Ich
bin ihre Verbindung zur Außenwelt; die einzige Person, mit der sie reden können,
die sich nicht mit eigenen Schrecken auseinandersetzen muss.
Einer
nach dem anderen teilt seine Geschichte mit mir. Ich kenne die Fakten und die
Zahlen. Ich habe mich auf schiere Menge von zerstörten Gebäuden vorbereitet,
aber auf dies hier war ich nicht vorbereitet. Geschichten von Eltern, die mit
den Kindern im Arm ihre Wohnungen verlassen und nicht wissen, wohin sie gehen
sollen. Von andern, die ihre Lieben
verlieren, weil sie nicht zur richtigen medizinischen Behandlung
ausreisen konnten. Von einem 28-Jährigen (mein Alter), der sein Leben nach
Intifadas und Kriegen aufzeichnen kann. Von einer 31 Jährigen Frau, die von
ihrer Familie getrennt, zum 1. Mal in diesem 3. Krieg in sechs Jahren allein
ist..
Nachdem
ich jedem einzelnen zugehört habe, sage ich ihnen, dass ich keine Worte habe, um
ihnen darauf zu antworten. Weil die Leute nicht damit gerechnet haben, solchen
Horror durchzustehen. Ihre Dankbarkeit für meinen simplen Akt, Zeugnis
abzulegen, ist kaum zu ertragen.
Nachts
liege ich im Bett und frage mich,
was ich mit all dem tun soll. Meine übliche Folge von Emotionen – Zorn, Angst,
Trauer – passen nicht. Ich fühle mich wie betäubt, treibe zwischen
Bewusstsein und Schlaf hin und her. Selbst die Alpträume, die meine
Psyche als Reaktion auf die heute gehörten Horrorgeschichten produziert,
können sich nicht dem nähern, was diese Menschen
durchgemacht haben.
Wir
haben keinen emotionalen Sprachschatz oder eine emotionale Antwort, mit diesem
menschlichen Leiden fertig zu werden. In den nächsten Tagen spreche ich mit
Freunden und mit der Familie zu Hause und versuche, ihnen etwas von dem
mitzuteilen, was ich verstanden habe. Ich spreche mit andern
Humanitarians/ Vertretern/ Sozialarbeitern und stelle fest, dass es auch ihnen
an Wortschatz und Hilfsmitteln
fehlt.
Wie
gehen wir mit der Ungerechtigkeit
um, die solch ein Leiden verursacht?
Diese
Erfahrung ist für Sozialarbeiter, die in Palästina arbeiten,
keineswegs ungewöhnlich. Die
Quote von Post-Traumatic Stress und totaler Erschöpfung steht als mächtiger
Beweis, dass wir als Gemeinde, keine wirksamen Strategien haben, um mit dieser
emotionalen Belastung fertig zu werden.
(dt. und
stark gekürzt, weil ich nicht mehr die Kraft hatte, dies zuende zu übersetzen,
E.Rohlfs)