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Gaza:  Frühwarnung vor einer Katastrophe

Die lauernde Katastrophe zu vermeiden wäre einfach – hebt die Blockade auf!

 

http://guardian.co.uk./commentisfree/20127sep/09/gaza-early-warning

 

Robert Turner, Guardian.co.uk, 9.9. 2012

 

Das internationale System wird oft angeklagt, es würde, eine entsprechende Frühwarnung abzugeben, versäumen; indem es kurzsichtig sei  und  den zuständigen Mächten nicht die  Daten und Analysen gebe, die eine effektive, zeitige Reaktion auf eine voraussehbare Katastrophe erlauben würde. Mit der letzten Veröffentlichung des Berichtes „Gaza 2020: ein erträglicher Ort?“ würde es schwer sein, diese Anklagen beim UN-Team in den besetzten palästinensischen Gebieten beiseite zu wischen. Der Bericht ist eine Trendanalyse, die sich auf Daten aus zuverlässigen Quellen gründet, wie die  spezialisierten UN- Agenturen, die Weltbank und die IMF, die darstellen, wo der Gazastreifen in weniger als acht Jahren sein wird. Das ist  Frühwarnung in großer Schrift.

 

Um 2020 wird die Bevölkerung des winzigen Gazastreifens um eine halbe Million Menschen angewachsen sein: 500 000 mehr müssten ernährt, ausgebildet und beschäftigt werden und natürlich ein Dach über dem Kopf bekommen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wird unter 18 sein, im Verhältnis mit  andern Ländern auf der Welt  eine Bevölkerung mit dem höchsten Anteil von Jugendlichen.

 

Der Mangel an Trinkwasser ist das dringendste Anliegen im Gazastreifen von heute und es wird in den nächsten Jahren nur noch schlimmer kommen. Der Küstenaquifer ist die Hauptwasserquelle, aber 90% seines Wassers ist ohne vorherige Behandlung kein Trinkwasser.  Im Augenblick  werden dem Aquifer dreimal mehr Wasser entnommen, als jedes Jahr an Regenwasser nachkommt. Diese Situation ist so nicht haltbar. Um 2016 wird der Aquifer nicht mehr benützt werden, und um 2020 wird der Schaden ohne baldige Sanierungsmaßnahmen  nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Schon jetzt müssen die Bewohner  immer tiefer  bohren, um Grundwasser zu erreichen. Das UN-Umweltprogramm empfiehlt, den Aquifer sofort ruhen zu lassen, da sonst , um sich zu erholen, Jahrhunderte nötig wären. Gleichzeitig  wird die Nachfrage nach Wasser um 260 Mill. Kubikmeter  pro Jahr ansteigen, um 60% mehr als im Augenblick dem Aquifer entnommen wird.

Nur ein Viertel der Abwässer wird zur Zeit behandelt. Die restlichen ¾ werden ins Mittelmeer abgelassen. Auf Grund des Bevölkerungswachstums wird die Menge der Abwässer pro Jahr von heute  44Mill. Kubikmeter  auf 57 Mill. Kubikmeter im Jahr 2020 anwachsen . Die jetzigen Kläranlagen müssen erweitert und verbessert und neue gebaut werden.

 

Diese Voraussagen haben große Auswirkungen für alle humanitären und Entwicklungs-organisationen im Gazastreifen, besonders die UNRWA, die zusammen mit den Gaza-Flüchtlingsgemeinden zusammenarbeitet. Etwa 70% der Bevölkerung sind Flüchtlinge mit augenblicklichen UNRWA-Fällen von über 1,2 Millionen, die bis 2020 auf etwa 1,5Millionen anwachsen wird. Dieser 30%ige Zuwachs an Flüchtlingen wird massive Investitionen erfordern, um den jetzigen Stand der Versorgung aufrecht zu erhalten.

 

Was die Gesundheit betrifft: 2011 waren es über 4,4 Mill. Patienten, die die UNRWA-Gesundheitszentren besuchten; da könnte man erwarten, dass diese Zahl auf  mehr als 5,7 Millionen jährliche Besucher steigt. UNRWA’s 21 Gesundheitszentren haben einen durchschnittlichen Einzugsbereich von nahezu 57 000 registrierten Flüchtlingen; …Um UNRWA näher an WHO-Standards zu bringen, benötigt die Agentur zusätzlich 90 Ärzte und 95 Krankenschwestern. Um den augenblicklichen Dienstlevel  2020 zu halten, bräuchte die  UNRWA 5 weitere Gesundheitszentren, 220 Ärzte und über 300 andere medizinische Fachkräfte …

 

Was den Bildungssektor betrifft: Zur Zeit hat die UNRWA 247 Schulen in 130 Gebäuden mit 93% Doppelschichten – ein und dasselbe Gebäude dient täglich zwei getrennten  Schichten an Schülern und Lehrern. Um das jetzige  Schüler/Lehrer-Verhältnis aufrecht zu erhalten, wären mehr als 2000 Lehrer und pädagogische Kräfte nötig.

 

Was den sozialen Unterhalt betrifft: UNRWA verteilt Lebensmittel an über 900 000 Flüchtlinge Lebensmittel; etwa 44% haben aus Mangel an Arbeit keine sichere Lebensgrundlage. Ohne Verbesserungen der Wirtschaft, die nur durch Aufhebung der Blockade kommen kann, wird die Zahl auf über eine Million steigen. Zusätzliche 350 000 Flüchtlinge bedeuten für 2020, dass etwa 20 000 neue Unterkünfte/Wohnungen nötig sind.

 

Unser Rezept zur Abwendung dieser lauernden, aber vermeidbaren Katastrophe ist einfach. Während die UN die  (pal.) Raketen  viele Male verurteilt hat, fahren wir fort, die Aufhebung der Blockade zu fordern, die die internationale Gemeinschaft Hunderte von Millionen Dollars im Jahr kosten. Man erlaube der Bevölkerung, sich an den Entwicklungsstandard und der wirtschaftlichen Wohlstand zu erfreuen, nach dem sie sich sehnen. Sie sind in der Lage, sich selbst zu versorgen. Sie wollen nicht weiter den augenblicklichen Level von 80% Abhängigkeit an Hilfe. Auch die Steuerzahler, die die internationalen Hilfsagenturen finanzieren, sind nicht damit einverstanden. Wenden wir uns  eher an die Ursachen dieser lauernden Katastrophe, als dass wir von der internationalen Gemeinschaft erwarten, dass sie die Rechnung bezahlt, indem sie die katastrophalen Konsequenzen mildert.

 

Robert Turner ist Direktor des Gaza –UNWRA für palästinensische Flüchtlinge.

 

(dt. Ellen Rohlfs)