Israel Palästina Nahost Konflikt
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Überbringer schlechter Nachrichten
Amir
Paz-Fuchs, Haaretz, 7.12.08
Es war etwas Aufregendes und Vielversprechendes acht Tage nach der historischen Präsidenten-Wahl an der Ostküste
der USA entlang zu reisen. Trotz der depressiven und militärisch düsteren Lage war die Stimmung
so, als ob die Herausforderungen nur von
großen Männern bewältigt werden können – und dass Hilfe auf dem Wege sei.
Als eine Delegation von
israelischen Menschenrechtsanwälten – Sari Bashi von Gisha (Rechtszentrum für das Recht von Bewegungsfreiheit),
Michael Sfard von Yeh Din (Freiwillige für Menschenrechte) , Limor
Yehuda von der Association for
Civil Rights in Israel und ich, der ich mich auf die
Situation der palästinensischen Gebiete spezialisiert habe. Wir wurden neidisch zu Zeugen von Hoffnung und Freude
und fühlten uns wie Überbringer von schlechten Nachrichten. Wir waren aus den
Schützengräben gekommen und berichteten von großen Verlusten, ja dass wir
verloren haben.
Wie weithin bekannt ist, hält
Israel die Gebiete unter einem legalen Regime, das man „kriegerische Besatzung“
nennt. Diese Herrschaft ist tatsächlich legal und zwar in dem Sinne, dass es
vom Völkerrecht anerkannt ist. In diesem Rahmen dürfen Menschenrechte außer
Acht gelassen werden, wie sie nicht in einem „normalen“ demokratischen Staat
gerechtfertigt sind. Aber die Zustimmung ist nicht ohne Bedingungen. Die
Möglichkeit, gewisse Rechte den geschützten Personen eines besetzten Volkes vorzuenthalten,
gründet sich auf der Annahme, dass die Besatzung vorübergehend ist. Und im
israelisch-palästinensischen Kontext heißt „vorübergehend“ 41 Jahre.
Während dieser 41 Jahre hat Israel
alles in seiner Macht stehende getan, eine neue Realität zu schaffen und zwar
mit außergewöhnlichem Tempo. Den Menschenrechtsanwälten und Aktivisten wird
es bei den neuen Praktiken der
israelischen Regierung und ihren Abteilungen (Ministerien, Armee, Zivile
Verwaltung, Polizei etc.) ganz schwindlig. Solche Praktiken arbeiten mit dem
Vorwand vorübergehender Sicherheitsmaßnahmen , mutmaßlich unter kriegerischer
Besatzung legitimiert, wurden dann aber permanent gemacht, um Israels
Interessen zu dienen: zugunsten der Siedler und Siedlungen, zur Ausbeutung der
palästinensischen Bevölkerung, zur Einmischung in die palästinensische
Innenpolitik. Auf diese Weise sind sie es gewohnt, auf den Menschenrechten der
Palästinenser herumzu- trampeln.
Hier ist es nun wichtig, an das
Wesentliche zu erinnern: die Menschenrechte sind eine wichtige Kontrolle der
höchsten Behörde der Regierung. Als solche sind sie ein besonders offenes
Phänomen, das nicht nur in und für sich selbst wichtig ist, sondern auch auf
Grund der wohltuenden Konsequenzen für jeden. Zum Beispiel das Recht der freien
Rede ist für jemanden wichtig, der seine ihn sehr beschäftigende Wahrheit
aussprechen möchte oder für das Publikum, das diese hören will. Wenn diese
Rechte beiseite geschoben werden, entwickeln sich ungute Folgen – nicht nu für
die, denen die Rechte zustehen, sondern auch für das Land im Ganzen.
Dies ist die traurige Situation,
die wir vor einem Auditorium an vier
Universitäten (Emory, Amerikanische, Harvard und
Columbia) und in Washington dargelegt haben. Wir, als Vertreter unserer vier
verschiedenen Organisationen präsentierten ein niederschmetterndes Bild der
israelischen Politik in den besetzten Gebieten, die Auswirkung auf die
Lebensfähigkeit einer Zwei-Staatenlösung und ihre Folgen auf die Demokratie im
eigentlichen Israel.
Ein paar Beispiele dafür: 1. die „Sicherheits“-Barriere/ die Mauer. Seit Baubeginn der Mauer
hat die Regierung gegenüber dem Obersten Gerichtshof bei mehreren Gelegenheiten
glatt gelogen und ihre wirkliche Motive verschleiert,
nämlich die Siedlungserweiterung mit Sicherheitsrhetorik. Als ihre Lügen aufgedeckt worden waren und der
Gerichtshof eine Veränderung des Mauerverlaufs forderte (Wie es in Bilin der Fall war), wurde dieses Urteil einfach ignoriert.
Dies ist sogar ziemlich bekannt . Aber es gibt andere
Beispiele, die für die Zukunft nicht weniger bedeutsam sind. Planer (Bimkom) für die Planung eines Menschenrechtsberichtes
zeigten, wie israelische Planungspolitik in der Zone C effektiv die West Bank
aufteilt, dass das Land fast ausschließlich für israelische Nutzung zur
Verfügung steht.
Yesh Din berichtet, dass zivile Siedlermilizen gegen die
palästinensische Bevölkerung gewalttätig vorgeht - bei völliger Straflosigkeit. In 90% dieser
Fälle, die von Beginn der 2. Intifada bis 2007
aufgenommen wurden, folgte einer Klage keine Ermittlung. Gisha
demonstrierte wie die lange Absperrung des Gazastreifens nicht nur zu
Hungersnot und Armut führte, sondern die Hamas auch zu einem attraktiven
Versorger von Energie, Lebensmittel und Grundvorräten machte. Und die
Association for Civil Rights
in Israel zeigte wie Israel die von Leben sprühende Westbankstadt Hebron, ein
Zentrum für mehr als 150 000 Palästinenser in eine Geisterstadt gemacht hat –
nur zum Vorteil von 600 jüdischen Siedlern.
Nachdem die israelische Regierung
die Erfahrung gemacht hat, wie man die Rechtsstaatlichkeit im Kontext der
besetzten Gebiete ignorieren kann, machte sie die Erfahrung auch innerhalb
Israels. Bei zwei Urteilen, die vor kurzem Gastarbeiter und Erziehungsgelder
betrafen, war der Oberste Gerichtshof bestürzt, als er erfuhr, dass vorausgegangene Urteile von den
relevanten Ministerien einfach
ignoriert wurden. Israel scheint zunehmend mutlos zu sein, ja, hilflos
sich selbst gegenüber. Es ist zuweilen so, als ob das Stehvermögen der wahren
Freunde getestet würde. Wenn jemand in selbst-zerstörerisches Verhalten verwickelt ist, braucht
man wahre Freunden, die einem in die
Augen schauen und die Wahrheit sagen:
dies ist nicht gut für dich.
Amerika ist für Israel von Anfang an ein
unerschütterlicher, wahrer Freund gewesen, aber an einem gewissen Punkt wurde
der Test amerikanischer Freundschaft in eine Erwartungshaltung
umgewandelt, es möge von jeder Kritik
Abstand nehmen. Das ist sehr bedauerlich. Die Zwei-Staatenlösung ist kein
vorherbestimmter Kurs. Wir schauen zunehmend auf eine Ein-Staaten-Lösung.
Aufgezehrt von der Notwendigkeit,
den Friedensprozess voranzubringen, haben alle an diesem Prozess Beteiligten
routinemäßig die Menschenrechtsverletzungen ignoriert, die jedes Ziel
untergraben. Wenn die neue amerikanische Regierung den Friedensprozess
ernsthaft in den nächsten Jahren voranbringen will, muss sie sich mit diesen auf täglicher Basis geschehenden
Verletzungen befassen. Es ist von größter Dringlichkeit.
Dr.
Amir Paz-Fuchs ist ein Vorstandsmitglied von den Planern von Planungsrechten (Bimkom). Er lehrt Jura am Ono Akademic
Kolleg an der Tel Aviver Universität.
(dt. Ellen Rohlfs)