Haaretz Editorial 25.12.09
Der Krieg
der Polizei und der IDF wird in den
letzten Wochen offen gegen Proteste des linken Flügels und von
Menschenrechtsaktivisten ausgefochten. Als Folge davon wächst die Sorge über
Israels Image als freies und
demokratisches Land, eines das allen seinen Bürgern gleiche und tolerante
Behandlung zukommen lasse.
Gewaltfreie
Proteste im Ost-Jerusalemer Vorort Sheikh Jarrah gegen die Vertreibung von
Palästinensern aus ihren Häusern durch extreme Rechte trafen auf gewalttätigen
und unverhältnismäßige Antwort durch die Polizei. Die IDF reagierte mit
unerträglicher Härte auf Proteste gegen den Trennungszaun in den
palästinensischen Dörfern von Bilin und Na’alin.
In Sheik
Jarrah schickte die Polizei unnötig viel Leute, die mit Tränengas und
Pfefferspray bewaffnet waren. Während der letzten zwei Wochen wurden bei diesen
Protesten nicht weniger als 50
Demonstranten verhaftet .
In Bilin und
Na’alin schossen IDF-Soldaten
scharf auf unbewaffnete Demonstranten, die keine Gefahr für das Leben der
Soldaten darstellten – und so verletzten sie
militärische Order.
Größere Verhaftungswellen wurden in diesen beiden Dörfern durchgeführt: die
Organisatoren der Demonstrationen
und Mitglieder der Volkskomitees. Einige von ihnen wurden vor ein Militärgericht
gestelltt und wegen Hetze angeklagt und zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt.
Was die
Gewalt ( des Militärs) betrifft, so eskaliert dieser; was die Toleranz betrifft,
so wird diese in ihrer Haltung gegenüber legitimen Protest immer geringer. Zwei
israelische Dozenten Prof.Galit Hasan-Rokem und Prof. Daphna Golan beschrieben
kürzlich in Haaretz die harte
polizeiliche Reaktion in Sheikh Jarrah. Über Proteste wurde ( in der Zeitung
Haaretz) auch sehr deutlich während der Operation Cast Lead vor einem Jahr
berichtet: über 800 israelische Bürger, die meisten Araber, waren verhaftet
worden; gegen 685 gab es strafrechtliche Verfahren. Das war ein schlechtes Omen
in Bezug auf die Haltung des Staates gegenüber Demonstranten.
Und all dies
geschieht zu einer Zeit, in der dieselben Behörden, die dem Gesetz Geltung
verschaffen sollen, viel mehr Nachsicht und Rücksicht gegenüber Leuten des isr.
rechten Flügels üben, die gegen das Einfrieren des Siedlungsbaus
demonstrieren. Dort gibt es keine massiven Verhaftungen, dort gibt es
weniger polizeiliche Gewalt.
Bürger – vom
rechten oder linken Flügel – haben beide das Recht und die Pflicht, gegen das zu
protestieren, was sie erschüttert - innerhalb rechtlicher Grenzen . Toleranz
gegenüber solchen Protesten ist der Lebensatem eines demokratischen Regimes.
Photos von
Soldaten, die auf Demonstranten
scharf schießen, sind dagegen aus den übelsten Regimen bekannt. Wenn
Trommler in Sheikh Jarrah verhaftet werden und Palästinenser in Bilin, weil sie
die Reste der von der IDF abgeschossenen Munition einsammeln und ausstellen –
dann ist dies ein Regime, das nicht mit der erforderlichen Toleranz gegenüber
legitimem Protest handelt.
Die Bilder
von Sheikh Jarrah und die Szenen von Bilin und Na’alin, die sich wöchentlich
wiederholen, werden im Dunkel des öffentlichen Desinteresses
verborgen bleiben - und als
schwarzes Loch bei den Medien. Aber was die Polizei in Sheikh Jarrah
und was die IDF in Bilin und Na’alin
tut, sollte jeden Israelis, ob er nun zum rechten oder linken Lager
gehört - stören, weil dies genau
das Wesen des Regimes des Landes ist, in
dem wir leben.
(dt. Ellen
Rohlfs)